STRATEGIE - Gefährliche Liebschaften (EurAmS)
Deutsche Telekom, DaimlerChrysler, Nokia, Allianz, Siemens – mit ihren Lieblingsaktien haben die Deutschen in den vergangenen Jahren kein Glück gehabt. Dabei könnten Kleinanleger schon durch einfache Maßnahmen ihr Verlustrisiko kräftig reduzieren.
von Sven Parplies und Jörn Kränicke, Euro am Sonntag 30/03
Manchmal heißt lieben auch leiden. Diese Erfahrung blieb selbst Deutschlands Ober-Macho Dieter Bohlen nicht erspart. Bei einem Aktienkurs von 80 Euro erlag der Musikproduzent einst dem Charme der Deutschen Telekom – heute dürfte er sein Investment genau so bitter bereuen wie seine turbulente Kurzehe mit Verona Feldbusch. Immerhin: Bohlen glaubt an ein Comeback der T-Aktie. Der erfolgreichste Musikproduzent der Republik spekuliert gar auf Kurse von 50 Euro.
Diese Hoffnung verbindet Multimillionär Bohlen mit der Masse der Kleinanleger. Denn trotz des dramatischen Kursverlustes ist die T-Aktie noch immer die am weitesten verbreitete Aktie Deutschlands: Jeder dritte Privatanleger hat die Papiere des Rosa Riesen in seinem Depot. Das geht aus einer Studie der Münchner Unternehmensberatung Tetralog hervor.
Für EURO hat Tetralog die Depots von mehr als 18 000 Kleinanlegern analysiert. Ergebnis: Nur die Papiere von DaimlerChrysler sind ähnlich weit gestreut wie die der Telekom. Der Stuttgarter Autobauer ist in 29 Prozent der Depots deutscher Kleinanleger zu finden. Doch auch bei dieser Aktie muss-ten Investoren ihre Zuneigung teuer bezahlen. Seit Konzernchef Jürgen Schrempp 1998 die „Hochzeit im Himmel“ mit US-Konkurrent Chrysler vollzogen hat, gehen Anleger durch die Hölle. Unter der Last der schwächelnden US-Tochter hat die Aktie mehr als zwei Drittel ihres Wertes verloren.
Haben die deutschen Anleger ein chronisch schlechtes Händchen bei der Auswahl ihrer Aktien? Steckt gar in jedem Börsianer, zumindest was Aktienkäufe angeht, ein Dieter Bohlen?
Ganz so schlimm ist es nicht: Die zehn beliebtesten Wertpapiere der Deutschen, mit gleicher Gewichtung in einen Aktienkorb gelegt, haben in den vergangenen fünf Jahren rund 25 Prozent an Wert verloren. Der deutsche Leitindex DAX büßte im selben Zeitraum 45 Prozent ein. Dennoch hätten die Kleinanleger mit ihren Lieblingen unnötig Rendite verschenkt. Denn der weltweit ausgerichtete MSCI World schnitt mit minus 19 Prozent deutlich besser ab als der Basket.
Für Börsenexperten ist die relative Schwäche der Lieblingsaktien jedoch keine Überraschung. Sie beobachten seit Jahren immer dieselben Fehler, die Kleinanleger unnötig Rendite kosten.
„Viele Marktteilnehmer neigen dazu, Unternehmen ihres Heimatlandes zu stark zu gewichten. Dabei wäre eine internationale Streuung wichtig, um das Verlustrisiko zu reduzieren“, weiß etwa Martin Weber, Wirtschaftsprofessor und Experte für Börsenpsychologie an der Universität Mannheim.
Die Heimatverbundenheit der deutschen mag kurzfristig Erfolg versprechen. Seitdem die Kurse an den Weltbörsen wieder anziehen, hat der DAX die Konkurrenz in den USA und Japan abgehängt. Langfristig aber kostet die einseitige Ausrichtung des Portfolios Rendite – das belegt die Statistik.
