Muss EM.TV Millionen zahlen?
(gatrixx) EM.TV, einst gefeierter Börsen-Star, wird jetzt von erzürnten Kleinaktionären vor den Kadi gezerrt. Der Prozess-Finanzierer Foris, wie EM.TV am Neuen Markt notiert, hat sich der Erfolg versprechenden Einzelklagen angenommen, sie auf zwei Treuhänder gebündelt und zieht nun damit zu Felde. Für das Unternehmen EM.TV, aber auch für die Haffa-Brüder Thomas und Florian, Vorstand und und Ex-Vorstand, kann das teuer werden. Streitwert der beiden Klagen: mehr als 20 Millionen Mark. gatrixx sprach mit Kerstin Heide, der zuständigen Anwältin bei Foris.
gatrixx:
Die erste Klage stützt sich auf Prospekthaftungsansprüche und richtet sich sowohl gegen das Unternehmen EM.TV als auch gegen dessen Vorstände. Worauf bezieht sich diese Klage konkret?
Heide:
Es geht im wesentlichen darum, dass EM.TV-Vorstände während der Haltfrist eigene Aktien verkauft und damit gegen ihre Festlegung im Verkaufsprospekt verstoßen haben. Soweit wir wissen, betrifft das beide Haffa-Brüder. Außerdem dreht es sich um den Anteilskauf an der Formel Eins und an der Jim Henson Company. Darüber wurde im Prospekt nicht berichtet. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Käufe zumindest im Groben schon geplant waren.
gatrixx:
Die zweite Klage basiert laut Foris auf "bewusst unzutreffenden Angaben in Ad-hoc- und Pressemitteilungen". Sie richtet sich gegen "persönlich Verantwortliche". Wer ist das?
Heide:
Das wird im Moment noch geprüft. Auf jeden Fall wird das Florian Haffa sein. Vielleicht gibt es auch weitere Verantwortliche. Diese zweite Klage stützt sich im wesentlichen darauf, dass noch im Oktober 2000 von einem bestimmten EBIT für das Jahr 2000 ausgegangen wurde. [EBIT ist der Gewinn vor Steuern und Zinsen; Anmerkung der Redaktion.] Am 23. Oktober hat Florian Haffa diese Zahl in einer Pressekonferenz noch bestätigt. Wenige Tage später hat er eigene EM.TV-Aktien verkauft, und am 1. Dezember kam dann eine Gewinnwarnung. Sie korrigierte das EBIT drastisch nach unten, die Umsatzzahl blieb jedoch ungefähr gleich.
gatrixx:
Sind die beiden Klagen schon beim Gericht eingereicht?
Heide:
Die erste Klage ja, die zweite ist in Vorbereitung. Sie wird in wenigen Wochen eingereicht.
gatrixx:
Kommt es in jedem Fall zum Prozess?
Heide:
Es liegt an beiden Parteien, wie sie das gestalten. Es ist auch vorstellbar, dass man sich außergerichtlich einigt und einen Vergleich annimmt. Wir verschließen uns dem nicht, bisher gibt es dazu von EM.TV aber noch keine Signale. Wir würden Verhandlungen positiv gegenüberstehen.
gatrixx:
Sollten Sie sich nicht außergerichtlich einigen - wann werden die Verhandlungen beginnen?
Heide:
Das kann man noch nicht sagen. Erfahrungsgemäß rechnen wir bei einer so umfangreichen Sache wie hier mit zwei Monaten, bis der Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt ist. Das hängt aber vom Ermessen des Gerichts ab.
gatrixx:
Ist das Zivil- oder das Strafrecht maßgeblich?
Heide:
Das ist ein rein zivilrechtlicher Vorgang. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar auch, tut das aber von sich aus, da es sich um so genannte Offizial-Delikte handelt. Die müssen auch ohne Strafantrag strafrechtlich verfolgt werden. Mit unseren Verfahren hat das aber nichts zu tun.
gatrixx:
Wie lang werden sich Ihre Verfahren hinziehen?
Heide:
Das hängt davon ab, wie sich die Gegenseite verhalten wird. Wenn man nicht zu vernünftigen Gesprächen kommt, können die Verfahren unter Umständen bis zu mehreren Jahren dauern. Das lässt sich schwer sagen.
gatrixx:
Wie schätzen Sie Ihre Erfolgschancen ein?
