Für Bundesbankpräsident Welteke sind Aktien immer noch zu teuer
Welteke: Korrektur in Teilmärkten wünschenswert / Bewertungen nähern sich langfristigem Mittelwert
ruh./pwe. FRANKFURT, 10. Juli. Bundesbankpräsident Ernst Welteke hält die Abwertung der Aktienkurse für eine "im Grunde wünschenswerte Korrektur vergangener Übersteigerungen". Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) lägen zum Teil noch sehr hoch. "Weitere Korrekturen in Teilmärkten und bei einzelnen Unternehmen sind nötig, um eine Balance zwischen Realität und Entwicklung zu erreichen", sagte Welteke am Dienstag vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Welteke fügte hinzu, die Aktienkurse an der Wall Street lägen noch immer über dem Niveau, das den Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, zum Kommentar des "irrationalen Überschwangs" bewegt hatte. Damals, im Dezember 1996, lag der Dow-Jones-Index bei 6440 Punkten. Heute liegt er um 9000 Punkte.
Aktienstrategen einiger Investmentbanken verweisen darauf, daß es bei der Frage der Bewertung entscheidend sei, ob die künftigen oder die in der Vergangenheit erzielten Gewinne zugrunde gelegt würden. Gemessen an den Gewinnschätzungen der Analysten für die kommenden Jahre, nähere sich die Bewertung dem langfristigen Mittelwert, sagte Gerhard Schwarz, Leiter der Aktienstrategie bei der Hypo-Vereinsbank. Aktien könnten unter diesem Blickwinkel nicht als zu teuer bezeichnet werden, ergänzten andere Strategen.
Blickt man allerdings auf Gewinne, die die Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten, ist das Bild deutlich negativer. Für den Deutschen Aktienindex Dax errechnet sich dadurch ein KGV von fast 40. Erst wenn man den Zukunftshoffnungen der Analysten Glauben schenkt und erwartet, daß sich die Gewinne der Unternehmen bis zum Jahr 2004 im Vergleich zum Krisenjahr 2001 mehr als verdreifachen, ergibt sich bei einem KGV von 13 ein relativ niedriges Bewertungsniveau.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wird von vielen Marktteilnehmern als Maßzahl für die Aktienrendite verwendet. Je niedriger es ist, desto preiswerter sind Aktien. Bei der Ermittlung eines KGV für einen Index wie den Dax fließen die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten für jeden der Indexwerte in die Berechnung ein. Sollten die Analysten mit ihren Prognosen richtig liegen, wären die meisten Aktien tatsächlich niedrig bewertet. Auf dem Anleihemarkt rentieren Staatstitel mit einer Laufzeit von zehn Jahren derzeit mit rund 5 Prozent. Das entspricht einem KGV von 20. Zum Vergleich: Das erwartete KGV des Dax für 2003 beträgt knapp 16. Doch die Aktienanleger sind aktuell besonders auf Sicherheit bedacht. Wegen der Bilanzskandale bei Enron und Worldcom in Amerika und Vivendi in Europa betrachten sie die ausgewiesenen Gewinne der Unternehmen mit wachsender Skepsis. Auch haben sie nach einer Reihe von Skandalen das Vertrauen in Analystenurteile verloren. Diese Faktoren führen dazu, daß die Investoren beim Kauf einen Preisabschlag für das erhöhte Risiko fordern.
Welteke betonte, alle Anstrengungen müßten unternommen werden, um zu verhindern, daß das Vertrauen der Finanzmärkte weiter untergraben werde. Die Auswirkungen von Finanzskandalen wie bei Enron und Worldcom haben nach seiner Ansicht größere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft als die Terroranschläge auf das World Trade Center.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.07.2002, Nr. 158 / Seite 19
Welteke: Korrektur in Teilmärkten wünschenswert / Bewertungen nähern sich langfristigem Mittelwert
ruh./pwe. FRANKFURT, 10. Juli. Bundesbankpräsident Ernst Welteke hält die Abwertung der Aktienkurse für eine "im Grunde wünschenswerte Korrektur vergangener Übersteigerungen". Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) lägen zum Teil noch sehr hoch. "Weitere Korrekturen in Teilmärkten und bei einzelnen Unternehmen sind nötig, um eine Balance zwischen Realität und Entwicklung zu erreichen", sagte Welteke am Dienstag vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten. Welteke fügte hinzu, die Aktienkurse an der Wall Street lägen noch immer über dem Niveau, das den Vorsitzenden der amerikanischen Notenbank, Alan Greenspan, zum Kommentar des "irrationalen Überschwangs" bewegt hatte. Damals, im Dezember 1996, lag der Dow-Jones-Index bei 6440 Punkten. Heute liegt er um 9000 Punkte.
Aktienstrategen einiger Investmentbanken verweisen darauf, daß es bei der Frage der Bewertung entscheidend sei, ob die künftigen oder die in der Vergangenheit erzielten Gewinne zugrunde gelegt würden. Gemessen an den Gewinnschätzungen der Analysten für die kommenden Jahre, nähere sich die Bewertung dem langfristigen Mittelwert, sagte Gerhard Schwarz, Leiter der Aktienstrategie bei der Hypo-Vereinsbank. Aktien könnten unter diesem Blickwinkel nicht als zu teuer bezeichnet werden, ergänzten andere Strategen.
Blickt man allerdings auf Gewinne, die die Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr erwirtschafteten, ist das Bild deutlich negativer. Für den Deutschen Aktienindex Dax errechnet sich dadurch ein KGV von fast 40. Erst wenn man den Zukunftshoffnungen der Analysten Glauben schenkt und erwartet, daß sich die Gewinne der Unternehmen bis zum Jahr 2004 im Vergleich zum Krisenjahr 2001 mehr als verdreifachen, ergibt sich bei einem KGV von 13 ein relativ niedriges Bewertungsniveau.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis wird von vielen Marktteilnehmern als Maßzahl für die Aktienrendite verwendet. Je niedriger es ist, desto preiswerter sind Aktien. Bei der Ermittlung eines KGV für einen Index wie den Dax fließen die durchschnittlichen Erwartungen der Analysten für jeden der Indexwerte in die Berechnung ein. Sollten die Analysten mit ihren Prognosen richtig liegen, wären die meisten Aktien tatsächlich niedrig bewertet. Auf dem Anleihemarkt rentieren Staatstitel mit einer Laufzeit von zehn Jahren derzeit mit rund 5 Prozent. Das entspricht einem KGV von 20. Zum Vergleich: Das erwartete KGV des Dax für 2003 beträgt knapp 16. Doch die Aktienanleger sind aktuell besonders auf Sicherheit bedacht. Wegen der Bilanzskandale bei Enron und Worldcom in Amerika und Vivendi in Europa betrachten sie die ausgewiesenen Gewinne der Unternehmen mit wachsender Skepsis. Auch haben sie nach einer Reihe von Skandalen das Vertrauen in Analystenurteile verloren. Diese Faktoren führen dazu, daß die Investoren beim Kauf einen Preisabschlag für das erhöhte Risiko fordern.
Welteke betonte, alle Anstrengungen müßten unternommen werden, um zu verhindern, daß das Vertrauen der Finanzmärkte weiter untergraben werde. Die Auswirkungen von Finanzskandalen wie bei Enron und Worldcom haben nach seiner Ansicht größere Auswirkungen auf die Weltwirtschaft als die Terroranschläge auf das World Trade Center.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.07.2002, Nr. 158 / Seite 19