Denn obwohl die europäischen und asiatischen Märkte stark von den Kursausschlägen der US-Indizes beeinflusst werden, gibt es erhebliche Unterschiede. In den vergangenen fünf Jahren schnitt der amerikanische S&P-500-Index in zwei Fällen besser ab als der DAX und der japanische Nikkei. Zwei Mal lag der DAX vorn, einmal der Nikkei. Nur wer in allen Regionen investiert war, konnte also von der jeweiligen Spitzenperformance profitieren. Trotz solch eindeutiger Fakten glauben Anleger auf der ganzen Welt beharrlich an die Stärke der Unternehmen aus ihren Heimatregionen. Von den zehn Top-Werten der Deutschen stammen nur zwei aus dem Ausland. Ausgerechnet diese beiden waren die langfristigen Top-Performer im Basket – der finnische Handyhersteller Nokia und der amerikanische Netzwerkspezialist Cisco Systems.
Nokia genießt dabei einen Sonderstatus. Das Unternehmen ist von den Deutschen faktisch eingebürgert worden. „Die Nokia-Produkte sind den Anlegern in Deutschland sehr vertraut. Deshalb ist die psychologische Barriere, diese Aktie zu kaufen, niedriger als bei anderen ausländischen Werten“, weiß Joachim Goldberg vom Forschungsinstitut Cognitrend.
Asiatische Titel sucht man unter den Lieblingen der Deutschen dagegen vergeblich. Auch das kommt für Experten nicht überraschend. Grundsätzlich gilt: Je weiter ein Unternehmen von der Heimat eines Investors entfernt ist, desto größer das Misstrauen. „Anleger schätzen die Renditeperspektiven für heimische Aktien tendenziell optimistischer ein als die ausländischer Werte“, beobachtet Börsenpsychologe Weber.
Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Bundesrepublik, wie das Beispiel DaimlerChrysler zeigt. Seit dem Zusammenschluss von Daimler-Benz mit dem US-Konkurrenten Chrysler im November 1998 ist der Autobauer offiziell ein deutsch-amerikanischer Mischkonzern. Beim Umsatz liegt das Übergewicht mit rund 60 Prozent eindeutig in Nordamerika. Die Schlüsselpositionen im Vorstand aber werden von deutschen Managern besetzt. In der Wahrnehmung der meisten Anleger ist DaimlerChryler daher ein rein deutsches Unternehmen. Die Folge: Während sich der Anteil der deutschen Aktionäre seit der Fusion konstant über 50 Prozent hält, ist der Anteil der amerikanischen Anteilseigner kontinuierlich von 25 auf 14 Prozent gesunken.
Auch auf regionaler Ebene werden ortsnahe Unternehmen bevorzugt. So setzen Anleger aus Bayern im Autosektor lieber auf BMW, Niedersachsen hingegen auf Volkswagen. Ein Trend, der verstärkt wird durch Belegschaftsaktien, die die Unternehmen als Altersvorsorge und Erfolgsprämien an ihre Angestellten ausgeben.
Gerade bei diesen Aktien ist das Vertrauen der Anleger oft irrational groß. Experte Goldberg: „Weil die Aktionäre in dem Unternehmen arbeiten, sind sie überzeugt, besonders kompetent zu sein.“ Mitunter eine trügerische Sicherheit und ein unterschätztes Risiko.
„Geht der Arbeitgeber Konkurs, verliert der Anleger nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch sein Aktienvermögen“, warnt Börsenpsychologe Weber und verweist auf den Fall Enron. Die Angestellten des US-Energiekonzernes hatten Vorstands-Chef Kenneth Lay vertraut. Der hatte geraten, trotz sich beschleunigender Kursverluste die Aktien zu halten.
