Lipro: Keine Auskunft
[30. 05. 2001]
Eigenwillige Informationspolitik
Wenn das Berliner Unternehmen zu den Fragen der Finanzierung und zum Russlandgeschäft keine
Stellung nimmt, ist dies ein schlechtes Zeichen. Auf die Frage, warum sich die Kreditverhandlungen in die
Länge ziehen, will die Gesellschaft nicht antworten. Es heißt nur lapidar, dass die Dinge in Bewegung
sind und sich der Vorstand darum kümmert. Dies muß er wohl auch, schließlich geht es um die Existenz
von Lipro und ihrer Mitarbeiter.
Morgen könne man möglicherweise von Lipro mehr erfahren, wenn die Vorstände von ihren Terminen
zurück sind. Das Unternehmen vermittelte vor einiger Zeit den Eindruck, dass noch im Mai mit einer
teilweisen oder vollständigen Abwicklung des Russlandgeschäftes zu rechnen wäre. Die Chancen dafür
stehen offensichtlich nicht mehr gut. Mit 22 Mio. DM würde das Russlandgeschäft immerhin 30% des für
2001 geplanten Jahresumsatzes in Höhe von 35,9 Mio. Euro entsprechen. Lipro verweist heute gerne
darauf, dass das Geschäft in Russland inzwischen nicht mehr als Umsatz im Jahresergebnis 2000 zu
Buche steht und somit kein zeitlicher Druck zu dessen Abwicklung bestünde. Aufgrund der aktuellen
Liquiditätssituation und Erwartungshaltung der Investoren, die erst durch die Informationspolitik von Lipro
entstanden ist, sollte es dennoch im Interesse des Unternehmens liegen, einen schnellen
Geschäftsabschluß zu präsentieren. Je mehr Zeit verstreicht, um so wahrscheinlicher wird es, dass das
Geschäft mit einem russischen Telekommunikationsunternehmen, mit dem Lipro in Verhandlungen steht,
erst gar nicht zustande kommt.
Welche Finanzpolitik verfolgt Lipro in Zukunft?
Der neue Finanzvorstand (CFO) Reinhard Kramer stand für eine konservative Bilanzpolitik bei Lipro, wie
sie in dem geänderten Jahresabschluß sichtbar wurde. Gerade einmal 3 Monate war dieser
Finanzvorstand im Amt, der zum 31.05.2001 im gegenseitigen Einvernehmen, wie es offiziell heißt, seine
Tätigkeit bei der Lipro beendet. Ohne dies kommentieren zu wollen, ist festzuhalten, dass das
Ausscheiden von 2 Finanzvorständen innerhalb kürzester Zeit kein Zeichen von Kontinuität und
Glaubwürdigkeit im Management von Lipro ist.
Fazit
Die anhaltend unbefriedigende Situation für die Mitarbeiter von Lipro und die Investoren veranlaßt uns
dazu, Lipro auf marktneutral zu stufen. Allein die immer noch vorhandene Unterbewertung hält uns von
einer Verkaufsempfehlung ab. Sollte Lipro in den nächsten Tagen oder Wochen positive News bezüglich
der Finanzierung bzw. des Russlandgeschäftes bekannt geben, sind Kurssprünge nicht auszuschließen.
Wir rechtfertigen das Urteil damit, dass nicht nur die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, sondern
auch Fragen der Informations- und Bilanzpolitik in unser Urteil mit einfließen. Sollte Lipro positive
Nachrichten melden, die über die beiden genannten Punkte hinausgehen, könnte wieder eine
Neubewertung anstehen. Voraussetzung ist aber zunächst eine gesicherte Finanzierung.
Heiko Blaschke
Der Autor hält Anteile am besprochenen Unternehmen.