Fiduka-Chef Heller sieht Ende des Ausverkaufs
Interview mit Fiduka-Chef Gottfried Heller warnte schon früh vor überbewerteten Technologieaktien. Jetzt rät er zum Wiedereinstieg.
Heller gründete 1971 zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Börsenaltmeister André Kostolany die Fiduka Depotverwaltung in München. Genau rechtzeitig warnte der Value-Investor vor einer Überbewertung der Internet- und Technologieaktien. So empfahl er Ende 1999 bei einem Aktienkurs von etwa 100 Dollar, Amazon zu verkaufen (WirtschaftsWoche 52/1999). Die Aktie steht heute bei zwölf Dollar. Im Juli 2000 sagte er einen weiteren tiefen Fall der Technologiewerte voraus. Gegen fast alle Experten setzte er auf einen Einbruch der Cisco-Aktie (WirtschaftsWoche 28/2000). Seitdem hat Cisco rund 70 Prozent verloren.
Herr Heller, überrascht Sie das Ausmaß der gegenwärtigen Baisse?
Schon. Bei den Technologiewerten haben wir eine maßlose Übertreibung nach oben gehabt. Jetzt sehen wir das andere Extrem.
Die Übertreibung nach unten?
Ja. Es ist nicht alles schlecht und wertlos, was in den vergangenen Jahren im Technologiesektor aufgebaut wurde. Unternehmen der Old Economy wie Siemens oder DaimlerChrysler werden viele der Ideen der so genannten Neuen Ökonomie übernehmen.
Oder die Unternehmen selbst...
Genau. Amazon kann vielleicht nicht allein überleben, hätte aber als Bertelsmann-Tochter Chancen.
Sie reden von der größten Börsenblase aller Zeiten...
Das war sie ohne Zweifel. Allein an der Nasdaq wurden in zwölf Monaten über vier Billionen Dollar verloren, 20 Prozent mehr als das gesamte in Deutschland angesparte Geldvermögen.
Wo sehen Sie die Ursachen?
Zum einen hat die High-Tech-Branche die Angst vor der Jahrtausendwende geschickt geschürt und so einen Nachfrageboom ausgelöst. Zum anderen wurde den meisten Anlegern der Internethype geschickt verkauft. Die Old Economy war ein alter Hut, grenzenlose Möglichkeiten der neuen Unternehmen garantierten grenzenloses Kurswachstum. Weil die neuen Unternehmen auch Computer und Handys brauchten, wurde die Sonderkonjunktur verstärkt.
Das ist ja nichts Schlechtes. Kann eine Sonderkonjunktur nicht hohe Kurse stützen?
Kurzfristig schon. Das Problem ist, dass niemand erkannt hat, dass wir es mit einem einmaligen Phänomen zu tun hatten. Analysten haben die Zahlen auf Jahre hinaus extrapoliert. Hinzu kommt, dass die Unternehmen gemogelt haben – übrigens nicht nur die Schlitzohren am Neuen Markt, sondern auch die Großen.
Was haben sie gemacht?
Alle, egal ob Microsoft, Cisco oder Amazon, haben Internetportfolios aufgebaut und daraus Buchgewinne ausgewiesen. Jetzt bringen die nur noch Verluste. Sie sind auch auf den Sonderboom hereingefallen und haben auf Lager produziert, und sie haben mit überbewerteten Aktien Unternehmen aufgekauft und so ihre Umsätze aufgebläht. Gleichzeitig manipulierten sie ihre Gewinne, weil sie Aktienoptionen nicht als Kosten auswiesen.
Wie lange werden die Märkte noch fallen?
Ich habe mir am Donnerstag, als es besonders heftig rappelte, das Kurslaufband eines dieser Finanzsender angeschaut. Dabei konnte ich mit Genugtuung feststellen, dass immer wieder grüne Zahlen auftauchten, etwa bei Dell, EMC, Advanced Micro Devices, Apple oder Compaq. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass der Kehraus bei den Technologiewerten schon sehr weit gediehen ist.
Aber Aktien wie Cisco, Sun, Oracle oder Nortel sind weiter gefallen.
Das sind die heiligen Kühe, die es im Crash ganz zum Schluss erwischt. Sie sind zuletzt auch nicht mehr dramatisch gefallen. Gut ist: Das alles geschah bei hohen Umsätzen.
Das bedeutet?
