15.10.2007 18:45
Bärenfalle oder Warnzeichen?
von Jochen Steffens
Wir haben am Donnerstag eine Art Reversal Day im Nasdaq100 gesehen. In der Nähe der oberen Trendlinie kam es zu einem scharfen Einbruch. Vom Hoch zum Tief verlor der Nasdaq100 am Donnerstag 3 %. Das war ein klares Warnzeichen. Wenn es in der Nähe einer wichtigen Trendlinie zu starken Kursrücksetzern kommt, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass hier größere Adressen aussteigen.
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Doch bereits am Freitag erholten sich die Indizes, besonders der Nasdaq100, wieder deutlich. Damit stellt sich die Frage, ob der Donnerstag ein wirkliches Warnzeichen war oder nur eine Bärenfalle im Aufwärtstrend.
Inflation wird ein Thema in den USA
Nach meinen Informationen geht mittlerweile auch in den USA das böse I-Wort („Inflation“) um. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass der Ölpreis derweil kräftig weiter steigt. Allerdings befürchten einige Analysten auch, dass die hohe Inflation, mit der China zurzeit zu kämpfen hat, über die Einfuhrpreise in die USA „importiert“ werden könnte. Diese Sorge passt zu dem Thema, dass die deflationäre Effekte der Globalisierung in naher Zukunft so langsam auslaufen werden.
Öl bei 85 Dollar
Ein Barrel Rohöl (159 Liter) der Sorte Light Sweet Crude kostete heute über 85 Dollar. Der Grund für den heutigen Anstieg war jedoch politischer Natur. Erneute Spannungen zwischen der Türkei und den Kurden ließen die Sorge wachsen, dass sich hier ein Konflikt anbahnt. So will die türkische Regierung noch in dieser Woche die Zustimmung des Parlaments zu einem Militäreinsatz gegen kurdische Rebellen erhalten. Die USA befürchten, dass ein größerer Militäreinsatz im Norden des Irak auch diese bisher vergleichweise friedliche Region in ein Chaos stürzen könnte. Im Nordirak liegen wichtige Ölfelder.
Zusätzlich wird nach den weiter sinkenden Öllagerbeständen in den USA die Sorge laut, dass es im kommenden Winter zu einer Ölknappheit kommen könnte. Ich würde diese Gefahr jedoch nicht überbewerten. Trotz dieser jedes Jahr erneut vorgebrachten Sorge findet der Ölpreis im saisonalen Verlauf nicht im Winter, sondern gemeinhin im Oktober sein Hoch:
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Quelle: www.wellenreiter-invest.de
Wenn man jedoch genau hinschaut, scheint die Entwicklung des Ölpreises in diesem Jahr ein wenig nach hinten verschoben. Normalerweise wird eine wichtige und deutliche Korrektur im Juni ausgebildet. In diesem Jahr ist dieser „normale“ Einbruch erst im August erfolgt.
Aus diesem Grund müssen wir damit rechnen, dass der Ölpreis auch noch bis Ende Oktober oder sogar in den November hinein hoch bleibt. Besonders wenn es tatsächlich zu einer Militäraktion im Nordirak kommen sollte.
Schwächere Wirtschaft = schwächerer Ölpreis?
Auf der anderen Seite muss man jedoch davon ausgehen, dass die sinkende Konsumfähigkeit der US-Bürger (die Gründe habe ich in den letzten Wochen besprochen) zu einer Abschwächung der US-Wirtschaft führen wird. Diese sollte sich natürlich auch dämpfend auf das Weltwirtschaftswachstum auswirken. Dann muss natürlich auch damit gerechnet werden, dass der Ölpreis wieder fällt, vielleicht sogar dynamisch.
Diese Vermutung könnte der Auslöser dafür sein, dass auch in diesem Jahr der Ölpreis, wie gesagt vielleicht etwas verspätet, tatsächlich bis zum Jahresende hin fällt.
Fed und Inflation?
Interessanterweise hat das Thema Inflation in Europa bereits erste Reaktionen hervorgerufen. Es scheint so, als würde die EZB ihre Tonart, was die weitere Zinspolitik betrifft, wieder verschärfen. Es muss also trotz Kreditmarktkrise wieder eher mit weiter steigenden Zinsen gerechnet werden. Und das sogar, obwohl der Euro stark gestiegen ist, was quasi einer Zinserhöhung gleicht. Die EZB sorgt sich um die Ausweitung der Geldmenge und eben um Inflation.
Ich bin gespannt, ob wir auch seitens der Fed bald ähnliche Töne hören werden. Wenn der Ölpreis weiter steigt und weitere Preisindikatoren auf ein Anziehen der Inflation hinweisen, muss man damit rechnen, dass die Fed ihre restriktive Zinspolitik wieder aufnimmt.
Empire State Manufacturing Survey
Der New York Empire State Index, den ich hier normalerweise nicht beobachte, da er mir zu wenig aussagekräftig und zu volatil ist, stieg überraschend von zuvor 14,70 Punkten auf nun 28,75 Punkte.
Der Index, der gerne als Vorläufer für den ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes analysiert wird, hat aber eine ganz andere Überraschung parat: So stieg der Preisindex deutlich von 11,7 auf nunmehr 15,12 Punkte. Das bedeutet, in New York zeigt sich nun auch im verarbeitenden Gewerbe ein Preisanstieg, den wir bisher im nationalen ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes vermisst hatten. Und das ist ein weiteres Warnzeichen für Inflation.
Zudem stieg der Beschäftigungsindex auf 20,51 Punkten, nach zuvor 18,22 Punkten. Ich hatte darauf hingewiesen, dass eine Lohninflation einer der gefährlichsten Faktoren bei einer Inflation darstellt. Diese wird dann möglich, wenn eine hohe Beschäftigungsquote besteht und die Preise für Artikel des kurzfristigen Bedarfs (Nahrung, Benzin) teurer werden. Beide Faktoren sind aktuell zu erkennen. Dann nämlich werden die Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern Lohnanpassungen fordern und auch durchsetzen können.
Man sollte aber diesen Empire State Index nicht überbewerten. Meiner Erfahrung nach ist er wenig zuverlässig.
Trotzdem, noch bleibt Inflation ein Thema, und ich bin gespannt, wie die Fed sich dazu auch angesichts der Kreditmarktkrise positionieren wird. Noch geht der Markt von Zinssenkungen in den USA aus, teilweise auch mit der Begründung, dass die Fed sich in den Monaten direkt vor der Wahl nicht über Zinsschritte in den Präsidentschaftswahlkampf einmischen will und deshalb lieber die Zinsen noch 2007 senken wird.
Wir dürfen gespannt sein, ich halte weitere US-Zinssenkungen in diesem tendenziell inflationären Umfeld für gefährlich.