Reform des Gesellschaftsrechts
Licht und Schatten der Ein-Euro-GmbH
Von Oliver Seiler, Sven Prüfer
Gründeten deutsche Gesellschafter vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen „Inspire Art“ eine englische Private Limited Company, die bestimmungsgemäß in Deutschland tätig werden sollte, bestand für die Gründer die Gefahr, persönlich für Schulden der Gesellschaft zu haften.
Seit „Inspire Art“ (September 2003) sind Gesellschaften mit Sitz in Deutschland unabhängig davon anzuerkennen, in welchem Mitgliedsstaat der Europäischen Union sie gegründet wurden. Auch deutsche Gesellschafter können sich daher auf die Haftungsbeschränkung einer englischen Limited berufen.
Auf den ersten Blick unspektakulär, so werden die Konsequenzen der EuGH-Entscheidung deutlich, wenn man berücksichtigt, dass für die Gründung einer englischen Limited lediglich ein englisches Pfund, für die Gründung einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) jedoch mindestens 25 000 Euro aufgebracht werden müssen. Selbst wenn bei Bargründung die Gründer zunächst nur 12 500 Euro einzuzahlen haben, bleibt der finanzielle Aufwand für die Errichtung einer GmbH deutlich höher als für die Gründung ihres englischen Gegenstücks.
Dieses Gefälle ist eine Ursache für Überlegungen, das GmbH-Recht insbesondere hinsichtlich der Regeln zur Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals zu liberalisieren. Mit anderen Worten: die so genannte „Ein-Euro-GmbH“ zuzulassen. Eine derartige Reform würde darauf abzielen, die finanzielle Ausstattung einer GmbH weitgehend in das Belieben ihrer Gründer zu stellen und sich von Gesetzes wegen mit einem Stammkapital von einem Euro zu begnügen. Umgekehrt stünde es den Gründern frei, die Gesellschaft mit einem höheren Stammkapital auszustatten, so sie dies für erforderlich halten.
Obwohl eine solche Liberalisierung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbH im Verhältnis zu vergleichbaren ausländischen Gesellschaftsformen steigern könnte, würde eine auf die Reduzierung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststammkapitals beschränkte Reform wohl zu kurz greifen.
Würden die Gesellschafter einer Ein-Euro-GmbH der Gesellschaft zum Zweck der Geschäftsaufnahme Darlehen zur Verfügung stellen, bestünde die Gefahr, dass die Gesellschafter weder Zinsen noch Rückzahlung der Darlehen auf Grund der so genannten „Eigenkapitalersatzregeln“ verlangen könnten. Stellen nämlich – grob vereinfacht – Gesellschafter einer GmbH finanzielle Mittel zu einem Zeitpunkt zur Verfügung, in dem Dritte der Gesellschaft keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen gewährt hätten, können sie mit Zins- und Rückzahlungsansprüchen ausgeschlossen sein, solange diese „Kreditunwürdigkeit“ anhält. Angesichts der geringen Kapitalausstattung der Gesellschaft ist das ein nicht geringes Risiko. Die isolierte Einführung der Ein-Euro-GmbH würde somit zwar von der Notwendigkeit befreien, der Gesellschaft mindestens 25 000 Euro zur Verfügung zu stellen. Ohne ein Überdenken der Regeln zum Eigenkapitalersatz bestünde jedoch die naheliegende Gefahr, dass weitere Beiträge der Gesellschafter de facto wie Stammkapital behandelt werden.
Ein weiterer Punkt: Mit Zulassung der Ein-Euro-GmbH würde die gesetzliche Mindeststammkapitalziffer ihre (ohnehin begrenzte) Fähigkeit einbüßen, als „Hemmschwelle“ gegen unseriöse Gründungen zu wirken. Dies könnte Gerichte in ihrer Neigung bestärken, (auch nur vermeintlich) unseriösen Gründungen mittels eines so genannten „Durchgriffs“ zu begegnen, infolgedessen die Gesellschafter für die Schulden der GmbH persönlich haftbar würden. Eine Liberalisierung des gesetzlichen Mindestkapitals sollte daher mit Vorgaben einhergehen, deren Beachtung die Gesellschafter einer Ein-Euro-GmbH gegen das Risiko einer Durchgriffshaftung schützen können. Neben der ohnehin notwendigen Eintragung der Stammkapitalziffer im Handelsregister könnte etwa vorgesehen werden, die Höhe des Stammkapitals zur Pflichtangabe auf sämtlichen Geschäftsbriefen der Gesellschaft zu machen, um Fehlvorstellungen von Geschäftspartnern hierüber zu vermeiden.
Eine Reform des GmbH-Rechts zur Verbesserung seiner Chancen im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen wird daher nicht auf eine Liberalisierung der gesetzlichen Mindeststammkapitalziffer beschränkt bleiben können. Sollten sich die Überlegungen des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zu einem Reformentwurf verdichten, ist ihnen daher eine breite Aufmerksamkeit gewiss. Dem Vernehmen nach könnte innerhalb der kommenden zwei Monate mit einer Entscheidung des BMJ zu rechnen sein.
