Reuters
- Von Sabine Bub und Mirko Wollrab -
München/Frankfurt (Reuters) - Der Medienunternehmer Leo Kirch muss nach wochenlangen Verhandlungen mit den Gläubigerbanken über eine Rettung der hoch verschuldeten Kirch-Gruppe offenbar die Mehrheit an seinem Kerngeschäft abgeben.
In der jüngsten Verhandlungsrunde am Sonntag in München sei deutlich geworden, dass die Kirch-Minderheitsgesellschafter, darunter der italienische Konzern Mediaset und der australische Medienunternehmer Rupert Murdoch, die Mehrheit an der Filmproduktions- und Rechtegesellschaft KirchMedia übernehmen wollten, erfuhr Reuters am Sonntagabend aus Verhandlungskreisen. Die Banken stünden dieser Möglichkeit aufgeschlossen gegenüber und auch der Widerstand des 75-jährigen Firmengründers schwinde. Die Gespräche würden am Montag fortgesetzt. Eine Einigung sei noch in dieser Woche möglich.
Die mit mindestens 6,5 Milliarden Euro verschuldete Kirch-Gruppe ringt schon seit Wochen mit den Gläubigerbanken um ein Sanierungskonzept. Dabei wurde schnell klar, dass sich Kirch von Randaktivitäten wie seiner Beteiligung am Hamburger Axel Springer Verlag, dem spanischen TV-Sender Telecinco und wahrscheinlich auch seinem Engagement bei der Formel 1 trennen muss. Nun wird Leo Kirch wohl auch noch die Kontrolle über das Kerngeschäft - die Filmproduktion, den Rechtehandel und die Senderfamilie ProSiebenSat.1 Media - verlieren.
KIRCH-MINDERHEITSGESELLSCHAFTER WOLLEN MEHRHEIT
An den Gesprächen am Sonntag nahmen den Angaben zufolge Vertreter des Medienkonzerns, Kreditexperten der Bayerischen Landesbank, der HypoVereinsbank, der DZ Bank und der Commerzbank und die Minderheitsgesellschafter unter der Führung von Mediaset teil. "Die Investoren haben deutlich gemacht, dass sie die Mehrheit wollen. Die Banken stehen dem nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber", hieß es in Verhandlungskreisen.
Jahrelang hatten die Kreditinstitute einen Einstieg bei Kirch mit der Begründung abgelehnt, das Filmgeschäft sei zu undurchsichtig und riskant. "Die Banken drängen sich da nicht rein. Wenn es ohne uns geht - um so besser. Wir verstehen nichts vom Filmgeschäft", kommentierte ein Bankenvertreter die Gespräche. Im Zuge einer Kapitalerhöhung von 800 Millionen Euro solle KirchMedia eine Finanzspritze erhalten, um operativ handlungsfähig zu bleiben. Die Anteile Kirchs, der zusammen mit seinem Sohn Thomas rund 79 Prozent an KirchMedia hält, würden dadurch auf jeden Fall auf unter 50 Prozent verwässert.
Die Minderheitsgesellschafter - Murdoch, der Mediaset-Konzern des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der Handelskonzern Rewe, die Finanzinvestoren Lehman Brothers und Capital Research sowie der saudische Prinz Al Waleed - halten zusammen rund 21 Prozent an KirchMedia. In welchem Verhältnis sich die Gesellschafter und die Banken an der Kapitalerhöhung beteiligen oder ob die Kreditinstitute überhaupt ein Kapitalengagement eingehen würden, sei noch unklar, hieß es in Finanzkreisen. Grundsätzlich wäre ein Einstieg der Banken höchstens für zwei bis drei Jahre gedacht.
LEO KIRCHS WIDERSTAND SCHWINDET
Auch Leo Kirch, der mit dem Kauf der Rechte an dem Fellini-Klassiker "La Strada" in den 50er Jahren in die Branche eingestiegen und zum größten Filmrechtehändler und TV-Unternehmer Deutschlands avanciert war, muss sich offenbar dem Druck der Gläubigerbanken und der Minderheitsgesellschafter beugen. "Kirch könnte sich vorstellen, seinen Widerstand gegen den Verlust seiner Mehrheit aufzugeben", hieß es in Verhandlungskreisen. "Kirch muss natürlich dafür eine finanzielle Kompensation erhalten."
Trotz der erneuten Vertagung der Verhandlungen wird in den Kreisen mit einer recht schnellen Einigung gerechnet: "So wie es heute ausschaut, ist es nicht ausgeschlossen, dass das nächste Woche in trockenen Tüchern ist." Sollte schon am Montag der Durchbruch bei den Verhandlungen gelingen, könnten die Ergebnisse am Dienstag den Vorständen der Banken auf ihren turnusmäßigen Sitzungen zur Genehmigung vorgelegt werden.