KARRIEREN: In dubio pro Leo

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KARRIEREN: In dubio pro Leo

 
08.04.02 13:24
Ohne seine guten Kontakte zur Politik ist Leo Kirchs Aufstieg vom Filmhändler zum Herrn über Deutschlands größten TV-Konzern nicht denkbar. Auf die Hilfe seiner konservativen Freunde konnte er sich verlassen. Doch jetzt gehen sie auf Distanz oder sind Männer von gestern - wie Helmut Kohl.

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Der Kanzler? Leo Kirch war nicht begeistert. "Ach", stöhnte er, als ein Freund wieder einmal von Helmut Kohl schwärmte, "hör mir auf mit dem Sandalentyp."
Der Filmhändler? Helmut Kohl war nicht begeistert. "Die zwei hatten keinerlei persönliches Verhältnis zueinander", sagt Gerd Bacher, der beiden eng verbunden ist: als langjähriger Generalintendant des Österreichischen Rundfunks und Großkunde dem einen, als Wahlkampfberater dem anderen. Tatsächlich hielt der CDU-Chef den Münchner für einen Spezi seines verhassten Rivalen Franz Josef Strauß.

Erst 1987 gelang es Bacher, die beiden zusammenzubringen. "Schau ihn dir mal näher an", sagte er zu Kohl, "das ist einer der wenigen Europäer, die in der Weltliga spielen."

Wenig später wurde Kirch nach Bonn in den Kanzlerbungalow gebeten. "Es funkte sofort", erinnert sich Bacher: "An diesem Abend entstand eine Freundschaft, die bis heute hält."

In den folgenden elf Jahren bis zu Kohls Wahlniederlage im Oktober 1998 gelang es den beiden Freunden, das deutsche Mediensystem grundlegend zu verändern: Kirch wurde vom Filmhändler zum Herrn über Deutschlands größten TV-Konzern, das Kabinett Kohl und viele - nicht nur konservative - Länderchefs machten ihm den Weg frei.

Spötter sprechen von einer "medienpolitischen k. u. k. Monarchie", Kritiker wie der Medienexperte Lutz Hachmeister von einem "erstaunlichen Fall von Elite-Versagen".

Weitgehend tatenlos sahen die Aufsichtsbehörden zu, wie sich Kohl-Freund Kirch - teils offen, teils verborgen über Strohmänner - ein gewaltiges Medienimperium aufbaute. Gedeckt von seinen mächtigen Verbündeten in der Politik, mochte ihn niemand aufhalten.

Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei CSU fühlten sich von Kirchs Medien meist gut behandelt; musste ein Parteifreund elegant entsorgt werden, reichte oft ein Anruf beim Patriarchen in München, um eine adäquate Jobalternative anbieten zu können. "Der Leo" half, wo er konnte.

Im Gegenzug durfte er - fast immer - machen, was er wollte. Die Mediengesetze fielen so lau aus, dass Kirch selten leiden musste. Bekam er Ärger mit den europäischen Wettbewerbskontrolleuren in Brüssel, griff sein Buddy, der Kanzler, persönlich zum Telefon. Die konservativen Verbündeten in den Ländern besorgten ihm die Frequenzen und später, als sein Geldhunger immer größer wurde, die nötigen Kredite - mochten sie auch noch so riskant sein.

Kirchs Aufstieg ist ohne seine guten Kontakte zu führenden Politikern von CDU und CSU kaum zu erklären. Doch zuletzt konnte ihm niemand mehr helfen: Sein Freund Helmut Kohl ist ein Mann von gestern, und Edmund Stoiber geht eilig auf Distanz - die Krise seines Verbündeten belastet seine Kanzlerkandidatur. Zu tief ist die halbstaatliche Bayerische Landesbank mit ihren unzureichend gesicherten Milliardenkrediten in das Kirch-Deaster verstrickt.

Und so steht Leo Kirch am Ende seiner beispiellosen Karriere allein da. Wer möchte schon gern mit Verlierern gesehen werden? Der Mythos, den er in vier Jahrzehnten um sich verbreitet hat, ist längst dem Mitleid gewichen. Das politische Netzwerk aus konservativen Gesinnungsfreunden - bedeutungslos, der einst so mächtige und gefürchtete Unternehmer - ein einsamer, gescheiterter, alter Mann.