Heide:
Recht hoch, 75 bis 80 Prozent. Wir haben die Sache geprüft, die Argumente gut überlegt und sind von der Sache überzeugt. Sonst hätten wir die Finanzierung nicht zugesagt. Rechtlich betrachtet sind wir auf der sicheren Seite. Allerdings gibt es bei Gericht nie eine hundertprozentige Gewissheit.
gatrixx:
Hat es in der deutschen Rechtsgeschichte schon einmal ähnlich gelagerte Klagen gegeben?
Heide:
So wie diese nicht. Das betrifft zunächst das Modell der Abtretung mehrerer Ansprüche an einen Treuhänder in diesem großen Umfang. Neu ist auch, dass ein solches Verfahren von einem Prozessfinanzierer unterstützt wird. Außerdem sind die Anspruchsgrundlagen recht junge Gesetze, zu denen es noch nicht viel Rechtssprechung gibt: Das Börsengesetz ist erst 1998 geändert worden.
gatrixx:
Wie viele Kleinanleger vertreten Sie in diesen beiden Klagen?
Heide:
Auf unsere Aufrufe haben sich rund 4000 Leute gemeldet. Von denen haben wir 2700 angeschrieben und rund 2000 Rückmeldungen bekommen. In der ersten Klage vertreten wir jetzt etwa 880 Anleger. Für die zweite Klage steht die Zahl noch nicht hundertprozentig fest, man kann aber von der gleichen Größenordnung ausgehen.
gatrixx:
Womit können die EM.TV-Aktionäre, die Sie vertreten, im Erfolgsfall rechnen?
Heide:
Sie können damit rechnen, dass sie von EM.TV den Kaufpreis ersetzt bekommen, den sie für ihre Aktien bezahlt haben. Sofern sie die Aktien noch halten, müssen sie diese im Gegenzug an EM.TV herausgeben. Sollten sie die Aktien schon verkauft haben, bekommen sie die Differenz zwischen dem Kauf- und dem Verkaufspreis, zuzüglich bezahlter Gebühren. Ein Drittel der Schadensersatzsumme geht dabei an Foris als Finanzierer des Prozesses.
gatrixx:
Die Kläger müssen also keine Aktionäre mehr sein?
Heide:
Nicht zwingend. Sie müssen nur aufgrund der beklagten Umstände zum Aktienkauf verleitet worden sein.
gatrixx:
Heißt das, andere Klagen haben keine Chance? Zum Beispiel von Aktionären, die ihre Anteile früher gekauft und aufgrund der Vorstandsaussagen gehalten haben?
Heide:
Wir haben wegen der besseren Durchsetzbarkeit die Leute gesammelt, die auf diese Aussagen hin ihre EM.TV-Aktien gekauft haben. Im Einzelfall könnte man sich jedoch überlegen, ob man nicht auch Ansprüche hat, wenn man die Aktien aufgrund der falschen Mitteilungen bewusst gehalten hat. Ein Kauf lässt sich aber viel leichter nachweisen als die innere Einstellung zu halten. Die tritt ja nicht nach außen hervor. Da hat man ein gewisses Beweisproblem.
gatrixx:
Sollten Sie mit Ihren Klagen Erfolg haben, wäre damit ein Präzedenzfall geschaffen?
Heide:
Ja, sicherlich. Davon gehen wir aus.
gatrixx:
Hätten dann auch Aktionäre, die aufgrund der Vorstandsangaben ihre Papiere gehalten haben, bessere Chancen vor Gericht?
Heide:
Vielleicht würde es die Sache erleichtern. Es wäre aber nicht so, dass bei diesem Sachverhalt dann automatisch die Ansprüche vom Gericht zugesprochen würden. Im Einzelfall wäre das eine Frage des Beweises, die Aktien bewusst gehalten zu haben.
gatrixx:
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Klagen auf das allgemeine Klima zwischen Aktionären und ihren Aktiengesellschaften?
Heide:
Ich denke, dass durch diese Klagen das Bewusstsein geschärft wird, dass Anleger Schadensersatz-Ansprüche haben können. Das wird vielleicht dazu führen, dass sorgfältiger gehandelt wird in Zukunft. Die Unternehmen können sich nicht mehr zurücklehnen und sagen: Na ja, so viele werden ja doch nicht klagen. Man muss natürlich dazu sagen: Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, die für das Unternehmen im nachhinein negativ ist, erwachsen daraus nicht automatisch solche Ansprüche.
gatrixx:
Wann sind Klagen möglich?
