Das Kapital:Am Neuen Markt gibt es nicht nur Elend

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Hartkore_Diab.:

Das Kapital:Am Neuen Markt gibt es nicht nur Elend

 
31.07.01 00:43
Aus der FTD vom 31.7.2001  
Das Kapital: Am Neuen Markt gibt es nicht nur Elend

Der Neue Markt hat viele Probleme: Gewinnwarnungen, Insidergeschäfte, Bilanztricksereien, Pleiten und Größenwahn haben einen enormen Vertrauensschaden bei Anlegern angerichtet. Die Deutsche Börse stemmt sich reichlich spät und halbherzig entgegen.

Zweierlei ist derweil festzuhalten. Erstens, die Risikoprämie ist in den vergangenen Monaten zu Recht angestiegen. Am Neuen Markt sind kleine Nischenanbieter notiert. SAP mag der hereinbrechenden Konjunkturschwäche trotzen. Aber die Software-Häuser am Neuen Markt sind im Zweifel die Ersten, die eine Rezession vor den Konkursrichter zwingt. Zudem könnte sich der enger werdende Markt in einen Teufelskreis hineindrehen. Der handelbare Streubesitz des Gesamtmarktes dürfte geringer sein als bei der Hypovereinsbank. Die Umsätze sind seit Monaten im Trend rückläufig. Die Institutionelle verabschieden sich. Kurse und Umsätze sinken daraufhin weiter. Je enger der Markt wird, desto unattraktiver ist es für die Profis, wieder einzustiegen.

Aber - zum Zweiten - gibt es nicht nur Elend zu beklagen. Immerhin erzielte knapp die Hälfte aller Firmen 2000 einen Gewinn - oder sollte es nach Ansicht der Analysten tun, sofern noch keine Zahlen vorliegen. Und für diese Hälfte beträgt das Kurs-Gerwinn-Verhältnis rund 21; sie ist damit kaum teurer als der Dax. Bei den Technologiewerten und im Industrie-Segment haben drei Viertel schwarze Zahlen eingefahren. Jeweiliges 2001er-KGV: 16 bzw. 22 bei größeren Wachstumschancen als für Dax-Werte.


Analysten sind sicher notorisch optimistisch. Bei kleinen Werten und wenigen Schätzungen sind die Zahlen ohnehin mit Vorsicht zu genießen. Dennoch: Es müsste verwundern, wenn bei den aktuellen Bewertungsniveaus nicht einige Unternehmen einen Blick wert sein dürften.


Pfeiffer Vaccuum stellt Hochleistungspumpen her. Die Konjunktur fordert ihren Tribut, die Auftragseingänge sind rückläufig. Das Management zweifelt aber nicht am mittelfristigen Wachstum. Die Nettomarge liegt über zehn Prozent, das KGV für 2001 bei 14,7. Die immer noch gut profitable AT & S leidet als Chip-Hersteller an der Handy-Schwäche. Eine Gewinnwarnung fehlte natürlich nicht. Aber bei einem KGV von knapp Elf könnte vieles bereits eingepreist sein. Hartgesottene könnten sich auch die teurere Biodata anschauen, die Verschlüsselungs-Software herstellen und bislang dem Gegenwind standhalten. Ähnliches gilt für den Hersteller von künstlichen Knochen und Hüftgelenken, AAP Implantate.


Das Risiko bleibt höher als an anderen Märkten. Die Aktien wird es nicht von alleine nach oben treiben. Das auslösende Moment für eine Wende am Neuen Markt ist noch nicht in Sicht. Man wird wohl warten müssen, bis die konjunkterellen Frühindikatoren drehen. Aber bei einigen Werten könnte es sich lohnen, sie im Auge zu behalten. Und dann einsteigen - wenn sie bis dorthin nicht zu teuer geworden sind.



Kühne & Nagel


Es gibt sie noch, die Unternehmen, die sich erfolgreich gegen den Abschwung stemmen. Das Schweizer Logistik-Unternehmen Kühne & Nagel hat gestern nicht nur starke Zwischenzahlen vorgelegt, sondern auch die Gewinnprognose angehoben.


Kühne & Nagel profitiert von seiner Größe. Internationale Konzerne nutzen lieber einen einzelnen, weltweit aktiven Partner für ihre Logistik, anstatt mit zahlreichen Spediteuren zu verhandeln. Kühne & Nagel ist die Nummer eins bei der Seefracht und die Nummer fünf beim Warentransport mit dem Flugzeug. Das Unternehmen bietet seine Dienste an 600 Standorten in 90 Ländern an. In den USA hatten die Schweizer bisher noch Nachholbedarf. Mit der Übernahme von USCO hat Kühne & Nagel diese Lücke geschlossen. Der Schweizer Logistiker kostet das 13fache des für 2002 geschätzten Nettogewinns und das Sechsfache des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Goodwill (Ebitda). Konkurrent Stinnes ist schon für den 10fachen Nettogewinn und den Fünffachen Ebitda zu haben. Allerdings stammt bei Stinnes knapp die Hälfte des Umsatzes aus der Chemie- und Stahldistribution. Die beiden Sparten dürften etwas langsamer wachsen als das allgemeine Logistik-Geschäft.


Wenn die Integration von USCO klappt, könnte Kühne & Nagel in den kommenden Jahren deutlich stärker wachsen als der Markt. Das verschafft der Aktie Spielraum nach oben. Zumindest die nächsten beiden Quartale werden sich aber auch die Schweizer kaum der abkühlenden Wirtschaft entziehen können. Insbesondere das Frachtgeschäft nach Ostasien und Lateinamerika dürfte leiden. Das könnte die Aktie belasten. Aber wer ein längerfristiges Basisinvestment im Transportsektor sucht, kann mit Kühne & Nagel nicht viel falsch machen.



© 2001 Financial Times Deutschland
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