Doch nicht nur in der eigenen Belegschaft versuchen Unternehmen fernab der harten Fakten, die emotionale Bindung der Anleger zu instrumentalisieren. 50 Millionen Euro soll die Deutsche Telekom allein beim Börsengang 1996 in ihre Werbekampagne investiert haben. Dabei ging es natürlich nicht nur um Geschäftszahlen. Schauspieler Manfred Krug, bekannt als liebenswerter TV-Anwalt und „Tatort“-Kommissar, steigerte mit seinen persönlichen Sympathiewerten das Vertrauen in die T-Aktie. Nach dem selben Prinzip pries die Post mit Hilfe von TV-Moderator Thomas Gottschalk und dessen Bruder Christoph die „Aktie Gelb“ an.
Während Krug nach dem Kursdesaster der T-Aktie abgesetzt wurde, werben die Gottschalks weiter für die Dienstleistungen der Post und damit indirekt auch für die „Aktie Gelb“.
Vom Kurseinbruch der „Volksaktien“ ist in den TV-Spots der Konzerne natürlich nicht die Rede. Die müssen die vertrauensseligen Käufer alleine verdauen. Viele von ihnen sitzen in der Psychofalle: „Anleger halten oft zu lange an Aktien fest, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass der Kauf eine Fehlentscheidung war“, so Goldberg. Dementsprechend ist die Treue der Kleinanleger zur T-Aktie nicht unbedingt ein Liebesbeweis, sondern oft die pure Verzweiflung.
Auch die Sektorgewichtung vieler Depots erschreckt Experten: „Eindeutig zu viele Technologie-Titel“, meint Markus Temme von der Fondsgesellschaft Union Investment beim Blick auf die Lieblinge der Deutschen. Mit Bayer befindet sich nur ein defensiver Titel unter den Top Ten. Der Chemie- und Pharmakonzern liegt bezeichnender Weise auf dem letzten Platz – hinter so riskanten Werten wie Infineon, SAP oder Cisco Systems.
Auch die Allianz, einst als Witwen- und Waisenpapier mit minimalem Risiko gelobt, zählt inzwischen zur Kategorie hochriskant. Wegen ihres großes Beteiligungsportfolios an börsennotierten Unternehmen ist die Aktie fast schon zu einem Optionsschein auf den DAX geworden: Im vergangenen Jahr war der Versicherungsriese mit minus 66 Prozent der drittschlechteste DAX-Wert – seit dem Stimmungsumschwung nach dem Ende des Irak-Krieges hat sich der Wert fast wieder verdoppelt.
Die offensive Zusammenstellung der Lieblinge zeigt, dass sich viele Kleinanleger noch immer an den Zeiten der Börseneuphorie zur Jahrtausendwende orientieren, als die Kurse der Tech-Titel fast tägliche neue Hochs erreichten. Tatsächlich hätte der Korb mit den Lieblingsaktien im Boomjahr 1999 DAX und MSCI World geschlagen (siehe Chart). In den vergangenen drei Jahren aber ging es mit ihnen dramatisch bergab: Die Lieblinge verloren 65 Prozent. DAX und der MSCI World kamen mit minus 55 beziehungsweise minus 46 Prozent vergleichsweise glimpflich davon.
So wundert es nicht, dass die Finanzprofis der Fondsgesellschaften andere Schwerpunkte setzen als die Kleinanleger. Der weltweit anlegende Fonds UniGlobal der Gesellschaft Union Investment hat zwei US-Titel am höchsten gewichtet: die Großbank Citigroup und den Genussmittelkonzern Altria Group. Beide Werte gelten als eher defensiv, also weniger konjunkturabhängig. Auch wenn Altria derzeit wegen der Raucherklagen gegen die Tochter Philip Morris angeschlagen ist.
Ähnlich halten es die Experten des DWS Vermögensbildungsfonds I. Der Favorit von Stratege Klaus Kaldemorgen ist gegenwärtig die Deutsche Post – die schafft es in der Hitliste der Kleinanleger nicht mal unter die ersten Zehn.
