Bayer profitiert von US-Regierungsrückendeckung im Glyphosat-Streit: Wirtschaftliche Interessen rücken in den Vordergrund
Der deutsche Chemie- und Agrarchemiekonzern Bayer AG verzeichnete bereits am Montag einen Kursanstieg von 12 %, nachdem die US-Regierung unter Ex-Präsident Donald Trump öffentlich ihre Unterstützung im anhaltenden Rechtsstreit um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat (Markenname: Roundup) bekundet hatte. Die Entscheidung des US-Justizministeriums, sich auf Seiten von Bayer (Bayer Aktie) zu stellen, hat sowohl juristische als auch wirtschaftsstrategische Dimensionen und verleiht dem seit Jahren andauernden Streit um das Mittel eine neue Wendung.
Bereits seit dem milliardenschweren Kauf von Monsanto im Jahr 2018 (Kaufpreis: über 60 Mrd. USD) kämpft Bayer in den USA mit einer Welle von Schadensersatzklagen. Rund 65.000 Klagen sind aktuell noch anhängig. Kläger werfen dem Unternehmen vor, Glyphosat verursache Krebserkrankungen. Bisher hat Bayer bereits mehr als 11 Milliarden USD für Vergleiche und juristische Auseinandersetzungen aufgewendet.

Supreme Court als Ziel – Bundesrecht gegen Einzelstaaten
Am Montag wandte sich der US-Generalstaatsanwalt D. John Sauer in einem Schreiben direkt an den Supreme Court, das oberste Gericht der Vereinigten Staaten, mit der Forderung, die Klagewelle gegen Bayer zu begrenzen. Kern des Arguments: Bundesrecht (Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act – FIFRA) habe Vorrang gegenüber einzelstaatlichen Vorschriften. Damit soll verhindert werden, dass US-Bundesstaaten Bayer für die Vermarktung eines Mittels haftbar machen, das auf Bundesebene von der Umweltschutzbehörde EPA zugelassen wurde.
Diese juristische Position ist nicht neu, erhält durch die Rückendeckung der US-Regierung jedoch erheblich an Gewicht. Bayer-CEO Bill Anderson begrüßte die Unterstützung:
„Die Unterstützung der US-Regierung ist ein wichtiger Schritt und eine gute Nachricht für die US-Landwirte, die klare regulatorische Rahmenbedingungen benötigen.“
Phosphat als strategisches Mineral – Bayer mit Schlüsselrolle
Jenseits der juristischen Argumentation treten zunehmend wirtschaftsstrategische Überlegungen in den Vordergrund. Besonders im Fokus steht der Phosphatabbau in den USA. Bayer ist über seine Tochtergesellschaft P4 Production LLC ein zentraler Akteur auf diesem Gebiet. Das Unternehmen betreibt seit Jahrzehnten eine Phosphatmine in Soda Springs, Idaho, und erhielt im Oktober 2025 die Genehmigung, ein neues, großflächiges Abbaugebiet im Caldwell Canyon zu erschließen.
Diese Genehmigung ist ein wichtigen Meilenstein für Bayer, da die bisherige Mine zunehmend erschöpft ist. Auf einer Fläche von rund acht Quadratkilometern sollen künftig große Mengen Phosphat gefördert werden. Phosphat dient nicht nur als Ausgangsstoff für Düngemittel, sondern vor allem als Basis für die Herstellung von weißem Phosphor, einem chemischen Rohstoff mit strategischer Bedeutung etwa für:
Medikamente und Flammschutzmittel
Lithiumbatterien und Spezialchemikalien
Militärische Anwendungen wie Blendgranaten und Rauchbomben
Zwar betont Bayer, aktuell nicht direkt das US-Militär zu beliefern, dennoch ist die Produktionsinfrastruktur von großer nationaler Bedeutung.
Strategischer Rohstoff: Phosphat auf Liste kritischer Mineralien
Die US-Regierung hat im November 2025 eine neue Liste von 60 kritischen Mineralien veröffentlicht, die für die nationale Sicherheit und wirtschaftliche Souveränität als unverzichtbar eingestuft werden. Phosphat befindet sich auf dieser Liste. In diesem Zusammenhang erklärte Innenminister Doug Burgum, man wolle die heimische Versorgung sichern und den USA zu einer „Mineralien-Großmacht“ verhelfen.
Bayer profitiert dabei in doppelter Hinsicht: Erstens sichert der Status den Vorzugsstatus im Genehmigungsverfahren, zweitens verleiht er dem Unternehmen politische Rückendeckung bei regulatorischen Fragen.
Abhängigkeit von China vermeiden
Ein weiteres zentrales Argument für die Unterstützung Bayers: die Vermeidung von Abhängigkeiten in der Agrarwirtschaft, insbesondere gegenüber China, dem größten Exporteur von chemischen Zwischenprodukten und Düngemitteln. Sollte Bayer gezwungen sein, die Glyphosat-Produktion in den USA einzustellen, wären amerikanische Landwirte auf chinesische Lieferungen angewiesen. Die Folge wären steigende Produktionskosten, Versorgungsengpässe und höhere Lebensmittelpreise in den USA.
US-Landwirte haben sich daher in jüngster Zeit in Pro-Bayer-Kampagnen positioniert, in denen sie die Beibehaltung der Glyphosat-Versorgung im Inland fordern. Diese Bewegungen wurden zum Teil durch Bayer selbst mitinitiiert.
Gesetzesinitiativen auf Bundes- und Landesebene
Parallel zum Supreme-Court-Verfahren verfolgt Bayer auch einen politischen Kurs in Washington. Der Konzern setzt sich seit 2024 für gesetzliche Änderungen ein, die die Erfolgsaussichten künftiger Klagen deutlich einschränken sollen. Auf Ebene einzelner Bundesstaaten waren erste Initiativen bereits erfolgreich. Eine landesweite Regelung steht jedoch noch aus. Die jüngste Unterstützung der Trump-Regierung könnte hier ein entscheidender Hebel sein.
Umweltkonflikte und Kompromisse
Die Erschließung des neuen Abbaugebiets in Idaho war nicht unumstritten. Umweltschützer klagten 2023 gegen das Projekt mit dem Hinweis auf den gefährdeten Lebensraum des Beifußhuhns. Bayer konnte sich jedoch außergerichtlich einigen und verpflichtete sich, 5 Millionen USD in einen Treuhandfonds für Umweltmaßnahmen einzuzahlen. Diese Einigung wurde von der Politik positiv aufgenommen und als Beweis für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln gewertet.
Ausblick: Bayer zwischen Rechtsstreit und Rohstoffmacht
Mit der aktuellen Entwicklung hat Bayer nicht nur juristische Rückendeckung, sondern auch wirtschaftspolitischen Rückenwind. Der Kursanstieg von 12 % reflektiert die Hoffnung der Investoren, dass sich das juristische Risiko für den Konzern signifikant verringert. Entscheidend wird nun sein, ob der Supreme Court die Berufung annimmt. Dieser Schritkönnte dann einen Präzedenzfall schaffen und Bayers Rechtslage in den USA grundlegend verändern.
Darüber hinaus positioniert sich Bayer durch den Ausbau seiner Phosphatproduktion als zentraler Rohstofflieferant innerhalb der US-Wertschöpfungskette für Landwirtschaft, Industrie und Verteidigung. In einer geopolitisch angespannten Weltlage könnte dies zu einem langfristigen strategischen Vorteil werden.