Wir befinden uns in der Endphase einer Verkaufspanik. Die Aktien sind von vielen schwachen Händen in wenige starke Hände gegangen. Tausende von Zockern, die weder die Nerven noch das Geld hatten, um durchzuhalten, sind draußen. Viele waren nicht mehr Herr ihres Depots. Sie mussten zwangsweise verkaufen, weil sie auf Kredit spekuliert hatten und ihre Bank nun das Depot exekutierte. Es gibt eine alte Börsenregel: Exekutionsware muss man kaufen.
Haben Sie gekauft?
Ja, wir haben Aktien wie Allianz und IBM, die wir sowieso haben wollen, billig gekauft.
Viele Beobachter rechnen nicht mit einer Erholung. Ihr Argument: Frustrierte Anleger verkaufen, sobald die Kurse steigen und kippen so jeden Kursaufschwung.
Diese Phase haben wir hinter uns. Die meisten haben jetzt kapituliert.
Also sollte man jetzt nicht mehr verkaufen?
Nein, verkaufen ist absolut verboten. Mit einer Einschränkung: Wer schlechte Unternehmen im Depot hat, sollte sie auskehren – dafür ist es nie zu früh. Wer Qualitätsaktien hat, sollte dem Himmel auf Knien danken, dass er billiger nachkaufen kann.
Ist die Stimmung zu pessimistisch?
Insbesondere an der US-Börse, und die ist immer noch das Maß aller Dinge, sind idiotische Verhaltensweisen zu beobachten, echte Schizophrenie.
Sie meinen die Zerrissenheit zwischen Rezessionsangst und Zinshoffnung...
Genau. Sind die US-Arbeitsmarktdaten nicht so schlecht wie erwartet, fällt die Börse, weil sie fürchtet, dass Fed-Chairman Alan Greenspan die Zinsen nicht mehr senkt. Kommen Gewinnwarnungen und schlechte Konjunkturdaten, fällt die Börse ebenfalls, weil alle Angst vor einer Rezession haben.
Haben wir die nicht schon längst?
Im Technologiesektor ja, sonst nicht. Der Sektor bringt ein Viertel der Wirtschaftsleistung, kann also dämpfen. Noch gravierender ist, dass die Aktiendepots der US-Verbraucher so stark geschrumpft sind, dass dies auf den Konsum durchschlagen könnte. Doch dieser Effekt ist nur ein vorübergehender.
Warum?
In den USA fallen die Zinsen rapide. Das schlägt auf die Hypothekenzinsen durch. Die Amerikaner können ihr Wohneigentum billiger finanzieren. Außerdem ist der Wert der Immobilien gestiegen, sie können also höhere Kredite darauf aufnehmen. Wer den Konsum prognostizieren will, darf nicht nur auf die Wertpapierdepots schauen. Immobilienpreise und Hypothekenzinsen sind noch wichtiger.
Was bringt die Börsen wieder nach oben?
Niedrige Zinsen – wir haben seit Dezember weltweit über 40 Zinssenkungen gehabt – und hohe Liquidität. Die meisten Börsianer reden nur über Zinssenkungen. Noch wichtiger aber ist die Liquidität. Niedrige Zinsen erfreuen zwar die Unternehmen, die ihre Kredite billiger bekommen. Hohe Liquidität aber hilft der Börse direkt. Wenn die Zentralbanken Geld in den Markt geben, indem sie Anleihen aufkaufen, wird Geld geschöpft, das nach Anlagemöglichkeiten drängt.
Wie hoch ist die Liquidität?
Alan Greenspan hat still und heimlich den Geldhahn aufgedreht und das Wachstum der Geldmenge auf das Niveau vom Herbst 1998 erhöht. Damals gab es die Asienkrise, Russland stand vor der Pleite, der Hedge-Fund LTCM kippte. Im Moment haben die Geldmarktfonds Rekordzuflüsse. Dieses Geld wird auf Dauer nicht zu zwei Prozent geparkt bleiben.
Gleichzeitig wird weniger Liquidität nachgefragt.
Genau. Neuemissionen und Kapitalerhöhungen sind nicht zu platzieren. Die Wirtschaft braucht weniger Geld für Investitionen, und der gefallene Ölpreis bindet weniger Kapital.
Trotzdem scheint es, als ob die Börse noch einen Kick braucht, ehe sie wieder nach oben dreht.
Läuft alles in eine Richtung, bedarf es keines besonderen Ereignisses, damit die Börse irgendwann dreht. Man wird dann höchstens nachträglich Gründe erfinden.