Heide:
Das ist eine Frage des Einzelfalls. Das kann man schwer verallgemeinern. Beim Verkaufsprospekt zum Beispiel müsste ein wesentlicher Punkt unrichtig sein, der für die Kaufentscheidung von Bedeutung war und später den Kurs beeinflusst hat.
gatrixx:
Könnten sich damit nicht alle EM.TV-Anleger, die beim Börsengang Aktien erhalten haben, Ihrer ersten Klage anschließen?
Heide:
Sie könnten, wenn sie wollten - sofern das Gericht feststellt, dass der Prospekt von Anfang an unrichtig war. Gesetzlich ist eine Frist von sechs Monaten vorgesehen, innerhalb derer man Aktien aufgrund des Prospektes erworben haben muss, um solche Ansprüche geltend machen zu können. Die Frist beginnt mit dem Tag des Handels der neuen Aktien.
gatrixx:
Hieße das, wenn Sie mit Ihren Klagen Erfolg hätten, könnten noch einmal Tausende Anleger nachziehen - solche, die jetzt nicht von Foris vertreten werden?
Heide:
Das könnte es zur Folge haben. Wenn diese Klagen sich auf dieselbe Argumentation stützen würden wie unsere, müssten sie gleichermaßen berechtigt sein. Allerdings könnte es sein, dass die Ansprüche dann verjährt sind. Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate - ab Kenntnis des Prospektmangels.
gatrixx:
Was muss ein Anleger tun, wenn er klagen möchte.
Heide:
Er muss eine entsprechende Klageschrift bei Gericht einreichen. Wenn der Streitwert über 10.000 Mark liegt, muss das ein Anwalt tun. Der Besuch eines Anwalts zur Prüfung der Sachlage ist ohnehin zu empfehlen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Klage häufig unwirtschaftlich ist: Der Kläger muss zunächst den Anwalt bezahlen, dann Gerichtsgebühren. Im weiteren Verlauf des Verfahrens können zusätzliche Kosten auftreten. Die bekommt man zwar zurück, wenn man den Prozess gewinnen sollte, zunächst muss man aber in Vorleistung gehen. Da ist ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dabei.
gatrixx:
Frau Heide, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Frank Markowski.
13.06. - 07:36 Uhr Artikel drucken | Artikel senden
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25.05.01 Foris finanziert Klagen gegen EM.TV
(gatrixx) EM.TV, einst gefeierter Börsen-Star, wird jetzt von erzürnten Kleinaktionären vor den Kadi gezerrt. Der Prozess-Finanzierer Foris, wie EM.TV am Neuen Markt notiert, hat sich der Erfolg versprechenden Einzelklagen angenommen, sie auf zwei Treuhänder gebündelt und zieht nun damit zu Felde. Für das Unternehmen EM.TV, aber auch für die Haffa-Brüder Thomas und Florian, Vorstand und und Ex-Vorstand, kann das teuer werden. Streitwert der beiden Klagen: mehr als 20 Millionen Mark. gatrixx sprach mit Kerstin Heide, der zuständigen Anwältin bei Foris.
gatrixx:
Die erste Klage stützt sich auf Prospekthaftungsansprüche und richtet sich sowohl gegen das Unternehmen EM.TV als auch gegen dessen Vorstände. Worauf bezieht sich diese Klage konkret?
Heide:
Es geht im wesentlichen darum, dass EM.TV-Vorstände während der Haltfrist eigene Aktien verkauft und damit gegen ihre Festlegung im Verkaufsprospekt verstoßen haben. Soweit wir wissen, betrifft das beide Haffa-Brüder. Außerdem dreht es sich um den Anteilskauf an der Formel Eins und an der Jim Henson Company. Darüber wurde im Prospekt nicht berichtet. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Käufe zumindest im Groben schon geplant waren.
gatrixx:
Die zweite Klage basiert laut Foris auf "bewusst unzutreffenden Angaben in Ad-hoc- und Pressemitteilungen". Sie richtet sich gegen "persönlich Verantwortliche". Wer ist das?
Heide:
Das wird im Moment noch geprüft. Auf jeden Fall wird das Florian Haffa sein. Vielleicht gibt es auch weitere Verantwortliche. Diese zweite Klage stützt sich im wesentlichen darauf, dass noch im Oktober 2000 von einem bestimmten EBIT für das Jahr 2000 ausgegangen wurde. [EBIT ist der Gewinn vor Steuern und Zinsen; Anmerkung der Redaktion.] Am 23. Oktober hat Florian Haffa diese Zahl in einer Pressekonferenz noch bestätigt. Wenige Tage später hat er eigene EM.TV-Aktien verkauft, und am 1. Dezember kam dann eine Gewinnwarnung. Sie korrigierte das EBIT drastisch nach unten, die Umsatzzahl blieb jedoch ungefähr gleich.
gatrixx:
Sind die beiden Klagen schon beim Gericht eingereicht?
