Der Wechsel des Stromanbieters wird leichter
Anbieter einigen sich auf neue Regeln im Geschäftsverkehr / Kartellamt befürchtet Verlust von Kompetenzen
Der Wechsel des Stromversorgers dürfte bald noch reibungsloser laufen. Netzbetreiber, Stadtwerke und die neuen Anbieter auf dem Markt haben sich nach Informationen dieser Zeitung in der vergangenen Woche auf einheitliche Regeln für den Geschäftsverkehr verständigt. So soll es vom 1. Mai an ein einheitliches Datenformat für die Korrespondenz geben, das bis August alle Stromunternehmen verwenden sollen. Außerdem müssen Stromhändler den Netzbetreibern künftig keine Originalvollmachten zusenden, wenn sie für ihre Kunden den alten Vertrag kündigen. Wenn Privatkunden ihren Stromanbieter wechseln wollen, kündigen sie nicht selbst, sondern bevollmächtigen den neuen Lieferanten dazu. Das ist wichtig, um sicherzustellen, dass dem Kunden niemals der Strom abgestellt wird.
Die jüngsten Vereinbarungen haben in der Praxis große Bedeutung. Bislang müssen sich die Stromhändler mit bis zu 200 verschiedenen Datenformaten für die Korrespondenz mit Netzbetreibern herumschlagen. Das führt zu einem immens hohen Verwaltungsaufwand. Wenn der Datenaustausch künftig automatisch erfolgen kann und die Verschickung der Kundenvollmachten entfällt, können die Stromunternehmen effektiver arbeiten. Das betrifft vor allem die Newcomer auf dem Markt. Diese könnten ihre Ersparnis entweder über sinkende Preise an die Kunden weitergeben oder sie könnten ihre Verluste abbauen.
Erfolg der "Task Force"
Die jetzt erzielte Übereinkunft ist in der beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelten "Task Force" zur Liberalisierung des Strommarktes erzielt worden. Unter Leitung von Klaus-Peter Schultz, der vom Bundeskartellamt kam, verhandeln dort Vertreter der Netzbetreiber, Energieerzeuger, Stadtwerke, Regionalversorger und des BDI mit den in zwei Initiativen zusammengeschlossenen Markt-Newcomern und Verbraucherschützern über eine so genannte "Best-Practice"-Lösung. Dort sollen Regeln für eine vereinfachte Abwicklung des Stromanbieterwechsels gefunden werden.
Uneins sind sich die Mitglieder der "Task Force" noch über einige Punkte. So konnte bislang keine Einigung gefunden werden, wie lange sich der Wechsel des Kunden hinziehen darf. Während die neuen Anbieter den Verbrauchern garantieren möchten, dass sie spätestens innerhalb eines Monats den Strom vom neuen Lieferanten bekommen, wollen die Netzbetreiber deutlich längere Fristen vereinbaren. Zum Ärger der Newcomer. "Die Kunden messen die neuen Händler daran, wie schnell der Wechsel klappt", sagt Torsten Schreiber, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Aber auch das Bundeswirtschaftsministerium habe ein großes Interesse daran, dass der Versorgerwechsel erleichtert wird, meint der Verbraucherschützer. Immerhin müsse Minister Müller (parteilos) der EU-Kommission beweisen, dass das deutsche Liberalisierungsmodell, das auf die Einrichtung einer Regulierungsbehörde verzichtet, funktioniert. Wenn der Minister das nicht schaffe, drohe die Einsetzung eines Regulierers aus Brüssel. Nach Einschätzung Schreibers spielen die Netzbetreiber und die Stadtwerke in der "Task Force" auf Zeit. Die bürokratischen Hemmnisse, die den neuen Anbietern auferlegt werden, dienten einzig dem Zweck, die Pfründe aus Monopolzeiten so lange wie möglich zu verteidigen.
Auch das Bundeskartellamt warnte am Montag vor einer Verschleppung der weiteren Liberalisierung. Kartellamtspräsident Ulf Böge wies in Berlin Vorschläge der Energiewirtschaft zurück, die von den Verbänden selbst aufgestellte Verbändevereinbarung zum Maß aller Dinge zu erheben. Die Stadtwerke wollen bei der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes eine Vorschrift verankert sehen, nach der die Wettbewerbsbehörde künftig keine Missbrauchsverfahren mehr gegen Netzbetreiber einleiten darf, die mit überhöhten Netznutzungsentgelten die Durchleitung von Strom verhindern, so lange sich die Netzbetreiber an die Verbändevereinbarung halten. Damit würde den Unternehmen jeglicher Anreiz genommen die Vereinbarung weiterzuentwicklen. "An die Stelle einer unabhängigen Missbrauchsaufsicht würde die Selbstbeaufsichtigung der Branche treten", warnte Böge.
Stromanbieter klagen
Gegenwind bekommt das Bundeskartellamt auch bei den bereits laufenden Missbrauchsverfahren, die die Behörde kürzlich gegen zehn Netzbetreiber wegen überhöhter Netznutzungsgebühren eingleitet hatte. In fünf Fällen verweigerten die Unternehmen Auskünfte, die die Wettbewerbsbehörde braucht, um die Kalkulation der Gebühren zu überprüfen. Gegen die dagegen gerichteten förmlichen Auskunftsbegehren des Amtes haben die Netzbetreiber Rechtsbeschwerden beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt, über die voraussichtlich im April entschieden wird.