Warum sind Sie sich so sicher?
Erfahrung, es war bisher immer so. Sinkende Zinsen und steigende Liquidität haben immer zu einer wirtschaftlichen Erholung geführt. Die Börse hat diese sechs bis neun Monate vorweggenommen.
Die US-Notenbank kann nicht immer weiter Zinsen senken und Geld in die Märkte schaufeln.
Warum nicht? Anders als für die Zentralbanker der Siebzigerjahre ist heute die Inflation kein Thema mehr. Wir haben einen gnadenlosen Wettbewerb, niedrige Rohstoffpreise, schwache Gewerkschaften und Produktivitätsschübe durch technischen Fortschritt – all dies bremst die Preise.
Stimmt Ihr Modell, dürften die Technologiewerte ab dem vierten Quartal wieder bessere Zahlen schreiben.
Und deshalb muss man die Marktführer jetzt wieder kaufen.
Wen?
Applied Materials, den größten Hersteller von Maschinen für die Chipproduktion. Dann Dell, deren Computerdirektvertrieb nach wie vor ein tolles Geschäftsmodell ist. Dazu noch IBM und Advanced Micro Devices. In Europa Philips, in Asien Hutchison und Samsung.
Wer sind Ihre Favoriten im Dax?
Generell würde ich deutsche Aktien stärker gewichten. Die positiven Effekte der Steuerreform dürften erst in den kommenden Monaten sichtbar werden. Chancen haben Bayer, BASF, Allianz, Münchener Rück, RWE, DaimlerChrysler, Siemens, Schering und Linde.
Muss man jetzt wieder raus aus den defensiven Werten in MDax und Smax?
Nein. Ich kaufe MG Technologies, den Maschinenbauer IWKA, den Abfüllanlagenhersteller Krones, K+S oder den Pumpenbauer KSB. Neuer Markt und Nasdaq haben bis vor kurzem allen anderen Segmenten das Geld weggenommen, deshalb sind diese Werte schlecht gelaufen. Das zu korrigieren dauert lange. Im High-Tech-Hype sind alle auf eine Party gegangen, überall sonst war gähnende Leere. Jetzt haben die meisten einen Brummschädel und bevorzugen wieder gepflegtere Festivitäten.
HAUKE REIMER
Interview mit Fiduka-Chef Gottfried Heller warnte schon früh vor überbewerteten Technologieaktien. Jetzt rät er zum Wiedereinstieg.
Heller gründete 1971 zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Börsenaltmeister André Kostolany die Fiduka Depotverwaltung in München. Genau rechtzeitig warnte der Value-Investor vor einer Überbewertung der Internet- und Technologieaktien. So empfahl er Ende 1999 bei einem Aktienkurs von etwa 100 Dollar, Amazon zu verkaufen (WirtschaftsWoche 52/1999). Die Aktie steht heute bei zwölf Dollar. Im Juli 2000 sagte er einen weiteren tiefen Fall der Technologiewerte voraus. Gegen fast alle Experten setzte er auf einen Einbruch der Cisco-Aktie (WirtschaftsWoche 28/2000). Seitdem hat Cisco rund 70 Prozent verloren.
Herr Heller, überrascht Sie das Ausmaß der gegenwärtigen Baisse?
Schon. Bei den Technologiewerten haben wir eine maßlose Übertreibung nach oben gehabt. Jetzt sehen wir das andere Extrem.
Die Übertreibung nach unten?
Ja. Es ist nicht alles schlecht und wertlos, was in den vergangenen Jahren im Technologiesektor aufgebaut wurde. Unternehmen der Old Economy wie Siemens oder DaimlerChrysler werden viele der Ideen der so genannten Neuen Ökonomie übernehmen.
Oder die Unternehmen selbst...
Genau. Amazon kann vielleicht nicht allein überleben, hätte aber als Bertelsmann-Tochter Chancen.
Sie reden von der größten Börsenblase aller Zeiten...
Das war sie ohne Zweifel. Allein an der Nasdaq wurden in zwölf Monaten über vier Billionen Dollar verloren, 20 Prozent mehr als das gesamte in Deutschland angesparte Geldvermögen.
Wo sehen Sie die Ursachen?
Zum einen hat die High-Tech-Branche die Angst vor der Jahrtausendwende geschickt geschürt und so einen Nachfrageboom ausgelöst. Zum anderen wurde den meisten Anlegern der Internethype geschickt verkauft. Die Old Economy war ein alter Hut, grenzenlose Möglichkeiten der neuen Unternehmen garantierten grenzenloses Kurswachstum. Weil die neuen Unternehmen auch Computer und Handys brauchten, wurde die Sonderkonjunktur verstärkt.
