HANDELSBLATT, Montag, 6. November 2006, 06:00 Uhr |
Neues Erfolgrezept für das Agieren an den Finanzmärkten?Je weniger man über Aktien weiß, desto besserVon Norbert HäringFür die meisten Anleger sind mehr Informationen über das Börsengesehen nicht nur nutzlos, sondern sogar schlecht. Das ist das provokante Ergebnis einer neuen Studie, die zeigt: Je mehr Aufwand ein Anleger betreibt, um seinen Wissenstand zu verbessern, desto schlechter ist die risikobereinigte Performance seines Portfolios.Je mehr ein Akteur auf den Finanzmärkten weiß, desto besser ist dies für ihn – dies ist ein Grundpfeiler der traditionellen ökonomischen Theorie. Schließlich kann ein gut informierter Anleger eher vermeiden, Aktien von schlechten Unternehmen zu kaufen. Und er hat eine größere Chance, die künftigen Gewinner herauszupicken. Nach der Lesart der klassischen Finanzmarkt-Theorie würde ein rationaler Investor sich so viel Informationen beschaffen, bis er nicht mehr der Meinung ist, dass eine zusätzliche Information ihm mehr einbringt als sie ihn kostet. Wäre die Information nichts wert, wäre ein Anleger nicht bereit, Geld oder Zeit dafür zu opfern. Würden Investoren nach diesem Prinzip handeln, müsste es also einen positiven Zusammenhang zwischen Portfolioerträgen und Informationskosten, die ein Anleger auf sich nimmt, geben. In einer neuen Studie ziehen der renommierte italienische Ökonom Luigi Guiso und sein Koautor Tullio Japelli genau dies in Zweifel. Sie stellen fest: Für die meisten Anleger sind mehr Informationen nicht nur nutzlos, sondern sogar schlecht. Je mehr Aufwand sie betreiben, um ihren Wissenstand zu verbessern, desto schlechter ist die risikobereinigte Performance ihres Portfolios. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler verwendeten für ihre Untersuchung Kundendaten einer großen italienischen Bank. Ihnen lagen Informationen darüber vor, wie viel Zeit die Kunden der Bank für die Informationsbeschaffung aufwendeten. Außerdem konnten sie die Erträge von deren Finanzportfolios auswerten. Ihr Bewertungsmaßstab war die „Sharp Ratio“. Diese gibt an, wie viel Ertragseinheiten man für ein bestimmtes Risiko erhält. Das bedeutet: Ein Wertpapier, dessen Kurs stark schwankt, muss eine höhere Rendite abwerfen, um auf die gleiche „Sharp Ratio“ zu kommen wie risikoarme Alternativen, zum Beispiel Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Das Ergebnis der statistischen Analyse hat es in sich: Investoren, die zwischen zwei und vier Stunden pro Woche aufwendet, um Finanzinformationen zu sammeln, hat eine um ein viertel niedrigere "Sharp Ratio" als diejenigen, die gar keine Zeit dafür aufwenden. <!--nodist-->Lesen Sie weiter auf Seite 2:Warum gut informierte Anleger auch ihr Risiko zu wenig streuen <!--/nodist-->Rational wäre solch ein Verhalten für einen Anleger nur dann, wenn er die Informationsbeschaffung – zum Beispiel Kauf und Lektüre von Anlegermagazinen – nicht als Kosten betrachtet, sondern es ihm Spaß macht. Dafür finden die Autoren aber keine Indizien. Eine ganze Reihe von Indizien deutet darauf hin, dass das Ergebnis auf übermäßiges Selbstvertrauen der Anleger zurückzuführen ist. So wurde in Laborversuchen immer wieder festgestellt, dass Männer eher zur Selbstüberschätzung neigen als Frauen. Dazu passt, dass zusätzliche Informationsaufnahme sich bei Männern ungünstiger auf die Rendite auswirkt als bei Frauen. Zudem stellen die Forscher fest: Je mehr Information die Investoren sammeln, desto häufiger kaufen und verkaufen sie. Wären die Anleger rational, müsste dieses auch zu höheren Renditen – genauer gesagt: zu einer besseren „Sharp Ratio“ – führen. Tatsächlich war bei den Kunden der italienischen Bank genau das Gegenteil der Fall. Ein weiteres Indiz für überzogenes Selbstvertrauen ist: Die Aktionäre, die viel Informationen sammeln, diversifizieren ihr Portfolio zu wenig. Sie nehmen Risiken in Kauf, für die sie keine entsprechende Rendite bekommen. Die Ergebnisse von Guiso und Japelli stützen die Thesen der „Behavioral Finance“. Diese Forschungsrichtung geht davon aus, dass Menschen auch als Investoren nicht immer streng rational handeln – unter anderem, weil sie einen Hang zur Selbstüberschätzung haben: Wir neigen dazu, uns mehr Fähigkeiten bei der Einschätzung der Relevanz von Informationen zuzutrauen, als wir haben. Für einen Aktionär ist dies fatal: Je mehr Informationen ihm zur Verfügung stehen, desto stärker schlägt sein Hang zur Selbstüberschätzung durch. Die Investoren denken, die hätten die Fähigkeit, gute Aktien herauszufischen – tatsächlich aber sind sie genau dazu nicht in der Lage. Die Konsequent: Sie trauen dem Rat von anderen weniger, streuen ihr Risiko zu wenig, und kaufen und verkaufen häufiger – das produziert nicht nur Transaktionskosten, sondern auch Fehler. <!-- ISI_LISTEN_STOP --> |