Natürlich können sich auch die Profis bei der Aktienauswahl irren. Dennoch rät Börsenpsychologe Goldberg, zumindest einen Teil des Investments in international ausgerichtete Fonds oder Index-Zertifikate zu investieren, um das Portfolio breiter aufzustellen. Das schützt zwar nicht vor Verlusten, mindert aber das Risiko.
red / -red-
Deutsche Telekom, DaimlerChrysler, Nokia, Allianz, Siemens – mit ihren Lieblingsaktien haben die Deutschen in den vergangenen Jahren kein Glück gehabt. Dabei könnten Kleinanleger schon durch einfache Maßnahmen ihr Verlustrisiko kräftig reduzieren.
von Sven Parplies und Jörn Kränicke, Euro am Sonntag 30/03
Manchmal heißt lieben auch leiden. Diese Erfahrung blieb selbst Deutschlands Ober-Macho Dieter Bohlen nicht erspart. Bei einem Aktienkurs von 80 Euro erlag der Musikproduzent einst dem Charme der Deutschen Telekom – heute dürfte er sein Investment genau so bitter bereuen wie seine turbulente Kurzehe mit Verona Feldbusch. Immerhin: Bohlen glaubt an ein Comeback der T-Aktie. Der erfolgreichste Musikproduzent der Republik spekuliert gar auf Kurse von 50 Euro.
Diese Hoffnung verbindet Multimillionär Bohlen mit der Masse der Kleinanleger. Denn trotz des dramatischen Kursverlustes ist die T-Aktie noch immer die am weitesten verbreitete Aktie Deutschlands: Jeder dritte Privatanleger hat die Papiere des Rosa Riesen in seinem Depot. Das geht aus einer Studie der Münchner Unternehmensberatung Tetralog hervor.
Für EURO hat Tetralog die Depots von mehr als 18 000 Kleinanlegern analysiert. Ergebnis: Nur die Papiere von DaimlerChrysler sind ähnlich weit gestreut wie die der Telekom. Der Stuttgarter Autobauer ist in 29 Prozent der Depots deutscher Kleinanleger zu finden. Doch auch bei dieser Aktie muss-ten Investoren ihre Zuneigung teuer bezahlen. Seit Konzernchef Jürgen Schrempp 1998 die „Hochzeit im Himmel“ mit US-Konkurrent Chrysler vollzogen hat, gehen Anleger durch die Hölle. Unter der Last der schwächelnden US-Tochter hat die Aktie mehr als zwei Drittel ihres Wertes verloren.
Haben die deutschen Anleger ein chronisch schlechtes Händchen bei der Auswahl ihrer Aktien? Steckt gar in jedem Börsianer, zumindest was Aktienkäufe angeht, ein Dieter Bohlen?
Ganz so schlimm ist es nicht: Die zehn beliebtesten Wertpapiere der Deutschen, mit gleicher Gewichtung in einen Aktienkorb gelegt, haben in den vergangenen fünf Jahren rund 25 Prozent an Wert verloren. Der deutsche Leitindex DAX büßte im selben Zeitraum 45 Prozent ein. Dennoch hätten die Kleinanleger mit ihren Lieblingen unnötig Rendite verschenkt. Denn der weltweit ausgerichtete MSCI World schnitt mit minus 19 Prozent deutlich besser ab als der Basket.
Für Börsenexperten ist die relative Schwäche der Lieblingsaktien jedoch keine Überraschung. Sie beobachten seit Jahren immer dieselben Fehler, die Kleinanleger unnötig Rendite kosten.
„Viele Marktteilnehmer neigen dazu, Unternehmen ihres Heimatlandes zu stark zu gewichten. Dabei wäre eine internationale Streuung wichtig, um das Verlustrisiko zu reduzieren“, weiß etwa Martin Weber, Wirtschaftsprofessor und Experte für Börsenpsychologie an der Universität Mannheim.
Die Heimatverbundenheit der deutschen mag kurzfristig Erfolg versprechen. Seitdem die Kurse an den Weltbörsen wieder anziehen, hat der DAX die Konkurrenz in den USA und Japan abgehängt. Langfristig aber kostet die einseitige Ausrichtung des Portfolios Rendite – das belegt die Statistik.
