Kurssturz - Die sechs Gründe
Selten zuvor hat eine Börsenflaute so lange gedauert wie diese.
Schon seit fast zweieinhalb Jahren befinden sich die Aktienmärkte auf Talfahrt, und ein Ende ist nicht in Sicht. Selbst Analysten sind mittlerweile ratlos, wohin in den nächsten Monaten die Reise an den Börsen gehen wird. Die Ursachen für die nachhaltige Börsenflaute sind vielfältig. Hier die sechs wichtigsten:
Konjunktur Die schlechte konjunkturelle Lage zählt zu den wichtigsten Gründen für die schwachen Aktienmärkte. Denn nur wenn die Wirtschaft wächst, steigen auch die Gewinne der Unternehmen und mit ihnen die Aktienkurse. Danach sieht es in naher Zukunft jedoch nicht aus: So wuchs die US-Wirtschaft im zweiten Quartal dieses Jahres nur noch um 1,1 Prozent - ein enttäuschender Wert nach einem Plus von fünf Prozent im ersten Quartal. Das Fatale: Die US-Wirtschaft hat als größte Volkswirtschaft der Welt eine Lokomotivfunktion für andere Länder. Geht es in den USA bergauf, hat das auch einen positiven Effekt auf andere Länder wie Deutschland oder Großbritannien, deren Unternehmen viel in die USA exportieren. Erst vor zwei Tagen hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) seine Prognose für Deutschland auf ein Wachstum von nur noch 0,4 Prozent in diesem Jahr und 1,8 Prozent 2003 gesenkt. Der Aufschwung, der schon seit mehr als einem Jahr immer wieder angekündigt wurde und wieder für steigende Kurse sorgen sollte, verschiebt sich erneut - diesmal auf Sommer 2003.
Gewinnwarnungen Auch die Ankündigungen von Unternehmen, dass die erwarteten Umsätze und Gewinne nicht erreicht werden, nehmen kein Ende - weder in den USA noch in Europa. Solange dies der Fall bleibt, lohnt es sich kaum, in Aktien zu investieren, da die Kurse nur zulegen, wenn bei den Unternehmen höhere Umsätze und Gewinne winken. Nicht zu unterschätzen bei Gewinnwarnungen: Gehts einem US-Unternehmen schlecht, dürfte es auf Grund der immer engeren globalen Wirtschaftsbeziehungen einer deutschen Firma derselben Branche kaum besser gehen. Gibt der US-Softwareriese Oracle eine Gewinnwarnung heraus, fällt daher oft auch der Kurs deutscher Softwarefirmen wie SAP.
Bilanzskandale Die gefälschten Bilanzen bei großen US-Unternehmen wie Enron oder WorldCom haben die Anleger verunsichert: Kann man den Angaben über Umsatz und Gewinn überhaupt noch trauen, fragen sie sich. Worauf soll man seine Anlageentscheidung noch stützen, wenn selbst Wirtschaftsprüfer die Fehler in den Bilanzen nicht entdeckt haben? Ein Grund, Aktien zu meiden.
Irak-Krise und Terrorangst Was geschieht an den Börsen, wenn die USA den Irak angreifen? 1991 brachen die Kurse daraufhin heftig ein. So viel erinnern die Anleger. Ein Krieg im Nahen Osten würde zudem für einen steigenden Ölpreis sorgen, was wiederum das Wachstum der Weltwirtschaft bremst - alles Argumente, die derzeit gegen Aktien sprechen. Zumal ein Golf-Krieg auch die Gefahr neuer Terroranschläge erhöhen würde.
Psychologie Wer in den vergangenen Monaten dachte, Aktien zu Tiefstkursen zu kaufen, wurde meist enttäuscht, weil die Kurse weiter fielen. Das sorgt für Frustration. Viele Anleger wollen von der Börse nichts mehr wissen, legen ihr Geld zunehmend festverzinslich an. Wie verfahren die Situation ist, zeigt der Umstand, dass mittlerweile bei der Hälfte der DAX-Unternehmen die Vermögenswerte (wie Immobilien, Maschinen) größer sind als der Wert des Unternehmens an der Börse (Anzahl aller Aktien multipliziert mit dem Kurs) - derzeit der Fall bei Allianz, Bayer, HypoVereinsbank, Commerzbank, Deutsche Bank, DaimlerChrysler, Degussa, Telekom, Epcos, Infineon, FMC, MAN, Münchener Rück, ThyssenKrupp, VW.
Institutionelle Anleger Versicherungen und Banken setzen zu Jahresbeginn das maximale Verlustrisiko für ihre Aktienbestände fest. Wird dieser Wert durch fallende Kurse überschritten, verkaufen sie Aktien, bis die Relation wieder stimmt. Das lässt die Kurse weiter purzeln - eine Spirale nach unten, die mitverantwortlich für die Börsenflaute ist. Auch so genannte Hedge Fonds, die aus fallenden Kursen Gewinn schlagen, setzen mit ihren Milliardenvermögen die Börsen unter Druck, sind aber eher für kurzfristige Kursausschläge verantwortlich.
gruss julius