Endgültig vorbei sind die Zeiten, als Kirch mit seiner gewaltigen Ballung von Geld- und Meinungsmacht manchen Kritikern schon als zweiter Alfred Hugenberg erschien, der in den zwanziger Jahren mit seinen deutschnationalen Blättern Adolf Hitler gesellschaftsfähig gemacht hatte.

Kirch selbst ist nicht unschuldig daran, dass seine Gegner oft so hysterisch und übertrieben reagieren. Schon zu Beginn seiner Karriere betreibt er seine Geschäfte am liebsten im Verborgenen. Zu viel Aufmerksamkeit ist schädlich, denn sofort könnte seine fast monopolartige Stellung als Filmlieferant für ARD und ZDF ins Gerede kommen.

Und so bleibt zunächst auch im Verborgenen, dass sich Kirch nach der konservativen "Wende" 1982 in Bonn - für seine Vertrauten überraschend - plötzlich für Politik interessiert. Schneller als andere hat er begriffen, dass sich in seinem Fall Kommerz und Weltanschauung aufs Fruchtbarste verbinden lassen.

Seine Mitarbeiter erstaunt er bereits kurz nach Kohls Amtsantritt mit einem freimütigen Geständnis: "Jetzt haben wir die Macht", soll Kirch gesagt haben, "und wir werden dafür sorgen, dass wir sie so schnell nicht wieder verlieren." Mochte ihm der neue Kanzler auch damals noch unsympathisch sein, eines hat der katholisch-konservative Winzersohn aus Franken sofort erkannt: Mit ihrem erklärten Willen, das Monopol der öffentlich-rechtlichen Sender zu brechen, kann ihm nur die Union den Weg zum eigenen TV-Sender frei machen.

Für Kohl war die knappe Wahlniederlage 1976 gegen die sozial-liberale Koalition unter Helmut Schmidt ein prägendes Erlebnis gewesen. Er verlor, obwohl ihm die Prognosen einen Sieg vorhergesagt hatten. Seine demoskopische Beraterin Elisabeth Noelle-Neumann erfand daraufhin ihre berühmte Theorie von der "Schweigespirale", wonach die Meinung der Wähler durch linke Medien beeinflusst worden sei.

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Für den CDU-Chef war klar, wo der Gegner zu suchen war: bei den verhassten Blattmachern aus Hamburg und den "roten" Polit-Magazinen "Report Baden-Baden", "Panorama" und "Monitor". In den öffentlich-rechtlichen Anstalten seien in den siebziger Jahren von neun Chefredakteuren sieben bis acht "Linke" gewesen, behauptet Christian Schwarz-Schilling, der als Kohls Postminister ab 1983 die Republik verkabeln lässt und so erst die technische Voraussetzung für neue Kanäle und damit auch private Fernsehsender schafft.

"Wir wussten", sagt der Christdemokrat aus Hessen, "dass wir das Monopol der öffentlich-rechtlichen Nachrichtengebung nur durch Wettbewerb brechen konnten." Dann, so die Überlegung, sei es vorbei mit den "Schutzzonen" für politische Sendungen: "Die Leute sollten endlich sehen können, was sie wollten: Unterhaltung statt politischer Indoktrination."

Das ist die Stunde des Filmhändlers Leo Kirch, der in seinem gekühlten Hochregallager im Münchner Vorort Unterföhring kurzweilige Ware ohne Ende aufbewahrt. Bisher macht er seine Deals vor allem mit dem ZDF, unter tätiger Mithilfe seiner Unionsfreunde in den Aufsichtsgremien des Mainzer Senders: 1972 übernimmt Schwarz-Schilling von Kohl den Vorsitz des schwarzen "Freundeskreises" im Fernsehrat, dem unter anderen auch der einflussreiche CSU-Politiker Friedrich Zimmermann angehört, einer der engsten Kirch-Vertrauten, der unter Kohl zum Innenminister aufsteigt.