Denn obwohl die europäischen und asiatischen Märkte stark von den Kursausschlägen der US-Indizes beeinflusst werden, gibt es erhebliche Unterschiede. In den vergangenen fünf Jahren schnitt der amerikanische S&P-500-Index in zwei Fällen besser ab als der DAX und der japanische Nikkei. Zwei Mal lag der DAX vorn, einmal der Nikkei. Nur wer in allen Regionen investiert war, konnte also von der jeweiligen Spitzenperformance profitieren. Trotz solch eindeutiger Fakten glauben Anleger auf der ganzen Welt beharrlich an die Stärke der Unternehmen aus ihren Heimatregionen. Von den zehn Top-Werten der Deutschen stammen nur zwei aus dem Ausland. Ausgerechnet diese beiden waren die langfristigen Top-Performer im Basket – der finnische Handyhersteller Nokia und der amerikanische Netzwerkspezialist Cisco Systems.
Nokia genießt dabei einen Sonderstatus. Das Unternehmen ist von den Deutschen faktisch eingebürgert worden. „Die Nokia-Produkte sind den Anlegern in Deutschland sehr vertraut. Deshalb ist die psychologische Barriere, diese Aktie zu kaufen, niedriger als bei anderen ausländischen Werten“, weiß Joachim Goldberg vom Forschungsinstitut Cognitrend.
Asiatische Titel sucht man unter den Lieblingen der Deutschen dagegen vergeblich. Auch das kommt für Experten nicht überraschend. Grundsätzlich gilt: Je weiter ein Unternehmen von der Heimat eines Investors entfernt ist, desto größer das Misstrauen. „Anleger schätzen die Renditeperspektiven für heimische Aktien tendenziell optimistischer ein als die ausländischer Werte“, beobachtet Börsenpsychologe Weber.
Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Bundesrepublik, wie das Beispiel DaimlerChrysler zeigt. Seit dem Zusammenschluss von Daimler-Benz mit dem US-Konkurrenten Chrysler im November 1998 ist der Autobauer offiziell ein deutsch-amerikanischer Mischkonzern. Beim Umsatz liegt das Übergewicht mit rund 60 Prozent eindeutig in Nordamerika. Die Schlüsselpositionen im Vorstand aber werden von deutschen Managern besetzt. In der Wahrnehmung der meisten Anleger ist DaimlerChryler daher ein rein deutsches Unternehmen. Die Folge: Während sich der Anteil der deutschen Aktionäre seit der Fusion konstant über 50 Prozent hält, ist der Anteil der amerikanischen Anteilseigner kontinuierlich von 25 auf 14 Prozent gesunken.
Auch auf regionaler Ebene werden ortsnahe Unternehmen bevorzugt. So setzen Anleger aus Bayern im Autosektor lieber auf BMW, Niedersachsen hingegen auf Volkswagen. Ein Trend, der verstärkt wird durch Belegschaftsaktien, die die Unternehmen als Altersvorsorge und Erfolgsprämien an ihre Angestellten ausgeben.
Gerade bei diesen Aktien ist das Vertrauen der Anleger oft irrational groß. Experte Goldberg: „Weil die Aktionäre in dem Unternehmen arbeiten, sind sie überzeugt, besonders kompetent zu sein.“ Mitunter eine trügerische Sicherheit und ein unterschätztes Risiko.
„Geht der Arbeitgeber Konkurs, verliert der Anleger nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch sein Aktienvermögen“, warnt Börsenpsychologe Weber und verweist auf den Fall Enron. Die Angestellten des US-Energiekonzernes hatten Vorstands-Chef Kenneth Lay vertraut. Der hatte geraten, trotz sich beschleunigender Kursverluste die Aktien zu halten.
Doch nicht nur in der eigenen Belegschaft versuchen Unternehmen fernab der harten Fakten, die emotionale Bindung der Anleger zu instrumentalisieren. 50 Millionen Euro soll die Deutsche Telekom allein beim Börsengang 1996 in ihre Werbekampagne investiert haben. Dabei ging es natürlich nicht nur um Geschäftszahlen. Schauspieler Manfred Krug, bekannt als liebenswerter TV-Anwalt und „Tatort“-Kommissar, steigerte mit seinen persönlichen Sympathiewerten das Vertrauen in die T-Aktie. Nach dem selben Prinzip pries die Post mit Hilfe von TV-Moderator Thomas Gottschalk und dessen Bruder Christoph die „Aktie Gelb“ an.
