Kapitalmarkt droht neuer Finanz-Crash?
30.11.2009
Geldanlage-Report
Gerbrunn (aktiencheck.de AG) - Die Angst kehrt an den Markt zurück, die Angst vor dem Dominoeffekt, so die Experten vom "Geldanlage-Report".
Neben China und Indien hätten Dubai, Abu Dhabi, Katar und Co. als die Weißen Ritter gegolten, die dank ihres Wachstums und/oder ihrer Finanzkraft die Welt vor der Finanzkrise retten würden. Nun drohe einem der Retter selbst das Aus. Drohe jetzt "Finanzkrise - Teil zwei"?
Der Begriff "Dominoeffekt" sei einst von den USA geprägt worden, um den Vietnam-Krieg zu rechtfertigen. Die These damals: Gebe der erste asiatische Staat dem Werben des Ostblocks nach und "konvertiere" zum Kommunismus, würden Nachbarstaaten ebenfalls umfallen. Es drohe dann ein Dominoeffekt, der das globale Kräfteverhältnis zwischen Kapitalismus und Kommunismus zugunsten des Kommunismus kippen könnte.
Pessimisten würden nun unken, dass der Liquiditätsengpass in Dubai, hervorgerufen durch die enorme Verschuldung von 80 Milliarden US-Dollar, auch erst der Anfang der Probleme in der Region sein könnte. Was, wenn Abu Dhabi und Katar als nächstes folgen würden, so die Gedanken der Anleger.
Und weiter: Sei da nicht was mit Katar gewesen? Genau, Katar sei schließlich Großaktionär von Daimler und auch bei Porsche sei das Land involviert. Börsianer seien dann immer schnell bei der Hand mit entsprechenden Reaktionen: Sofort seien beide Aktien am Donnerstag in der Spitze mit über fünf Prozent in die Tiefe gerauscht.
Doch auch am Gesamtmarkt habe fast schon Panik geherrscht. Weil gleichzeitig auch Meldungen über eine eventuelle Ratingabstufung bei der Deutschen Bank die Runde gemacht hätten, habe Alarmstufe Rot geherrscht. Die Aktien der größten deutschen Bank seien um über sechs Prozent gefallen. Auch über Nacht hätten sich die Märkte noch nicht beruhigt. Am Freitagmorgen sei der Nikkei in Japan um über drei Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit Juli gefallen. Noch mehr Sorgen habe japanischen Investoren aber der Yen gemacht, der gegenüber dem US-Dollar auf ein neues Fünf-Jahres-Hoch gestiegen sei.
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Gegenüber den meisten anderen Währungen habe der US-Dollar allerdings zulegen können. Die Rally an den Rohstoffmärkten sei jäh beendet worden, Öl sei um über fünf Prozent gefallen, sogar der Goldpreis sei deutlich zurückgekommen. Die Flucht in den Dollar und Staatsanleihen und der Verkauf von Risikopapieren: Kurzfristig habe es am Markt tatsächlich danach ausgesehen, als würde die Finanzkrise tatsächlich mit Vehemenz zurückkommen.
"Erst handeln, dann überlegen" sei das Motto der Börsianer gewesen. Kaum verwunderlich, dass auch der US-Markt nach dem Thanksgiving-Feiertag im verkürzten Freitagshandel sehr schwach eröffnet habe. Doch sofort im Anschluss hätten Käufe eingesetzt, die sich dann ausgeweitet hätten. Nach zwei Handelsstunden hätten die großen US-Indices gerade noch ein Prozent im Minus notiert. Das sei vor dem Hintergrund, dass Dow Jones und Co. wegen des Feiertags die Verluste vom Vortag noch gar nicht nachvollzogen hätten, geradezu sensationell wenig.
Nach Ansicht der Experten vom "Geldanlage-Report" sind diese Kursbewegungen sentimenttechnisch zu erklären. Sie haben ja an dieser Stelle bereits mehrmals über die extreme - und nachvollziehbare - Unsicherheit der Anleger bzw. der US-Börsenbriefschreiber berichtet. Bei der kleinsten negativen Nachricht werde die Flucht aus Aktien angetreten. Das habe dazu geführt, dass Stimmungsindikatoren wie der des Hulbert Financial Digests angesichts der enormen Rally-Bewegung seit dem Frühjahr ungewöhnlich tief gestanden hätten.
Ein schlechtes Sentiment sei aber immer antizyklisch zu interpretieren. Gefährlich werde es erst dann, wenn die Märkte fallen würden, aber die Stimmung trotzdem gut bleibe, obwohl fast alle Anleger bereits investiert seien. Momentan scheine aber genau das Gegenteil der Fall zu sein, weswegen wir das typische Phänomen des Marktes hätten, der an einer Wand der Angst empor klettere(Wall of Worry). Nun habe die Angst fast schon wieder panikartige Züge angenommen - und prompt drehe der Markt wieder.
Doch auch aus fundamentaler Sicht herrsche kein Grund, in Depression zu verfallen. Die oben angesprochene Domino-Theorie sei nämlich absoluter Quatsch. Abu Dhabi und Katar beispielsweise hätten wesentlich weniger stark investiert als Dubai und würden nach wie vor in Petrodollars schwimmen, die auf den staatlichen Banken liegen würden. Bereits in der Vergangenheit sei Abu Dhabi dem größenwahnsinnigen Dubai zur Hilfe gesprungen - und die Mittel würden locker ausreichen, um es diesmal erneut zu tun.
Auch die möglichen Verluste westlicher Banken durch Direktinvestments in Dubai seien überschaubar. Für deutsche Banken werde insgesamt in den Schätzungen ein Betrag von zehn Milliarden US-Dollar genannt. Das seien letztlich Peanuts. Die Deutsche Bank habe genauso wie die Commerzbank keine bis unerhebliche Investments in Dubai.
Auch dem Emirat Katar gehe es bestens. Spekulationen über Notverkäufe der Anteile an Daimler oder Porsche seien daher völlig aus der Luft gegriffen. Auch Berichte über angebliche Probleme des im MDAX notierten Baukonzerns HOCHTIEF wegen des Engagements seiner australischen Tochter Leighton in Dubai hätten sich als absolut überzogen erwiesen. HOCHTIEF habe bekannt gegeben, die ausstehenden Forderungen von Leighton in Dubai lägen bei unter 20 Millionen Australischen Dollars. HOCHTIEF wiederum halte nur einen Anteil von 45 Prozent an Leighton. Auf HOCHTIEF selbst seien die Auswirkungen verschwindend gering.
Die Märkte dürften bereits in Kürze wieder zur Normalität bzw. Realität übergehen. Die Realität heiße momentan Bullenmarkt. Dieser sei zwar teilweise liquiditätsgetrieben, aber ein Trendwechsel sei angesichts auch künftig extrem niedriger Leitzinsen nicht in Sicht. (30.11.2009/ac/a/m)