Dr. Oliver Seiler ist Partner, Dr. Sven Prüfer Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltsgesellschaft Allen & Overy LLP.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 25. März 2005, 10:41 Uhr
Licht und Schatten der Ein-Euro-GmbH
Von Oliver Seiler, Sven Prüfer
Gründeten deutsche Gesellschafter vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Sachen „Inspire Art“ eine englische Private Limited Company, die bestimmungsgemäß in Deutschland tätig werden sollte, bestand für die Gründer die Gefahr, persönlich für Schulden der Gesellschaft zu haften.
Seit „Inspire Art“ (September 2003) sind Gesellschaften mit Sitz in Deutschland unabhängig davon anzuerkennen, in welchem Mitgliedsstaat der Europäischen Union sie gegründet wurden. Auch deutsche Gesellschafter können sich daher auf die Haftungsbeschränkung einer englischen Limited berufen.
Auf den ersten Blick unspektakulär, so werden die Konsequenzen der EuGH-Entscheidung deutlich, wenn man berücksichtigt, dass für die Gründung einer englischen Limited lediglich ein englisches Pfund, für die Gründung einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) jedoch mindestens 25 000 Euro aufgebracht werden müssen. Selbst wenn bei Bargründung die Gründer zunächst nur 12 500 Euro einzuzahlen haben, bleibt der finanzielle Aufwand für die Errichtung einer GmbH deutlich höher als für die Gründung ihres englischen Gegenstücks.
Dieses Gefälle ist eine Ursache für Überlegungen, das GmbH-Recht insbesondere hinsichtlich der Regeln zur Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals zu liberalisieren. Mit anderen Worten: die so genannte „Ein-Euro-GmbH“ zuzulassen. Eine derartige Reform würde darauf abzielen, die finanzielle Ausstattung einer GmbH weitgehend in das Belieben ihrer Gründer zu stellen und sich von Gesetzes wegen mit einem Stammkapital von einem Euro zu begnügen. Umgekehrt stünde es den Gründern frei, die Gesellschaft mit einem höheren Stammkapital auszustatten, so sie dies für erforderlich halten.
Obwohl eine solche Liberalisierung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbH im Verhältnis zu vergleichbaren ausländischen Gesellschaftsformen steigern könnte, würde eine auf die Reduzierung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststammkapitals beschränkte Reform wohl zu kurz greifen.
Würden die Gesellschafter einer Ein-Euro-GmbH der Gesellschaft zum Zweck der Geschäftsaufnahme Darlehen zur Verfügung stellen, bestünde die Gefahr, dass die Gesellschafter weder Zinsen noch Rückzahlung der Darlehen auf Grund der so genannten „Eigenkapitalersatzregeln“ verlangen könnten. Stellen nämlich – grob vereinfacht – Gesellschafter einer GmbH finanzielle Mittel zu einem Zeitpunkt zur Verfügung, in dem Dritte der Gesellschaft keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen gewährt hätten, können sie mit Zins- und Rückzahlungsansprüchen ausgeschlossen sein, solange diese „Kreditunwürdigkeit“ anhält. Angesichts der geringen Kapitalausstattung der Gesellschaft ist das ein nicht geringes Risiko. Die isolierte Einführung der Ein-Euro-GmbH würde somit zwar von der Notwendigkeit befreien, der Gesellschaft mindestens 25 000 Euro zur Verfügung zu stellen. Ohne ein Überdenken der Regeln zum Eigenkapitalersatz bestünde jedoch die naheliegende Gefahr, dass weitere Beiträge der Gesellschafter de facto wie Stammkapital behandelt werden.
Ein weiterer Punkt: Mit Zulassung der Ein-Euro-GmbH würde die gesetzliche Mindeststammkapitalziffer ihre (ohnehin begrenzte) Fähigkeit einbüßen, als „Hemmschwelle“ gegen unseriöse Gründungen zu wirken. Dies könnte Gerichte in ihrer Neigung bestärken, (auch nur vermeintlich) unseriösen Gründungen mittels eines so genannten „Durchgriffs“ zu begegnen, infolgedessen die Gesellschafter für die Schulden der GmbH persönlich haftbar würden. Eine Liberalisierung des gesetzlichen Mindestkapitals sollte daher mit Vorgaben einhergehen, deren Beachtung die Gesellschafter einer Ein-Euro-GmbH gegen das Risiko einer Durchgriffshaftung schützen können. Neben der ohnehin notwendigen Eintragung der Stammkapitalziffer im Handelsregister könnte etwa vorgesehen werden, die Höhe des Stammkapitals zur Pflichtangabe auf sämtlichen Geschäftsbriefen der Gesellschaft zu machen, um Fehlvorstellungen von Geschäftspartnern hierüber zu vermeiden.
Eine Reform des GmbH-Rechts zur Verbesserung seiner Chancen im europäischen Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen wird daher nicht auf eine Liberalisierung der gesetzlichen Mindeststammkapitalziffer beschränkt bleiben können. Sollten sich die Überlegungen des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) zu einem Reformentwurf verdichten, ist ihnen daher eine breite Aufmerksamkeit gewiss. Dem Vernehmen nach könnte innerhalb der kommenden zwei Monate mit einer Entscheidung des BMJ zu rechnen sein.
Dr. Oliver Seiler ist Partner, Dr. Sven Prüfer Rechtsanwalt im Frankfurter Büro der internationalen Anwaltsgesellschaft Allen & Overy LLP.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 25. März 2005, 10:41 Uhr