SEC erlässt neue Bilanzregeln für Öl- und Gasindustrie
Die US-Börsenaufsicht lässt demnächst eine sportlichere
Bilanzierung von Öl- und Gasfeldern zu. Ab dem Jahr 2010 können den geänderten
Richtlinien der SEC (Securities and Exchange Commission) zufolge auch nicht
nachgewiesene Reserven in den Unternehmensbilanzen aufgeführt werden. Die
Entscheidung der SEC wurde am Montag veröffentlicht.
Laut Beobachtern wird das zu einem deutlichen Anstieg der in den
Unternehmensabschlüssen ausgewiesenen Öl- und Gasreserven führen. Kritiker
monieren, dass die nach den neuen Regeln erstellten Abschlüsse nicht mit den
bisherigen vergleichbar seien. Zudem könnten Konzerne durch Aktivierung von
zusätzlichen Reserven ihre Gewinne aufblähen.
Durch den Bruch mit den jahrzehntelang gültigen Buchhaltungsrichtlinien können
Unternehmen neben den nachgewiesenen (proved) Reserven künftig auch mögliche
(possible) und wahrscheinliche (probable) Vorkommen an Gas und Öl bilanzieren.
Neuartige Ölvorkommen (Ölsande und Ölschiefer) dürfen zudem in Zukunft als Öl-
und Gasreserven ausgewiesen werden. Bisher mussten sie als förderbare
Bergbauvorkommen in der Bilanz aufgeführt werden.
Beobachtern zufolge hat die Öl- und Gasindustrie seit geraumer Zeit auf die SEC
eingewirkt, die neuen Bilanzregeln zuzulassen. Die Unternehmen haben nämlich
zunehmend Probleme, den Abbau ihrer nachgewiesenen Reserven durch neue Vorkommen
zu ersetzen. Neue Felder sind oft erheblich teurer in der Erschließung als die
alten, vielfach weitgehend ausgebeuteten Vorkommen. Zudem können Ölsande und
-schiefer zwar mittlerweile lukrativ ausgebeutet werden, doch konnten diese
Vorkommen nicht in der Bilanz als Ersatz für reguläre Ölvorkommen verwendet
werden.
Die SEC stellte am Montag heraus, dass die neuen Buchhaltungsregeln einstimmig
beschlossen worden seien und dem technischen Fortschritt geschuldet seien. "Die
geänderten Regeln tragen den erheblichen Veränderungen in der Öl- und
Gasindustrie Rechnung, die es seit Einführung der bisherigen Grundsätze vor mehr
als 25 Jahren gegeben hat", sagte John White, Leiter des Bereichs
Unternehmensbuchhaltung bei der SEC.
Als weitere Änderung werden die Reserven künftig mit dem Durchschnittspreis der
vorangegangenen zwölf Monate bewertet statt mit dem zum Bilanzstichtag
ermittelten Marktpreis.
Streitigkeiten zwischen SEC und Ölkonzernen sind nicht neu: 2004 hatte sich
Royal Dutch Shell mit der SEC auf die Zahlung einer Strafe von 120 Mio USD
geeinigt. Mit dem Vergleich wurden die Streitigkeiten um zu hoch ausgewiesene
Reserven beigelegt, welche die SEC dem Konzern vorgeworfen hatte.
Umweltorganisationen werteten die neuen Bilanzregeln als letzten Gefallen der
scheidenden Bush-Regierung für die Ölindustrie. Schließlich gehöre die Gewinnung
von Öl aus Ölsanden und Ölschiefern zu den CO2-trächtigsten Produktionsarten.
"Die Regeln mussten überarbeitet werden", räumte Steve Kretzmann, Leiter der
Umweltgruppe Oil Change International, ein. "Aber sie hätten auch des
verpflichtenden Ausweises des mit der Gewinnung einhergehenden CO2-Ausstoßes
bedurft", sagte er.
DJG/DJN/tow/bam