Heide:
Die erste Klage ja, die zweite ist in Vorbereitung. Sie wird in wenigen Wochen eingereicht.
gatrixx:
Kommt es in jedem Fall zum Prozess?
Heide:
Es liegt an beiden Parteien, wie sie das gestalten. Es ist auch vorstellbar, dass man sich außergerichtlich einigt und einen Vergleich annimmt. Wir verschließen uns dem nicht, bisher gibt es dazu von EM.TV aber noch keine Signale. Wir würden Verhandlungen positiv gegenüberstehen.
gatrixx:
Sollten Sie sich nicht außergerichtlich einigen - wann werden die Verhandlungen beginnen?
Heide:
Das kann man noch nicht sagen. Erfahrungsgemäß rechnen wir bei einer so umfangreichen Sache wie hier mit zwei Monaten, bis der Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt ist. Das hängt aber vom Ermessen des Gerichts ab.
gatrixx:
Ist das Zivil- oder das Strafrecht maßgeblich?
Heide:
Das ist ein rein zivilrechtlicher Vorgang. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zwar auch, tut das aber von sich aus, da es sich um so genannte Offizial-Delikte handelt. Die müssen auch ohne Strafantrag strafrechtlich verfolgt werden. Mit unseren Verfahren hat das aber nichts zu tun.
gatrixx:
Wie lang werden sich Ihre Verfahren hinziehen?
Heide:
Das hängt davon ab, wie sich die Gegenseite verhalten wird. Wenn man nicht zu vernünftigen Gesprächen kommt, können die Verfahren unter Umständen bis zu mehreren Jahren dauern. Das lässt sich schwer sagen.
gatrixx:
Wie schätzen Sie Ihre Erfolgschancen ein?
Heide:
Recht hoch, 75 bis 80 Prozent. Wir haben die Sache geprüft, die Argumente gut überlegt und sind von der Sache überzeugt. Sonst hätten wir die Finanzierung nicht zugesagt. Rechtlich betrachtet sind wir auf der sicheren Seite. Allerdings gibt es bei Gericht nie eine hundertprozentige Gewissheit.
gatrixx:
Hat es in der deutschen Rechtsgeschichte schon einmal ähnlich gelagerte Klagen gegeben?
Heide:
So wie diese nicht. Das betrifft zunächst das Modell der Abtretung mehrerer Ansprüche an einen Treuhänder in diesem großen Umfang. Neu ist auch, dass ein solches Verfahren von einem Prozessfinanzierer unterstützt wird. Außerdem sind die Anspruchsgrundlagen recht junge Gesetze, zu denen es noch nicht viel Rechtssprechung gibt: Das Börsengesetz ist erst 1998 geändert worden.
gatrixx:
Wie viele Kleinanleger vertreten Sie in diesen beiden Klagen?
Heide:
Auf unsere Aufrufe haben sich rund 4000 Leute gemeldet. Von denen haben wir 2700 angeschrieben und rund 2000 Rückmeldungen bekommen. In der ersten Klage vertreten wir jetzt etwa 880 Anleger. Für die zweite Klage steht die Zahl noch nicht hundertprozentig fest, man kann aber von der gleichen Größenordnung ausgehen.
gatrixx:
Womit können die EM.TV-Aktionäre, die Sie vertreten, im Erfolgsfall rechnen?
Heide:
Sie können damit rechnen, dass sie von EM.TV den Kaufpreis ersetzt bekommen, den sie für ihre Aktien bezahlt haben. Sofern sie die Aktien noch halten, müssen sie diese im Gegenzug an EM.TV herausgeben. Sollten sie die Aktien schon verkauft haben, bekommen sie die Differenz zwischen dem Kauf- und dem Verkaufspreis, zuzüglich bezahlter Gebühren. Ein Drittel der Schadensersatzsumme geht dabei an Foris als Finanzierer des Prozesses.
gatrixx:
Die Kläger müssen also keine Aktionäre mehr sein?
Heide:
Nicht zwingend. Sie müssen nur aufgrund der beklagten Umstände zum Aktienkauf verleitet worden sein.
gatrixx:
Heißt das, andere Klagen haben keine Chance? Zum Beispiel von Aktionären, die ihre Anteile früher gekauft und aufgrund der Vorstandsaussagen gehalten haben?
