aktuelles in ergänzung zu posting 52 :-)
"Falsche Börsenprognosen
von Tobias Bayer (Frankfurt)
2009 steht vor die Tür, und die Banken geben wieder ihren Ausblick für die Kapitalmärkte. Doch wie verlässlich sind die Prognosen überhaupt? 2008 lagen sie jedenfalls kräftig daneben - mit ihren Dax- und ihren Konjunkturvorhersagen.
So hörte es sich im November und Dezember 2007 an:
* "8300 Punkte sind für den Dax in den kommenden zwölf Monaten Monaten möglich." (Klaus Martini, Global Chief Investment Officer der Deutschen Bank)
* "Am Ende des kommenden Jahres sehen wir den deutschen Aktienindex bei 8500 Punkten." (Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank)
* "Die Wahrscheinlichkeit höher tendierender Aktienmärkte liegt bei 65 Prozent. Die Aussichten sind insbesondere für Schwellenländer und Japan günstig." (ING Investment Management)
* "Den Unternehmen geht es sehr gut, daher ist auch der Ausblick auf die Konjunktur gut." (Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba)
Schmach für die Prognostiker
Insgesamt waren die Banken für den Aktienmarkt im Jahr 2008 verhalten optimistisch. Unicredit sah den Dax am Jahresende bei 7900 Punkten, die DZ Bank erwartete 8300, die Deutsche Bank ebenfalls. Sal. Oppenheim hielt 8400 Punkte für wahrscheinlich, die Dresdner Bank hoffte auf zwischen 8300 bis 8500, die Commerzbank auf 8500, die Helaba auf 8600, die BHF-Bank auf 8700 und Julius Bär sogar auf 8800 Zähler. An der Spitze lagen die Dekabank mit 9000 und die WGZ Bank mit 10.000 Punkten. Zum Vergleich: Der Dax-Schlusstand 2007 lag bei 8067 Punkten.
Es kam alles anders. Im Dezember 2008 notiert der Dax bei 4730 Punkten. Das entspricht einem Jahresverlust von 41 Prozent. Den internationalen Börsen geht es nicht besser. Der japanische Nikkei-Index liegt mit 44 Prozent im Minus, der S&P 500 büßte seit Jahresbeginn 40 Prozent ein und fiel auf 883,4 Zähler. Winter 2007 und Winter 2008, zwei völlig verschiedene Welten.
Warum lagen die hochbezahlten Investmentprofis so falsch? Die einfache und ernüchternde Antwort: Viel hängt mit dem Verlauf der Kreditkrise und der Einschätzung der US-Konjunktur zusammen. Den Notverkauf von Bear Stearns Mitte März und den Kollaps von Lehman Brothers Mitte September konnte keiner der Prognostiker voraussehen. Auch in der Einschätzung der US-Konjunktur irrten die Finanzprofis gewaltig: Die Rezessionsgefahr schätzten sie durchschnittlich auf 40 Prozent und gingen fest davon aus, dass sich Deutschland und Europa von den Vereinigten Staaten abkoppeln konnten. "Wachstumdelle" statt "Hard Landing" lautete die Mehrheitsmeinung.
"Weltwirtschaftlicher Aussichten für 2008: Teils sonnig, aber Gewitterrisiken" überschrieben die Volkswirte der Deutschen Bank ihren Ausblick. Drei Risiken identifizierten die Experten: Steigende Ölpreise, Abkühlung an den Immobilienmärkten und eine Straffung der Kreditbedingungen. Alles im Nachhinein richtige Prognosen.
Trotzdem erwartete das Deutsche-Bank-Team um Thomas Mayer im Dezember 2007 keine Rezession für 2008. "Viele unserer Leser sind möglicherweise überrascht, wenn sie unsere neuesten Prognosen für die Weltwirtschaft sehen", schrieben Mayer und Kollegen. Der Ölpreisschock werde durch "automatische Stabilisatoren" abgefedert. Ein Hauspreiscrash in den USA sei eher unwahrscheinlich, schließlich habe die "erforderliche Korrektur der Wohnungsbauinvestitionen in den USA bereits große Fortschritte gemacht". Und schließlich "dürften die Zentralbanken kurzfristig genügend Liquidität bereitstellen, damit sich die Kapitalmärkte aus eigener Kraft erholen".
Die Helaba-Rochade
Prosaischer als die Deutsche Bank wurden die Experten der Helaba. Sie sprachen von einer "Rochade", bei der Wachstums- und Inflationssorgen 2008 die Positionen tauschten. "Das Risiko einer US-Rezession ist nicht unwesentlich. Allerdings sind die Chancen für eine Erholung der US-Konjunktur im zweiten Halbjahr durch ein asynchrones Wachstum deutlich höher einzuschätzen", schrieb die Landesbank Hessen-Thüringen 2007 in ihrem Kapitalmarktausblick.
Alles frohe Erwartungen, doch alle bewahrheiteten sich nicht. Am US-Immobilienmarkt setzte sich der Preisverfall fort, der Interbankenmarkt kam nach der Lehman-Pleite faktisch zum Erliegen - und die US-Wirtschaft schrumpfte im dritten Quartal um auf das Jahr hochgerechnet 0,5 Prozent und befindet sich laut dem wissenschaftlichen Komittee NBER seit Dezember 2007 in der Rezession.
Die Irrtümer waren keineswegs auf deutsche Banken beschränkt. Ein besonderer Fall ist Tobias Levkovich, Chefaktienstratege USA der Citigroup. Ihm gelang es, sich innerhalb weniger Monate vom größten Bullen in den größten Bären zu verwandeln. Im Dezember 2007 erwartete er den S&P 500 am Jahresende bei 1675 Punkten. Das entsprach einem Plus von zwölf Prozent. Die Begründung: Übertrieben schlechte Stimmung, günstige Bewertung und geringe Gewinnerwartung.
Bereits im Januar erfolgte die erste Revision: Levkovich korrigierte seine Prognose auf 1550 Punkte. "Der Abschwung auf den Kredit- und Aktienmärkten führt zu einer erhöhten Rezessionsgefahr. Geld- und Fiskalpolitik kommen aller Voraussicht nach zu spät", schrieb Levkovich, der bereits mit seiner Prognose für 2007 9,3 Prozentpunkte zu hoch gelegen hatte.
Ein Bonmot von Aristoteles
Im September, als die Märkte nicht so wollten, wie er, vertraute er sich einem Journalisten an. "Ich verbringe viel Zeit damit, meine Annahmen zu überprüfen. Das mache ich auf der Fahrt nach Hause." Im Oktober gelangte Levkovich dabei zu der Erkenntnis, dass auch die revidierte Prognose nicht mehr zu halten war - und senkte sie abermals, diesmal auf 1200 Punkte. "Die Angst, die sich durch den Kursverfall an den internationalen Aktienmärkten ausgebreitet hat, und der Zusammenbruch mehrer Finanzinstitute macht den Eintritt unserer Prognose unwahrscheinlich", schrieb der Citigroup-Stratege.
Was sollten die Banken daraus lernen? Das Bankhaus Metzler zitierte Aristoteles und schrieb in seinem Kapitalmarktausblick für 2008: "Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintritt." Damit lag der Philosoph goldrichtig."
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Überlegenheit sieht immer nur von unten wie Arroganz aus.