Mit Macht drängt Kirch nun ins Privatfernsehen. Es ist seine große Chance. Endlich muss er seine wertvolle Film- und Serienware nicht mehr fremden Programmdirektoren überlassen, endlich kann er sie selbst auswerten - nach eigenem Gutdünken und vor allem auf eigene Rechnung.

Doch in dem neuen Geschäftsfeld geht nichts ohne die Politik. Das Privatfernsehen ist heftig umstritten, die staatliche Regulierung mehr als unklar, Frequenzen können nicht gekauft, sondern müssen beantragt werden.

Kirch, der sonst gern betont, er sei "kein Politiker" und handle allenfalls als "Unternehmer, aber mit politischem Gewissen", passt sich schnell an die neuen Zeiten an: Sat.1, die Keimzelle seines späteren Senderimperiums und der erste Privatkanal der Republik, wird in der rheinlandpfälzischen Staatskanzlei konzipiert. Gründungsgeschäftsführer wird der Sprecher der Landesregierung. Kein Wunder, dass der Kanal in konservativ regierten Ländern problemlos die besten Frequenzen bekommt.

Schon bei seinem ersten Sender bedient sich Kirch dabei einer Methode, die er später immer wieder anwendet und die ihm wie kaum eine andere den Mythos des sinistren Medienpaten verschafft: Er steigt nicht offen ein, sondern über eine weitere Gesellschaft, die er zudem von einem Treuhänder verwalten lässt. Erst Jahre später bekennt er sich öffentlich zu seinem Engagement bei Sat.1.

Mal ist es ein Bankier, der für ihn die Anteile hält, mal ist es sein Sohn Thomas, mal sein italienischer Geschäftspartner Silvio Berlusconi. Bei Sat.1 will er vor allem verschleiern, dass er inzwischen Konkurrent seines besten Kunden geworden ist - des ZDF, das unter dem Intendanten Dieter Stolte - auch er CDU-nah - mit seinen Filmeinkäufen im Laufe der Jahre Hunderte von Millionen in Kirchs Kassen gespült hat.

Später treibt ihn nicht mehr die Furcht vor seinem Freund Stolte um, später unterläuft er mit seinen Tricks und Treuhändern das geltende Medienrecht. Virtuos umgeht Kirch mit immer ausgebuffteren Beteiligungsstrategien die gesetzlichen Konzentrationsbestimmungen.

Die Politik kommt ihm dabei nur selten in die Quere. Gemeinsam mit den Kollegen des konkurrierenden Bertelsmann-Konzerns sorgen Kirchs Lobbyisten dafür, dass die Medien-politik immer mehr zur bloßen Wirtschaftsförderung verkommt: Lässt du hier meinen Kirch gewähren, dann kommt dort dein Bertelsmann zum Zuge.

So werden die Werberichtlinien immer weiter gelockert und die Konzentrationsregeln den Bedürfnissen der Konzerne angepasst. Endlich darf Kirch seine Sender offen besitzen. Die Treuhänder haben ausgedient. Dabei hatte er jahrelang jeden mit Klagen überzogen, der behauptet hatte, der Kirch-Sohn Thomas diene dem Vater als Strohmann bei ProSieben.

Selten nur muss Kirch widerspenstigen Landesmedienanstalten oder Politikern offen drohen. Im Kanzleramt regiert schließlich Helmut Kohl, der stets ein offenes Ohr für seinen Freund in München hat - und bei Problemen bisweilen auch eine helfende Hand. In seiner Amtszeit gilt die Devise: in dubio pro Leo.

An einen besonders brüsken Auftritt des Bonner Kanzlers erinnert sich der frühere Brüsseler Wettbewerbskommissar Karel Van Miert in seinen Memoiren. Als die Kommission die Strategie von Kirch und Bertelsmann, eine gemeinsame technische Norm für das Digitalfernsehen einzuführen, untersagen will, meldet sich Kohl persönlich bei Kommissionspräsident Jacques Santer. Er solle den Plan doch bitte abnicken. Als Santer hart bleibt, erwidert Kohl knapp: "Das bedeutet Krieg."

