2001 » 24. Oktober » Brandenburg
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Schwarzes Gold aus dem Oderbruch
62 Tonnen Erdöl werden pro Tag aus Brandenburgs einziger Lagerstätte gefördert
Susanne Rost
KÜSTRIN-KIETZ. Zu Brandenburgs "Klein-Texas" führt ein holpriger Asphaltweg. Mitten in den menschenleeren Weiten des Oderbruchs liegt die Erdölquelle, auf Feldern zwischen Manschnow und Küstrin-Kietz. Rinder grasen vor dem Koloss aus silbernen Röhren und Behältern, der aus der Wiese aufragt. Die für Erdöl-Verarbeitung typische Flamme lodert hinter braun gewordenem Schilf hervor. Seit gut zwei Jahren fördert hier die Erdgas Erdöl GmbH (EEG) das "schwarze Gold". Die Kietzer Erdölquelle ist die einzige im Land Brandenburg - mittlerweile.
900 000 Tonnen Erdöl erbeutet
Zwei Dutzend Lagerstätten hat das früher in Gommern bei Magdeburg und nun in Berlin ansässige Unternehmen in den vergangenen 40 Jahren ausgebeutet, sagt Rainer Ihl von der EEG. Gesamtertrag: 900 000 Tonnen. Die erste Quelle wurde 1962 nahe Döbern in der Lausitz erschlossen. Bis 1990 wurden hier allein 160 000 Tonnen Erdöl gefördert. Das ergiebigste Ölfeld fanden Geologen bei Eisenhüttenstadt. Aus der so genannten Wellmitzer Lagune wurden 600 000 Tonnen der dunklen, intensiv riechenden Flüssigkeit gewonnen.
"Das letzte Erdöl aus der Lausitz" steht auf dem Etikett der braunen Glasflasche, die auf Harald Westphals Schreibtisch steht. Westphal leitet jetzt den Förderbetrieb von Brandenburgs letzter Erdölquelle in Kietz, früher war er in der Wellmitzer Lagune tätig. Dort wurde die Förderung im Oktober 1998 eingestellt, weil der Betrieb unrentabel geworden war. Seit zwei Jahren steht Westphals Schreibtisch in einem der Container, die sich neben dem silbernen Röhrenkoloss auf der Oderbruchwiese stapeln.
Elf Männer arbeiten hier, rund um die Uhr in drei Schichten. Pro Tag werden 62 Tonnen gefördert. Das Erdöl liegt in 2 750 Meter Tiefe in porösem Gestein. Im vergangenen Jahr "sprudelten" in Kietz rund 17 000 Tonnen Öl aus der Erde.
In Saudi-Arabien - dem Land, das weltweit am meisten Öl fördert - wäre die Kietzer Quelle nicht der Rede wert. "Aber in Deutschland gehört sie nicht zu den ganz kleinen", sagt Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung. Allerdings kommt fast die Hälfte des deutschen Erdöls aus einer einzigen Quelle: der "Mittelplate" in der Nordsee. 1,3 Millionen Tonnen wurden hier im vergangenen Jahr gewonnen.
In Kietz ist von dem Erdöl selbst gar nichts zu sehen: Es fließt in Edelstahlleitungen von der Bohrstelle in den Separator und von dort in die Tanks. Etwa zweieinhalb Stunden braucht das zunächst handwarme Öl für diesen Weg. Drei- bis viermal am Tag rollt ein Tanklastzug an, der das Öl aus den Tanks pumpt und in die Raffinerie nach Schwedt bringt. Für die Förderung, Reinigung und Lagerung des flüssigen Rohstoffs ist nur ein kleiner Teil der Anlagen in Kietz notwendig. Der größere Teil der Röhren, Behälter und Reaktoren dient zur Verarbeitung des Erdgases, das mit dem Öl nach oben kommt. "Das Erdgas hier hat einen sehr hohen Schwefelwasserstoffgehalt", sagt Westphal. Bevor das Gas weiterverarbeitet werden könne, müsse es davon befreit werden. Dieser Prozess sei sehr aufwändig und kompliziert. Deshalb sei die Förderstätte auch zu DDR-Zeiten nicht erschlossen worden.
Vorrat reicht noch gut zehn Jahre
18 500 Kubikmeter Gas werden nach Firmenangaben in Kietz pro Tag gefördert und aufbereitet. Über eine gut drei Kilometer lange Leitung kommt der Großteil des Erdgases in ein Blockheizkraftwerk in Manschnow. Mit der Wärme werden kommunale Wohnungen und die Gewächshäuser eines Gartenbauunternehmens geheizt, sagt Westphal. Ein Teil des Gases wird in elektrische Leistung verwandelt und in das örtliche Stromnetz eingespeist.
"Der Vorrat an Erdöl und Erdgas wird in zehn bis 15 Jahren ausgebeutet sein", sagt Harald Westphal, der Betriebsleiter. Die EEG hat in der Vergangenheit nach neuen Quellen forschen lassen - aber keine erschien rentabel. "Wenn die Kietzer Lagerstätte ausgebeutet ist", sagt Rainer Ihl, "wird es vermutlich keine Erdölförderung mehr in Brandenburg geben."
Weltweit der wichtigste Energieträger // Die Hauptbestandteile des Erdöls sind Kohlenstoff (80 bis 87 Prozent) und Wasserstoff.
Die Entstehung des Erdöls ist nicht restlos geklärt. Als wahrscheinlich gilt, dass es aus organischen Stoffen - wie Kleinpflanzen und -tieren - entsteht, die unter ganz besonderen Bedingungen (kein Sauerstoff; bestimmter Druck und Temperatur) verrotten.
Verarbeitet wird es zum einen u. a. zu Benzinen und Heizöl, zum anderen zu Kunststoffen. Erdöl gilt als weltweit wichtigster Energieträger.
Weltweit gefördert wurden im vorigen Jahr laut Esso AG 3,6 Milliarden Tonnen Erdöl - am meisten in Saudi-Arabien (439,8 Millionen Tonnen), den USA (351,8) und in der Russischen Föderation (325,8).
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 3,1 Millionen Tonnen Erdöl gefördert - und zeitgleich 129 Millionen Tonnen verbraucht.
Weltweit verbraucht wurden laut Esso AG 3,5 Milliarden Tonnen Erdöl. Die Ölreserven weltweit betrugen 139,7 Milliarden Tonnen.
Infos unter www. esso. de