Der Dax schießt in die Höhe. Börsenaufschwung ist aber gedeckelt: Viele Anleger warten nur auf eine Ausstiegsgelegenheit
Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, der auf dem Gebiet der Behavioral Economics forscht
Frankfurt/Main – Die Börsen verhalten sich momentan wie manisch Depressive. Erst zu Tode betrübt, nun Himmel hoch jauchzend. An den vergangenen beiden Tagen herrschte bei den Investoren absolute Hochstimmung. Der Dax gewann auch dank kräftigen Rückenwinds der US- Börsen seit Donnerstag morgen über 350 Punkte – ein Anstieg von mehr als elf Prozent. Das ist einer der größten Zwei-Tages-Anstiege in der Geschichte des Dax. Einzelne Titel schossen sogar noch stärker nach oben. So legten Commerzbank im gleichen Zeitraum fast 50 Prozent zu, SAP immerhin noch um 30 und BMW um 27 Prozent. „Der deutsche Markt schwankt so heftig wie die Börse eines Schwellenlandes, Blue Chips verhalten sich wie Zockerpapiere aus dem Neuen Markt“, sagt Annais Faraj, Stratege bei Nomura. „Das hat mehr mit Psychologie als mit wirtschaftlicher Rationalität zu tun.“
Angesichts der neurotischen Märkte ist es kein Wunder, dass Börsenpsychologen Hochkonjunktur haben. Erst am Mittwoch bekamen mit Daniel Kahnemann und Vernon Smith zwei Wissenschaftler den renommierten Wirtschaftsnobelpreis für ihre Forschung auf dem Gebiet der Behavioral Economics, die sich auch der Erkenntnisse der Psychologie bedient. Mit deren Hilfe lassen sich einfacher die aktuellen Kurskapriolen an den Börsen erklären und die Irrationalität der Anleger begreifbar machen.
Von den Psychologen versuchen sich die Anleger nun auch Rat über die weitere Entwicklung an den Märkten zu holen. Und die geben auch bereitwillig Auskunft. „Nach einer leichten Konsolidierung Anfang kommender Woche dürfte die 3000-Punkte-Marke beim Dax relativ schnell genommen werden“, sagt etwa Stephen Schneider, Experte der WGZ-Bank. Innerhalb der nächsten zwei Monate sei dann Luft beim deutschen Kursbarometer bis 3950 Punkte. Nach einer dann erneuten Korrektur taxiert Schneider den Dax bis zum Sommer kommenden Jahres sogar auf 5000 Punkte.
Doch der Experte scheint die Rechnung ohne die Anleger gemacht zu haben. Auf dem Dax lastet eine schwere Hypothek. Denn Investoren, die in deutsche Standardwerte eingestiegen sind, bezahlten nach Berechnungen der WELT durchschnittlich 25 Prozent mehr für ihre Aktien, als diese jetzt noch wert sind. Das Fatale: Sie werden jede Aufwärtsbewegung dazu nutzen, sich von den Papieren zu trennen und damit jede Rallye über kurz oder lang zunichte machen. „Der Frust bei den Anlegern ist groß. Sie warten nur nervös darauf, verkaufen zu können, sobald sich ein Kursanstieg abzeichnet“, sagt Claudia Volk, Strategin bei der WestLB Panmure.
Im Durchschnitt sind die Anleger bei 3830 Dax-Punkten eingestiegen. Am schlimmsten trifft es Epcos-Aktionäre, die zu etwa zu 18 Euro die Aktien gekauft haben und bei aktuellen Kursen von 6,60 Euro nun 63 Prozent im Minus liegen. Nicht viel besser geht es MLP- Anteilseignern, deren Einstiegsniveau immerhin noch 60 Prozent über dem heutigen Wert pendelt, oder den Aktionären von MAN, die astronomische 50 Prozent von den Kaufkursen entfernt sind.
„Die Anleger zögern, ihre Verlustaktien zu verkaufen“, beschreibt WestLB-Strategin Volk ein klassisch irrationales Verhaltensmuster der Anleger. „Stattdessen sitzen sie lieber auf ihren fallenden Aktien und warten darauf, dass sich irgendwann die Chance ergibt, die Verluste ganz oder zumindest teilweise auszugleichen.“ Im Klartext heißt das: Spätestens zu den Einstiegskursen werden die Aktien aus den Portfolio gekegelt.
Den Kursen dürfte das nicht gut tun. Beim Dax ist spätestens ein Deckel bei 3830 Punkte drauf, der nur schwer weggestoßen werden kann. Auch bei einzelnen Aktien dürfte es schwierig werden, den Widerstand nach oben zu knacken. Damit ist ein nachhaltiger Kursanstieg kaum zu machen. Und spätestens dann brauchen vielleicht auch die Anleger einen Psychiater.
