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25.01.2008 16:00
"Das meiste ist Zockerei"
Nach Ansicht von Händler Dirk Müller hat der Milliardenbetrug bei der Société Générale den Crash in dieser Woche angeheizt. Die massiven Verkäufe der Dax-Kontrakte der Bank hätten die Verunsicherung erhöht und eine Kettenreaktion ausgelöst.
Quelle: Dirk Müller, einer der wohl bekanntesten Händler an der Frankfurter Börse, der auch als "Mr. Dax" gilt
boerse.ARD.de: Glauben Sie, dass der "kleine Händler" aus Paris den "schwarzen Montag" mit ausgelöst hat?
Müller: Ja, zu einem deutlichen Teil. Ursprünglich dachten wir, dass der Verkaufsdruck aus den USA durch den Kapitalabzug von US-Investoren kam, weil am Montag die Wall Street geschlossen war. Inzwischen scheint sich abzuzeichnen, dass es die Société Générale war, die mit ihren massiven Verkäufen von Dax-Kontrakten von Montag bis Mittwoch die Kurseinbrüche verschärft hat. Das zeigte sich besonders am Mittwoch. Als wir nach guten Vorgaben aus Japan eigentlich mit einer Erholung gerechnet hatten, drehte der Dax kurz nach Handelsstart wieder deutlich ins Minus.
boerse.ARD.de: Hat Jérôme Kerviel, der Händler von der Société Générale, auch zur radikalen Zinssenkung der Fed beigetragen?
Müller: Ja, er hat indirekt dazu beigetragen.
boerse.ARD.de: Händler sagen, es kam zu einer Kettenreaktion am "Schwarzen Montag" nach dem Verkauf der Dax-Kontrakte durch die SocGen? Wie lief das ab?
Müller: Wir hatten ein extrem schlechtes Marktumfeld. In den USA und in Asien waren die Kurse deutlich zurückgegangen. Aufgrund der negativen Vorgaben zog die Société Générale die Reißleine, da sie nicht abschätzen konnte, was noch passiert. Das große Volumen der Dax-Kontrakte, die die französische Großbank auf den Markt brachte, hat für weitere Verunsicherung unter den Börsianern gesorgt. Viele wollten verkaufen, aber nur ganz wenige kaufen. Die Situation wurde immer schlimmer. Verkäufe ohne Limits wurden aufgegeben. Hinzu kamen Stop-Loss-Verkäufe. Die Absicherungs-Orders haben die Talfahrt nach unten weiter beschleunigt. Wenn dann keine Käufer auftreten, schmieren die Kurse ab. So wie am vergangenen Montag.
boerse.ARD.de: Wie war es möglich, dass ein Händler solche gigantischen Verluste machen konnte, ohne dass jemand was merkte?
Müller: Dieser junge Händler, der neu im Geschäft war, hat versucht zu zeigen, was er kann, und auf riskante Geschäfte gesetzt. Das ging irgendwann dann so schief, dass er das Risiko verdoppelte – nach dem Händler-Grundsatz "if you are in trouble, double!" Er hatte nichts mehr zu verlieren und nutzte wahrscheinlich alle noch verbliebenen Möglichkeiten, die Sicherheitssysteme zu knacken, um seine Positionen wieder glatt zuziehen. Wäre der Markt wieder nach obengedreht, wäre der Skandal vielleicht gar nicht aufgeflogen.
boerse.ARD.de: Kann man so einfach kurz mal fünf Milliarden Euro verzocken?
Müller: Ja, das ist der absolute Wahnsinn. Wir haben inzwischen ein Finanzmoloch mit gigantischen Summen aufgeblasen. Die Mehrheit der Billionen-Geschäfte der Finanztransaktionen rund um den Globus sind reine Zockerei und Spekulation. Die Finanzwelt wird leider immer gieriger.
Das Interview führte Notker Blechner.
25.01.2008 16:00
"Das meiste ist Zockerei"
Nach Ansicht von Händler Dirk Müller hat der Milliardenbetrug bei der Société Générale den Crash in dieser Woche angeheizt. Die massiven Verkäufe der Dax-Kontrakte der Bank hätten die Verunsicherung erhöht und eine Kettenreaktion ausgelöst.
Quelle: Dirk Müller, einer der wohl bekanntesten Händler an der Frankfurter Börse, der auch als "Mr. Dax" gilt
boerse.ARD.de: Glauben Sie, dass der "kleine Händler" aus Paris den "schwarzen Montag" mit ausgelöst hat?
Müller: Ja, zu einem deutlichen Teil. Ursprünglich dachten wir, dass der Verkaufsdruck aus den USA durch den Kapitalabzug von US-Investoren kam, weil am Montag die Wall Street geschlossen war. Inzwischen scheint sich abzuzeichnen, dass es die Société Générale war, die mit ihren massiven Verkäufen von Dax-Kontrakten von Montag bis Mittwoch die Kurseinbrüche verschärft hat. Das zeigte sich besonders am Mittwoch. Als wir nach guten Vorgaben aus Japan eigentlich mit einer Erholung gerechnet hatten, drehte der Dax kurz nach Handelsstart wieder deutlich ins Minus.
boerse.ARD.de: Hat Jérôme Kerviel, der Händler von der Société Générale, auch zur radikalen Zinssenkung der Fed beigetragen?
Müller: Ja, er hat indirekt dazu beigetragen.
boerse.ARD.de: Händler sagen, es kam zu einer Kettenreaktion am "Schwarzen Montag" nach dem Verkauf der Dax-Kontrakte durch die SocGen? Wie lief das ab?
Müller: Wir hatten ein extrem schlechtes Marktumfeld. In den USA und in Asien waren die Kurse deutlich zurückgegangen. Aufgrund der negativen Vorgaben zog die Société Générale die Reißleine, da sie nicht abschätzen konnte, was noch passiert. Das große Volumen der Dax-Kontrakte, die die französische Großbank auf den Markt brachte, hat für weitere Verunsicherung unter den Börsianern gesorgt. Viele wollten verkaufen, aber nur ganz wenige kaufen. Die Situation wurde immer schlimmer. Verkäufe ohne Limits wurden aufgegeben. Hinzu kamen Stop-Loss-Verkäufe. Die Absicherungs-Orders haben die Talfahrt nach unten weiter beschleunigt. Wenn dann keine Käufer auftreten, schmieren die Kurse ab. So wie am vergangenen Montag.
boerse.ARD.de: Wie war es möglich, dass ein Händler solche gigantischen Verluste machen konnte, ohne dass jemand was merkte?
Müller: Dieser junge Händler, der neu im Geschäft war, hat versucht zu zeigen, was er kann, und auf riskante Geschäfte gesetzt. Das ging irgendwann dann so schief, dass er das Risiko verdoppelte – nach dem Händler-Grundsatz "if you are in trouble, double!" Er hatte nichts mehr zu verlieren und nutzte wahrscheinlich alle noch verbliebenen Möglichkeiten, die Sicherheitssysteme zu knacken, um seine Positionen wieder glatt zuziehen. Wäre der Markt wieder nach obengedreht, wäre der Skandal vielleicht gar nicht aufgeflogen.
boerse.ARD.de: Kann man so einfach kurz mal fünf Milliarden Euro verzocken?
Müller: Ja, das ist der absolute Wahnsinn. Wir haben inzwischen ein Finanzmoloch mit gigantischen Summen aufgeblasen. Die Mehrheit der Billionen-Geschäfte der Finanztransaktionen rund um den Globus sind reine Zockerei und Spekulation. Die Finanzwelt wird leider immer gieriger.
Das Interview führte Notker Blechner.