Das ist ja nichts Schlechtes. Kann eine Sonderkonjunktur nicht hohe Kurse stützen?
Kurzfristig schon. Das Problem ist, dass niemand erkannt hat, dass wir es mit einem einmaligen Phänomen zu tun hatten. Analysten haben die Zahlen auf Jahre hinaus extrapoliert. Hinzu kommt, dass die Unternehmen gemogelt haben – übrigens nicht nur die Schlitzohren am Neuen Markt, sondern auch die Großen.
Was haben sie gemacht?
Alle, egal ob Microsoft, Cisco oder Amazon, haben Internetportfolios aufgebaut und daraus Buchgewinne ausgewiesen. Jetzt bringen die nur noch Verluste. Sie sind auch auf den Sonderboom hereingefallen und haben auf Lager produziert, und sie haben mit überbewerteten Aktien Unternehmen aufgekauft und so ihre Umsätze aufgebläht. Gleichzeitig manipulierten sie ihre Gewinne, weil sie Aktienoptionen nicht als Kosten auswiesen.
Wie lange werden die Märkte noch fallen?
Ich habe mir am Donnerstag, als es besonders heftig rappelte, das Kurslaufband eines dieser Finanzsender angeschaut. Dabei konnte ich mit Genugtuung feststellen, dass immer wieder grüne Zahlen auftauchten, etwa bei Dell, EMC, Advanced Micro Devices, Apple oder Compaq. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass der Kehraus bei den Technologiewerten schon sehr weit gediehen ist.
Aber Aktien wie Cisco, Sun, Oracle oder Nortel sind weiter gefallen.
Das sind die heiligen Kühe, die es im Crash ganz zum Schluss erwischt. Sie sind zuletzt auch nicht mehr dramatisch gefallen. Gut ist: Das alles geschah bei hohen Umsätzen.
Das bedeutet?
Wir befinden uns in der Endphase einer Verkaufspanik. Die Aktien sind von vielen schwachen Händen in wenige starke Hände gegangen. Tausende von Zockern, die weder die Nerven noch das Geld hatten, um durchzuhalten, sind draußen. Viele waren nicht mehr Herr ihres Depots. Sie mussten zwangsweise verkaufen, weil sie auf Kredit spekuliert hatten und ihre Bank nun das Depot exekutierte. Es gibt eine alte Börsenregel: Exekutionsware muss man kaufen.
Haben Sie gekauft?
Ja, wir haben Aktien wie Allianz und IBM, die wir sowieso haben wollen, billig gekauft.
Viele Beobachter rechnen nicht mit einer Erholung. Ihr Argument: Frustrierte Anleger verkaufen, sobald die Kurse steigen und kippen so jeden Kursaufschwung.
Diese Phase haben wir hinter uns. Die meisten haben jetzt kapituliert.
Also sollte man jetzt nicht mehr verkaufen?
Nein, verkaufen ist absolut verboten. Mit einer Einschränkung: Wer schlechte Unternehmen im Depot hat, sollte sie auskehren – dafür ist es nie zu früh. Wer Qualitätsaktien hat, sollte dem Himmel auf Knien danken, dass er billiger nachkaufen kann.
Ist die Stimmung zu pessimistisch?
Insbesondere an der US-Börse, und die ist immer noch das Maß aller Dinge, sind idiotische Verhaltensweisen zu beobachten, echte Schizophrenie.
Sie meinen die Zerrissenheit zwischen Rezessionsangst und Zinshoffnung...
Genau. Sind die US-Arbeitsmarktdaten nicht so schlecht wie erwartet, fällt die Börse, weil sie fürchtet, dass Fed-Chairman Alan Greenspan die Zinsen nicht mehr senkt. Kommen Gewinnwarnungen und schlechte Konjunkturdaten, fällt die Börse ebenfalls, weil alle Angst vor einer Rezession haben.
Haben wir die nicht schon längst?
Im Technologiesektor ja, sonst nicht. Der Sektor bringt ein Viertel der Wirtschaftsleistung, kann also dämpfen. Noch gravierender ist, dass die Aktiendepots der US-Verbraucher so stark geschrumpft sind, dass dies auf den Konsum durchschlagen könnte. Doch dieser Effekt ist nur ein vorübergehender.