Heide:
Wir haben wegen der besseren Durchsetzbarkeit die Leute gesammelt, die auf diese Aussagen hin ihre EM.TV-Aktien gekauft haben. Im Einzelfall könnte man sich jedoch überlegen, ob man nicht auch Ansprüche hat, wenn man die Aktien aufgrund der falschen Mitteilungen bewusst gehalten hat. Ein Kauf lässt sich aber viel leichter nachweisen als die innere Einstellung zu halten. Die tritt ja nicht nach außen hervor. Da hat man ein gewisses Beweisproblem.
gatrixx:
Sollten Sie mit Ihren Klagen Erfolg haben, wäre damit ein Präzedenzfall geschaffen?
Heide:
Ja, sicherlich. Davon gehen wir aus.
gatrixx:
Hätten dann auch Aktionäre, die aufgrund der Vorstandsangaben ihre Papiere gehalten haben, bessere Chancen vor Gericht?
Heide:
Vielleicht würde es die Sache erleichtern. Es wäre aber nicht so, dass bei diesem Sachverhalt dann automatisch die Ansprüche vom Gericht zugesprochen würden. Im Einzelfall wäre das eine Frage des Beweises, die Aktien bewusst gehalten zu haben.
gatrixx:
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Klagen auf das allgemeine Klima zwischen Aktionären und ihren Aktiengesellschaften?
Heide:
Ich denke, dass durch diese Klagen das Bewusstsein geschärft wird, dass Anleger Schadensersatz-Ansprüche haben können. Das wird vielleicht dazu führen, dass sorgfältiger gehandelt wird in Zukunft. Die Unternehmen können sich nicht mehr zurücklehnen und sagen: Na ja, so viele werden ja doch nicht klagen. Man muss natürlich dazu sagen: Wenn eine Entscheidung getroffen wurde, die für das Unternehmen im nachhinein negativ ist, erwachsen daraus nicht automatisch solche Ansprüche.
gatrixx:
Wann sind Klagen möglich?
Heide:
Das ist eine Frage des Einzelfalls. Das kann man schwer verallgemeinern. Beim Verkaufsprospekt zum Beispiel müsste ein wesentlicher Punkt unrichtig sein, der für die Kaufentscheidung von Bedeutung war und später den Kurs beeinflusst hat.
gatrixx:
Könnten sich damit nicht alle EM.TV-Anleger, die beim Börsengang Aktien erhalten haben, Ihrer ersten Klage anschließen?
Heide:
Sie könnten, wenn sie wollten - sofern das Gericht feststellt, dass der Prospekt von Anfang an unrichtig war. Gesetzlich ist eine Frist von sechs Monaten vorgesehen, innerhalb derer man Aktien aufgrund des Prospektes erworben haben muss, um solche Ansprüche geltend machen zu können. Die Frist beginnt mit dem Tag des Handels der neuen Aktien.
gatrixx:
Hieße das, wenn Sie mit Ihren Klagen Erfolg hätten, könnten noch einmal Tausende Anleger nachziehen - solche, die jetzt nicht von Foris vertreten werden?
Heide:
Das könnte es zur Folge haben. Wenn diese Klagen sich auf dieselbe Argumentation stützen würden wie unsere, müssten sie gleichermaßen berechtigt sein. Allerdings könnte es sein, dass die Ansprüche dann verjährt sind. Die Verjährungsfrist beträgt sechs Monate - ab Kenntnis des Prospektmangels.
gatrixx:
Was muss ein Anleger tun, wenn er klagen möchte.
Heide:
Er muss eine entsprechende Klageschrift bei Gericht einreichen. Wenn der Streitwert über 10.000 Mark liegt, muss das ein Anwalt tun. Der Besuch eines Anwalts zur Prüfung der Sachlage ist ohnehin zu empfehlen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Klage häufig unwirtschaftlich ist: Der Kläger muss zunächst den Anwalt bezahlen, dann Gerichtsgebühren. Im weiteren Verlauf des Verfahrens können zusätzliche Kosten auftreten. Die bekommt man zwar zurück, wenn man den Prozess gewinnen sollte, zunächst muss man aber in Vorleistung gehen. Da ist ein erhebliches wirtschaftliches Risiko dabei.
gatrixx:
Frau Heide, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Frank Markowski.
13.06. - 07:36 Uhr Artikel drucken | Artikel senden
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