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Der Kanzler weiß, dass seine Loyalität zu Kirch keine Einbahnstraße ist. Kirch dankt ihm auf seine Weise.

Er wirbt Heinz Klaus Mertes vom Bayerischen Rundfunk ab, der es gerade geschafft hat, mit seinen jüngsten Bildschirmattacken gegen Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe ("Treten Sie zurück") oder den linken "Bild"-Kritiker Günter Wallraff nicht nur Gewerkschaften, Linke und die Restmedien der Republik gegen sich aufzubringen - das ist normal -, sondern auch die eigenen Anhänger im Rundfunkrat des Senders nachhaltig zu verstören.

Im Sommer 1992 steht der stark sehbehinderte Kirch beim Geburtstagsempfang der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier in der Schlange am Büfett hinter dem konservativen Chefeinpeitscher und erkennt den CSU-Mann an der Stimme.

"Herr Mertes, was ich Ihnen schon immer sagen wollte", flötet der Franke, ein Meister des Schmeichelns: "Es gibt keinen Journalisten in Deutschland, vor dem ich so eine Hochachtung habe wie vor Ihnen. Wir müssen uns treffen."

Der kurze Partytalk hat Folgen. Keine sechs Monate danach ist Mertes Programm-Direktor Information bei Sat.1 und bringt den Kirch-Sender auf Kanzlerkurs.

Zu Hause, in Tutzing am Starnberger See, empfängt er Kirchs konservative Seilschaft. Die Tomatenessenz mit Scampis hat Hobbykoch Mertes selbst gemacht, die Kirchs bringen zwei Kisten vom Weingut des Bruders mit. Vom Bayerischen Rundfunk ist Wilhelm Fritz, der mächtige Vorsitzende des Rundfunkrats, erschienen. Und Edmund Stoiber, der durch die Amigo-Affäre gehetzte Nachwuchsmann der CSU, schafft es erst zum Ende des Hauptgangs nach Tutzing.

Bald meldet sich ein noch Mächtigerer bei ihm. "Sie haben ja so Recht, die linke ARD zu verlassen", gratuliert Kohl, von Kirch am Telefon durchgestellt, seinem Bewunderer Mertes zum Jobwechsel. Eine Woche später hatte der neue Sat.1-Mann seinen Termin in Bonn.

Der Kanzler empfängt abends um halb neun bei gedämpftem Licht in seinem Bungalow. Mertes teilt sich mit den beiden Kohl-Vertrauten Eduard Ackermann und Andreas Fritzenkötter eine Flasche Wein und eine Kasserolle mit Kassler und Bratkartoffeln. Am Kopfende sitzt der Patriarch in Polohemd und Schlappen und konsumiert ebenfalls eine Kasserolle und eine Flasche Wein - allein.

Man zieht ein wenig über die Kohl-Kritiker bei ARD und ZDF her, um dann schnell zum Thema zu kommen. "Zur Sache, Kanzler" soll die Interviewserie bei Sat.1 heißen, mit der Mertes den Regierungschef bis zu den Bundestagswahlen 1994 ausführlich zu Wort kommen lassen will.

Die Sendereihe erreicht innerhalb kürzester Zeit Kultstatus. Mertes' knallharte Interviewtechnik ("Wie geht es Ihnen?") steigert sich ("Geht es Ihnen montags anders als im Rest der Woche?") und kulminiert, nachdem Gewerkschafter auch kritische Fragen stellen durften, in seiner Hauptsorge: "Herr Bundeskanzler, wie geht es Ihnen nach den jetzt 70 Minuten Hearing?" Antwort Kohl: "Mir geht es gut."

Kirchs Wahlkampfhilfe für den Kanzler gerät zur unfreiwilligen Satire. Doch Kohl hält ihm die Treue, denn er weiß, dass Kirchs Imperium längst nicht mehr nur aus Filmrechten und Abspielstationen besteht.