Warum?
In den USA fallen die Zinsen rapide. Das schlägt auf die Hypothekenzinsen durch. Die Amerikaner können ihr Wohneigentum billiger finanzieren. Außerdem ist der Wert der Immobilien gestiegen, sie können also höhere Kredite darauf aufnehmen. Wer den Konsum prognostizieren will, darf nicht nur auf die Wertpapierdepots schauen. Immobilienpreise und Hypothekenzinsen sind noch wichtiger.
Was bringt die Börsen wieder nach oben?
Niedrige Zinsen – wir haben seit Dezember weltweit über 40 Zinssenkungen gehabt – und hohe Liquidität. Die meisten Börsianer reden nur über Zinssenkungen. Noch wichtiger aber ist die Liquidität. Niedrige Zinsen erfreuen zwar die Unternehmen, die ihre Kredite billiger bekommen. Hohe Liquidität aber hilft der Börse direkt. Wenn die Zentralbanken Geld in den Markt geben, indem sie Anleihen aufkaufen, wird Geld geschöpft, das nach Anlagemöglichkeiten drängt.
Wie hoch ist die Liquidität?
Alan Greenspan hat still und heimlich den Geldhahn aufgedreht und das Wachstum der Geldmenge auf das Niveau vom Herbst 1998 erhöht. Damals gab es die Asienkrise, Russland stand vor der Pleite, der Hedge-Fund LTCM kippte. Im Moment haben die Geldmarktfonds Rekordzuflüsse. Dieses Geld wird auf Dauer nicht zu zwei Prozent geparkt bleiben.
Gleichzeitig wird weniger Liquidität nachgefragt.
Genau. Neuemissionen und Kapitalerhöhungen sind nicht zu platzieren. Die Wirtschaft braucht weniger Geld für Investitionen, und der gefallene Ölpreis bindet weniger Kapital.
Trotzdem scheint es, als ob die Börse noch einen Kick braucht, ehe sie wieder nach oben dreht.
Läuft alles in eine Richtung, bedarf es keines besonderen Ereignisses, damit die Börse irgendwann dreht. Man wird dann höchstens nachträglich Gründe erfinden.
Warum sind Sie sich so sicher?
Erfahrung, es war bisher immer so. Sinkende Zinsen und steigende Liquidität haben immer zu einer wirtschaftlichen Erholung geführt. Die Börse hat diese sechs bis neun Monate vorweggenommen.
Die US-Notenbank kann nicht immer weiter Zinsen senken und Geld in die Märkte schaufeln.
Warum nicht? Anders als für die Zentralbanker der Siebzigerjahre ist heute die Inflation kein Thema mehr. Wir haben einen gnadenlosen Wettbewerb, niedrige Rohstoffpreise, schwache Gewerkschaften und Produktivitätsschübe durch technischen Fortschritt – all dies bremst die Preise.
Stimmt Ihr Modell, dürften die Technologiewerte ab dem vierten Quartal wieder bessere Zahlen schreiben.
Und deshalb muss man die Marktführer jetzt wieder kaufen.
Wen?
Applied Materials, den größten Hersteller von Maschinen für die Chipproduktion. Dann Dell, deren Computerdirektvertrieb nach wie vor ein tolles Geschäftsmodell ist. Dazu noch IBM und Advanced Micro Devices. In Europa Philips, in Asien Hutchison und Samsung.
Wer sind Ihre Favoriten im Dax?
Generell würde ich deutsche Aktien stärker gewichten. Die positiven Effekte der Steuerreform dürften erst in den kommenden Monaten sichtbar werden. Chancen haben Bayer, BASF, Allianz, Münchener Rück, RWE, DaimlerChrysler, Siemens, Schering und Linde.
Muss man jetzt wieder raus aus den defensiven Werten in MDax und Smax?
Nein. Ich kaufe MG Technologies, den Maschinenbauer IWKA, den Abfüllanlagenhersteller Krones, K+S oder den Pumpenbauer KSB. Neuer Markt und Nasdaq haben bis vor kurzem allen anderen Segmenten das Geld weggenommen, deshalb sind diese Werte schlecht gelaufen. Das zu korrigieren dauert lange. Im High-Tech-Hype sind alle auf eine Party gegangen, überall sonst war gähnende Leere. Jetzt haben die meisten einen Brummschädel und bevorzugen wieder gepflegtere Festivitäten.
HAUKE REIMER