Während Krug nach dem Kursdesaster der T-Aktie abgesetzt wurde, werben die Gottschalks weiter für die Dienstleistungen der Post und damit indirekt auch für die „Aktie Gelb“.
Vom Kurseinbruch der „Volksaktien“ ist in den TV-Spots der Konzerne natürlich nicht die Rede. Die müssen die vertrauensseligen Käufer alleine verdauen. Viele von ihnen sitzen in der Psychofalle: „Anleger halten oft zu lange an Aktien fest, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass der Kauf eine Fehlentscheidung war“, so Goldberg. Dementsprechend ist die Treue der Kleinanleger zur T-Aktie nicht unbedingt ein Liebesbeweis, sondern oft die pure Verzweiflung.
Auch die Sektorgewichtung vieler Depots erschreckt Experten: „Eindeutig zu viele Technologie-Titel“, meint Markus Temme von der Fondsgesellschaft Union Investment beim Blick auf die Lieblinge der Deutschen. Mit Bayer befindet sich nur ein defensiver Titel unter den Top Ten. Der Chemie- und Pharmakonzern liegt bezeichnender Weise auf dem letzten Platz – hinter so riskanten Werten wie Infineon, SAP oder Cisco Systems.
Auch die Allianz, einst als Witwen- und Waisenpapier mit minimalem Risiko gelobt, zählt inzwischen zur Kategorie hochriskant. Wegen ihres großes Beteiligungsportfolios an börsennotierten Unternehmen ist die Aktie fast schon zu einem Optionsschein auf den DAX geworden: Im vergangenen Jahr war der Versicherungsriese mit minus 66 Prozent der drittschlechteste DAX-Wert – seit dem Stimmungsumschwung nach dem Ende des Irak-Krieges hat sich der Wert fast wieder verdoppelt.
Die offensive Zusammenstellung der Lieblinge zeigt, dass sich viele Kleinanleger noch immer an den Zeiten der Börseneuphorie zur Jahrtausendwende orientieren, als die Kurse der Tech-Titel fast tägliche neue Hochs erreichten. Tatsächlich hätte der Korb mit den Lieblingsaktien im Boomjahr 1999 DAX und MSCI World geschlagen (siehe Chart). In den vergangenen drei Jahren aber ging es mit ihnen dramatisch bergab: Die Lieblinge verloren 65 Prozent. DAX und der MSCI World kamen mit minus 55 beziehungsweise minus 46 Prozent vergleichsweise glimpflich davon.
So wundert es nicht, dass die Finanzprofis der Fondsgesellschaften andere Schwerpunkte setzen als die Kleinanleger. Der weltweit anlegende Fonds UniGlobal der Gesellschaft Union Investment hat zwei US-Titel am höchsten gewichtet: die Großbank Citigroup und den Genussmittelkonzern Altria Group. Beide Werte gelten als eher defensiv, also weniger konjunkturabhängig. Auch wenn Altria derzeit wegen der Raucherklagen gegen die Tochter Philip Morris angeschlagen ist.
Ähnlich halten es die Experten des DWS Vermögensbildungsfonds I. Der Favorit von Stratege Klaus Kaldemorgen ist gegenwärtig die Deutsche Post – die schafft es in der Hitliste der Kleinanleger nicht mal unter die ersten Zehn.
Natürlich können sich auch die Profis bei der Aktienauswahl irren. Dennoch rät Börsenpsychologe Goldberg, zumindest einen Teil des Investments in international ausgerichtete Fonds oder Index-Zertifikate zu investieren, um das Portfolio breiter aufzustellen. Das schützt zwar nicht vor Verlusten, mindert aber das Risiko.
red / -red-