Der Dax schießt in die Höhe. Börsenaufschwung ist aber gedeckelt: Viele Anleger warten nur auf eine Ausstiegsgelegenheit
Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman, der auf dem Gebiet der Behavioral Economics forscht
Foto: AP
Von Holger Zschäpitz
Frankfurt/Main – Die Börsen verhalten sich momentan wie manisch Depressive. Erst zu Tode betrübt, nun Himmel hoch jauchzend. An den vergangenen beiden Tagen herrschte bei den Investoren absolute Hochstimmung. Der Dax gewann auch dank kräftigen Rückenwinds der US- Börsen seit Donnerstag morgen über 350 Punkte – ein Anstieg von mehr als elf Prozent. Das ist einer der größten Zwei-Tages-Anstiege in der Geschichte des Dax. Einzelne Titel schossen sogar noch stärker nach oben. So legten Commerzbank im gleichen Zeitraum fast 50 Prozent zu, SAP immerhin noch um 30 und BMW um 27 Prozent. „Der deutsche Markt schwankt so heftig wie die Börse eines Schwellenlandes, Blue Chips verhalten sich wie Zockerpapiere aus dem Neuen Markt“, sagt Annais Faraj, Stratege bei Nomura. „Das hat mehr mit Psychologie als mit wirtschaftlicher Rationalität zu tun.“
Angesichts der neurotischen Märkte ist es kein Wunder, dass Börsenpsychologen Hochkonjunktur haben. Erst am Mittwoch bekamen mit Daniel Kahnemann und Vernon Smith zwei Wissenschaftler den renommierten Wirtschaftsnobelpreis für ihre Forschung auf dem Gebiet der Behavioral Economics, die sich auch der Erkenntnisse der Psychologie bedient. Mit deren Hilfe lassen sich einfacher die aktuellen Kurskapriolen an den Börsen erklären und die Irrationalität der Anleger begreifbar machen.
Von den Psychologen versuchen sich die Anleger nun auch Rat über die weitere Entwicklung an den Märkten zu holen. Und die geben auch bereitwillig Auskunft. „Nach einer leichten Konsolidierung Anfang kommender Woche dürfte die 3000-Punkte-Marke beim Dax relativ schnell genommen werden“, sagt etwa Stephen Schneider, Experte der WGZ-Bank. Innerhalb der nächsten zwei Monate sei dann Luft beim deutschen Kursbarometer bis 3950 Punkte. Nach einer dann erneuten Korrektur taxiert Schneider den Dax bis zum Sommer kommenden Jahres sogar auf 5000 Punkte.
Doch der Experte scheint die Rechnung ohne die Anleger gemacht zu haben. Auf dem Dax lastet eine schwere Hypothek. Denn Investoren, die in deutsche Standardwerte eingestiegen sind, bezahlten nach Berechnungen der WELT durchschnittlich 25 Prozent mehr für ihre Aktien, als diese jetzt noch wert sind. Das Fatale: Sie werden jede Aufwärtsbewegung dazu nutzen, sich von den Papieren zu trennen und damit jede Rallye über kurz oder lang zunichte machen. „Der Frust bei den Anlegern ist groß. Sie warten nur nervös darauf, verkaufen zu können, sobald sich ein Kursanstieg abzeichnet“, sagt Claudia Volk, Strategin bei der WestLB Panmure.
Im Durchschnitt sind die Anleger bei 3830 Dax-Punkten eingestiegen. Am schlimmsten trifft es Epcos-Aktionäre, die zu etwa zu 18 Euro die Aktien gekauft haben und bei aktuellen Kursen von 6,60 Euro nun 63 Prozent im Minus liegen. Nicht viel besser geht es MLP- Anteilseignern, deren Einstiegsniveau immerhin noch 60 Prozent über dem heutigen Wert pendelt, oder den Aktionären von MAN, die astronomische 50 Prozent von den Kaufkursen entfernt sind.
„Die Anleger zögern, ihre Verlustaktien zu verkaufen“, beschreibt WestLB-Strategin Volk ein klassisch irrationales Verhaltensmuster der Anleger. „Stattdessen sitzen sie lieber auf ihren fallenden Aktien und warten darauf, dass sich irgendwann die Chance ergibt, die Verluste ganz oder zumindest teilweise auszugleichen.“ Im Klartext heißt das: Spätestens zu den Einstiegskursen werden die Aktien aus den Portfolio gekegelt.
Den Kursen dürfte das nicht gut tun. Beim Dax ist spätestens ein Deckel bei 3830 Punkte drauf, der nur schwer weggestoßen werden kann. Auch bei einzelnen Aktien dürfte es schwierig werden, den Widerstand nach oben zu knacken. Damit ist ein nachhaltiger Kursanstieg kaum zu machen. Und spätestens dann brauchen vielleicht auch die Anleger einen Psychiater.
Quelle:www.die-welt.de
Gruß : Jan v. Nelle