von Michael Gassmann (New York)
Doug Parker, US Airways-Chef, will die weit größere Delta Air Lines schlucken. Damit dürfte eine Konsolidierung der gesamten Branche bevorstehen.
Auf US-Flugplätzen laufen Menschen mit Aufklebern und Ansteckern herum. Darauf steht "Delta bleibt selbstständig". Das kann Doug Parker nicht in den Kram passen. Die Mitarbeiter von Delta Air Lines protestieren gegen sein feindliches Übernahmeangebot von Mitte November. Der Chef von US Airways hat es auf den Rivalen Delta abgesehen. Parkers Gegenspieler, der 74-jährige Delta-Chef Gerald Grinstein, macht seither Stimmung gegen den Plan - mit Erfolg.
Beide rangeln um die beste Ausgangsposition für den Aufschwung der US-Luftfahrtindustrie. Nach dem Schock der Anschläge des 11. September 2001, der fast jede zweite US-Fluglinie in die Insolvenz getrieben hat, verdienen die Airlines langsam wieder Geld. Analyst Ray Neidl von Calyon Securities geht von insgesamt 2,3 Mrd. $ für die Branche im Jahr 2006 aus. "Für 2007 erwarten wir einen Anstieg auf 5,6 Mrd. $", so Neidl. Wer jetzt stark in den Boom startet, könne seine Marktstellung auf Jahre hinaus zementieren.
Fluggesellschaften drehen an Preisschrauben
Dies vor Augen, ist Parker so wenig zimperlich wie Grinstein. Delta habe beim Versuch, seine Offerte abzuschmettern, den eigenen Firmenwert schöngerechnet, kritisiert er. Mit bis zu 12 Mrd. $ seien die Angaben "meilenweit aus dem Gleichgewicht" geraten, kommentierte er Grinsteins Versuch, die 8,4-Mrd.-$-Offerte von US Airways schlecht aussehen zu lassen. "Delta sagt, sie seien fast so viel wert wie Southwest - das riecht ziemlich merkwürdig", teilt Parker aus. Die expandierende Airline Southwest gilt als Star unter den US-Fluggesellschaften, während Delta sich vor Monaten unter den Gläubigerschutz des US-Insolvenzrechts flüchten musste. Mittlerweile will Grinstein unter allen Umständen einen Neustart in eigener Verantwortung.
Er könnte Glück haben. Die Nachfrage ist derzeit so stark, dass mehrere Airlines kurz vor Weihnachten sogar Preiserhöhungen riskierten. Ihnen kommt zupass, dass Billigflieger wie Jetblue stärker unter den hohen Energiepreisen leiden als klassische Fluglinien. "Die fundamentalen Daten stimmen", sagt Kevin Crissey, Airline-Analyst der Investmentbank UBS.
Das Szenario ist wie geschaffen für eine Neuordnung der Branche, und Parker spielt die Hauptrolle. Setzt er sich durch, schluckt mit US Airways die Nummer sechs auf dem US-Markt die Nummer drei. Die fusionierte Fluglinie wäre neuer US-Marktführer. Der 45-Jährige geht sogar noch weiter. "Mit der vorgeschlagenen Transaktion schaffen wir eine der größten Airlines der Welt", sagte er euphorisch bei der Präsentation der Pläne. Insider schließen nicht aus, dass Delta-Chef Grinstein noch einen Weißen Ritter präsentiert - einen weiteren Bieter, der US Airways ausstechen könnte. Derweil sondieren United und Continental, die Nummer zwei und vier auf dem US-Markt, ebenfalls Fusionsmöglichkeiten.
Parker ist weiter. Er hat eine informelle Gruppe von 17 Delta-Gläubigern, darunter Deutsche Bank Securities und Lehman Brothers, auf seine Seite gebracht. Von den rund 15 Mrd. $ Delta-Schulden vertreten sie 2,25 Mrd $. "Die Gruppe erwartet, dass Delta strategische Alternativen zu seinem Stand-alone-Plan prüft", so ein Berater. Das offizielle Gläubigerkomitee hat sich noch nicht festgelegt, doch Parker rechnet sich gute Chancen aus.
Ärger droht ihm derweil im eigenen Haus. Nicht nur Deltas Beschäftigte protestieren gegen ihn, auch die eigenen Mitarbeiter zeigen sich rebellisch. Die Piloten verlangen einen größeren Anteil des Gewinns. "Die Flitterwochen sind vorbei", droht ein Funktionär der Pilotengewerkschaft. Steigende Arbeitskosten könnten "eine langfristige Bedrohung darstellen", warnt dagegen Analyst Neidl.
Das wäre nicht das Schlimmste für Parker. Ein Pilotenkonflikt könnte vielmehr ein Schlaglicht auf seine empfindlichste Stelle werfen. Gegner werfen ihm vor, er traue sich mit Delta zu viel zu. Noch nicht einmal die letzte große Fusion unter seiner Regie sei bereits bewältigt worden. Im September 2005 hatte US Airways den Rivalen America West gekauft. Die starken Unterschiede in der Bezahlung der Piloten aus beiden Lagern wurden immer noch nicht angeglichen. Eine Lage, die bis heute regelmäßig für Zündstoff sorgt.
Delta-Chef lässt sich das günstige Argument nicht durch die Lappen gehen. "Eine Kombination mit Delta würde nichts anderes bedeuten, als Schicht um Schicht immer neue Komplexität hinzuzufügen", legt er den Finger in die Wunde.
Turbulente Vergangenheit
Positionierung US Airways will mit dem Kauf von Delta neuer US-Marktführer werden. Dabei ist die Gesellschaft die einzige Airline, die in den vergangenen vier Jahren gleich zweimal Konkurs anmelden musste und sich dank des gesetzlichen Schutzes vor Gläubigern sanieren konnte.
Geschichte Ende der 80er-Jahre war die Gesellschaft aus Firmen hervorgegangen, deren Namen heute kaum einer kennt: Empire, Piedmont und Pacific Southwest gingen mit US Air zusammen. Seit 1997 heißt das Unternehmen US Airways. 2002 brach die Airline zum ersten Mal zusammen. Im März 2004 schien die Sanierung geglückt: Der Konzern hatte mithilfe der Insolvenz-Sonderrechte von Beschäftigten und Lieferanten Einsparungen von 900 Mio. $ ertrotzt.
Mehrfach pleite Ein halbes Jahr später folgte wieder ein Insolvenzantrag: Den Kerosinpreisen und der Konkurrenz durch Billig-Airlines erwies sich die Fluglinie nicht gewachsen. 2005 schaffte US Airways entgegen fast allen Prognosen die Rückkehr in den Normalbetrieb. Nur wenig später folgte der Zusammenschluss mit America West, der die Airline auf Platz sechs in den USA beförderte.
Biografie Konzernchef Doug Parker wechselte von America West in das fusionierte Unternehmen. Der 45-Jährige war nach seinem MBA zunächst bei American Airlines eingestiegen und wechselte 1995 zu America West.
Gruß
uS