Um seinem Lebenstraum von einem konservativen Medienverbund näher zu kommen, kauft sich der Filmhändler seit Mitte der achtziger Jahre mit seiner erprobten Treuhänder-Taktik nach und nach in den Springer-Verlag ("Bild", "Welt", "Hörzu") ein - gegen den erklärten Willen des 1985 verstorbenen Gründers Axel Cäsar Springer, der Kirch für einen "Kriminellen" hielt, mit dem er keine Geschäfte machen wollte.

Widerwillig hatte er ihm zwar zugebilligt, maximal 10 Prozent an Europas größtem Zeitungshaus zu übernehmen - am Ende aber hält Kirch über 40, die ihm vor allem sein Vertrauter und Anwalt Joachim Theye besorgt.

Damit beginnt eine konfliktträchtige Verbindung, eine "Partnerschaft mit vorgehaltenem Revolver", wie es der ehemalige Springer-Chef Peter Tamm treffend beschreibt - mit regelmäßigen Showdowns in den Springer-Aufsichtsratssitzungen.

Immer wieder versucht Kirch, seinen Anteil zu nutzen, um die Springer-Blätter zur Promotion seiner Sender einzusetzen. Und auch auf den politischen Kurs der Zeitungen hätte er gern mehr Einfluss.

Sein Geschäftsführer Gottfried Zmeck ist mit dem damaligen "Bild"-Politikchef Kai Diekmann und Kohls Medienberater Fritzenkötter befreundet. Mehrmals in der Woche telefonieren die drei miteinander - über dies und das und auch über Politik.

Doch Kohl ist unzufrieden. Regelmäßig ruft er seinen Freund Leo in München an und jammert. Beschwert sich über diese Sendung und über jene "Bild"-Schlagzeile. Kirch, fordert er immer wieder, solle doch endlich durchgreifen. Doch der hat inzwischen selbst realisieren müssen, dass TV-Sender und Zeitungen nicht auf Knopfdruck reagieren. Der Kanzler ist uneinsichtig. Warum, bitte schön, kann eine Redaktion nicht so parieren wie seine eingeschüchterten Beamten im Kanzleramt?

Mag Kirch seinen Freund in diesem Punkt auch nicht völlig zufrieden stellen - er hilft ihm an anderer Stelle. Mehrfach nutzt er als Ex-Kanzler später Kirchs Firmenairline Transalpina zu privaten Zwecken.

Im vergangenen Jahr muss Kirch einen seiner raren öffentlichen Auftritte absolvieren. Der ehemalige Kohl-Berater Horst Weyrauch sagt vor der Bundesgeschäftsführung der CDU aus, Kirch habe zu den anonymen Spendern Kohls gehört und der Partei Mitte der neunziger Jahre 900 000 Mark zukommen lassen. Der Unternehmer wird vor den Parteispenden-Untersuchungsausschuss nach Berlin geladen.

Erwartungsgemäß bestreitet er die Spende. Zwar habe er in den vergangenen 15 Jahren mehrere Parteien bedacht, aber nur mit Summen unter 20 000 Mark - also unterhalb der Veröffentlichungspflicht.

Nur eine Spende wird öffentlich. Kirch gehört zu den 30 Unterstützern, die es Kohl ermöglichen wollen, seine Schadensersatz-Zahlungen an die CDU zu begleichen. Kirch gibt eine Million Mark - die größte Einzelspende.

Vor dem Untersuchungsausschuss sorgt der Unternehmer für Heiterkeit, als er seine Männerfreundschaft mit Kohl beschreibt. Er habe den Kanzler zwar auf den "Verein in Brüssel" angesprochen, dessen Intervention bei der Kommission habe ihm jedoch "nur Ärger" eingebracht: "Kohl hat nie Ahnung von geschäftlichen Dingen gehabt."

Der Alt-Kanzler ist nicht der Einzige, der sich auf seine Hilfe verlassen kann. Auch zu den CSU-Fürsten in seiner Heimat unterhält er engste Kontakte. Sie sind es schließlich, die mit dafür gesorgt haben, dass sein steter Geldhunger mit immer neuen Krediten der Bayerischen Landesbank gestillt werden kann.

Hat ein CSU-Mann ein Problem, Onkel Leo sorgt für Abhilfe. So findet etwa der ehemalige Sprecher von Ex-CSU-Chef Theo Waigel, Maximilian Schöberl, ein Auskommen als Geschäftsführer einer Kirch-Tochterfirma. Auch Wilfried Scharnagl, Ex-Chef des Parteiorgans "Bayernkurier", wird versorgt: Als "Berater in publizistischen Fragen" soll er dem Vorstand der ProSiebenSat.1 Media AG zuarbeiten.

Doch Kirchs Amigo-System kann seinen Absturz nicht verhindern.

Der schleichende Kollaps kündigt sich seit Mitte der neunziger Jahre an. Kirch ist besessen von der Idee, das digitale Bezahlfernsehen allein zu beherrschen. Um mögliche Konkurrenten wie Bertelsmann vom Markt zu drängen, kauft er zu Höchstpreisen alles zusammen, was er zusammenraffen kann. Zu abenteuerlichen Konditionen schließt er langjährige Verträge mit allen wichtigen Hollywood-Studios.

Sein neues Management-Team um den Kronprinzen Dieter Hahn, der zuvor das Deutsche Sportfernsehen geleitet hat, überzeugt Kirch davon, dass im Sport die Zukunft liegt. Auch hier greift er ab, was er kann: Die Fußball-WM 2002 und 2006, Bundesliga, Formel 1 - alles gehört Kirch.

Doch die teure Programmware und das ebenso teure Marketing bringen nichts - die Abo-Zahlen von Premiere bewegen sich kaum von der Stelle. Kirchs Traum entwickelt sich zum Milliardengrab, in das schließlich das ganze Imperium abrutscht.

Lange kann er sich immerhin auf seine Bayerischen Partei-Spezis verlassen. Wann immer Kirch Geld braucht, die Bayerische Landesbank steht bereit. Insgesamt über zwei Milliarden Euro pumpt das halbstaatliche Kreditinstitut in das chronisch klamme Unternehmen. Mit an der Spitze der Bank steht Stoibers Ex-Staatskanzleichef Rudolf Hanisch, beaufsichtigt wird sie von Finanzminister Kurt Faltlhauser und Stoibers halber Kabinettstruppe.

Selbst als Kirch 1,1 Milliarden Euro braucht, um seinen hochriskanten Einstieg in die Formel 1 zu finanzieren, winkt die Bank nicht ab.

Alle Kredite für Kirch, beteuert Stoibers Staatskanzleichef Erwin Huber stets, seien nach strengen und banküblichen Kriterien vergeben worden. Zudem finde er es keinesfalls anstößig, wenn die Landesbank einen Unternehmer mit 10 000 Beschäftigten und "großem Potenzial" unterstütze.

Von "Potenzial" ist inzwischen keine Rede mehr. Kirch ist am Ende, und seine letzten Getreuen setzen sich von ihm ab. Während sein Name früher in der Münchner Staatskanzlei alle Türen öffnete, wird er heute besser verschwiegen. "Wenn Sie bei uns das K-Wort aussprechen", sagt ein CSU-Mann, "dann schlägt Ihnen eine Kälte entgegen, dass es Sie friert."

Das System Kirch hat sich überlebt. Viele seiner Getreuen sind inzwischen tot, Kohl hat nichts mehr zu melden, und Stoiber setzt sich ab, weil er zu Recht fürchtet, seine Kanzlerkandidatur könne von Kirchs Pleite-Virus infiziert werden.

Kirchs System - das war die Welt eines Patriarchen, den eine verschworene Managertruppe verehrte: weil er für sie sorgte, wenn sie in Schwierigkeiten kamen; zahlte und half, wenn die Ehefrau erkrankte. Und weil er selbst dann noch einen Platz für sie hatte, im dritten oder vierten Glied, wenn sie an vorderster Front versagten. Der Preis dafür: Schweigen. Und der Verzicht auf allzu große Unabhängigkeit.

"Ihn interessiert nur, was er alleine hat", sagt Gerd Bacher, seit über 30 Jahren ein enger Freund: "Er will Herr im Hause sein. Alles andere widerspricht seiner Mentalität."

Jetzt hat er alles verloren.

spiegel.de

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