Von Wolfgang Hirn
Chinas Bankensystem ist der Schwachpunkt des Wirtschaftswunderlandes. Im Mittelpunkt der Misere stehen die vier großen Staatsbanken und deren irrsinnige Kreditvergabe. Nur radikale Reformen können das Schlimmste verhindern.
Zhang Enzhao (58) kennt in China kaum jemand und draußen in der Welt erst recht nicht. Doch dieser unbekannte Chinese ist eine der zentralen Figuren im Riesenreich. Macht er seinen Job gut, kann das chinesische Wirtschaftswunder weitergehen; wenn nicht, hat China ein großes Problem - und damit auch die Weltwirtschaft.
Zhang ist Chef der China Construction Bank (CCB), einer der vier großen Staatsbanken.
Die CCB ist ein kaum mehr überschaubares Institut: mehr als 21.000 Filialen, 310.000 Mitarbeiter und jede Menge faule Kredite.
Diesen Moloch soll Zhang reformieren, schlanker und effizienter machen und möglichst bald an die Börsen in Hongkong und New York bringen. Eine Mammutaufgabe für den Mann, der die CCB seit Januar 2002 führt.
Die Reform des Geldhauses und der drei anderen großen staatlichen Institute ist derzeit das zentrale Thema in China. Auf der Agenda der politischen Führung steht sie ganz oben. Denn die Herren in Peking haben richtig erkannt: Gibt es einen Banken-Crash, bricht das ganze System zusammen.
Im Mittelpunkt der Misere stehen die vier großen Staatsbanken:
Neben der CCB sind dies die Bank of China, die Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) und die Agricultural Bank of China (ABC). Sie kontrollieren rund 70 Prozent des chinesischen Finanzmarktes.
Alle vier sind schwerfällige Kolosse. Sie betreiben riesige Filialnetze, haben viel zu viel Personal und noch mehr Wertberichtigungsbedarf. Ende 2003 betrug das Volumen fauler Kredite 232 Milliarden Dollar.
Die "großen Vier" tragen schwer an der Last der Vergangenheit. Ihre Hypothek sind die so genannten politischen Kredite, die sie jahrelang vergeben mussten.
Parteibonzen, Provinzgouverneure oder Bürgermeister wiesen die lokalen Bankfilialen an, wem sie wie viel Kredit zu geben hatten. Widerspruch war nicht vorgesehen. So bekamen Staatsunternehmen Millionendarlehen, ob sie kreditwürdig waren oder nicht. Wichtiger war, dass die Firmen am Leben blieben und keine Arbeitslosen produzierten. So erkauften sich die Provinzpolitiker Ruhe an der sozialen Front.
Eine Bonitätsprüfung gab es nicht, und sie war auch nicht gewollt. Denn nur so konnten sich Bürgermeister und Provinzfürsten steinerne Denkmäler in Form von Einkaufszentren oder Vergnügungsparks bauen. Der Kredit kam von der lokalen Filiale einer der Staatsbanken. Man kannte sich ja.
"Kredite wurden geradezu irrsinnig vergeben", sagt Ivo Naumann, Bankenexperte bei Roland Berger in Shanghai. Oft wurden sie kriminell ergaunert, allzu häufig unverantwortlich verschleudert.
Ein typisches Beispiel: Ein Zigarettenpapierhersteller wollte diversifizieren. Weil das Autogeschäft in China boomt, baute er eine hochmoderne Fabrik für Autofelgen. Die Investition über 60 Millionen Euro war komplett kreditfinanziert. Weil der Unternehmer jedoch keine Ahnung vom neuen Geschäft hatte, scheiterte das Projekt, und die Bank hatte 60 Millionen Euro an neuen faulen Krediten.
Diese aberwitzige Kreditvergabe bescherte den Staatsbanken enorm hohe Raten an Risikokrediten. Wie hoch sie wirklich sind, wissen nur Insider. Die Staatsbanken geben jeden Monat ihre Raten bekannt. Derzeitiger Stand: unter 20 Prozent. Tendenz: sinkend.
Westliche Beobachter sagen, diese Zahlen seien geschönt. Die Ratingagentur Standard & Poor's zum Beispiel schätzt den Anteil fauler Kredite bei den vier Staatsbanken auf 45 Prozent. "Technisch bankrott", lautet ein vernichtendes Urteil.
Doch der Staat, Eigentümer der Banken, wird einen Konkurs nicht zulassen. Ein Aufstand von Millionen chinesischen Sparern wäre mit Sicherheit die Folge. Denn die tragen ihr Erspartes mangels Alternative - die beiden Zockerbörsen in Shanghai und Shenzhen sind keine - brav zur Filiale an der Ecke und finanzieren mit ihrer hohen Sparquote von rund 40 Prozent das gigantische Kreditsystem des Riesenreichs.
Die Regierung in Peking hat deshalb kein Interesse an einem Bankrott der Staatsbanken, abgesehen davon, dass dies eine Finanzkrise mit fatalen Folgen für die Weltwirtschaft auslösen würde.
Die Politik hat aber auch erkannt, dass sie dem chaotischen Treiben ihrer Staatsbanken nicht länger zuschauen kann. Anders als die asiatischen Regierungen, die im Sommer 1997 ziemlich ahnungslos in eine schwer wiegende monetäre Krise schlitterten, wissen die Herrscher in Peking, dass sie ein Bankenproblem haben. Dementsprechend handeln sie.
Das autoritäre System ist dabei ein Vorteil: Die Regierung kann ohne lange Diskussionen und großen Widerspruch Reformen verordnen. So gründete sie für jede der vier Staatsbanken eine Abwicklungseinheit für Risikokredite. Diese versuchen, einen Teil der faulen Kredite zu verkaufen oder einzutreiben.
Zusätzlich griff der Finanzminister Silvester 2003 mal eben in die volle Kiste der Währungsreserven (Inhalt: über 400 Milliarden Dollar), und beglückte die Bank of China und die CCB mit 45 Milliarden Dollar, verbunden mit dem strengen Hinweis, endlich die Bilanzen in Ordnung zu bringen.
Seitdem übt die Regierung enormen Reformdruck auf die Banken aus. Vor allem Premierminister Wen Jiabao (61) mahnt. Drei Jahre gebe er den Banken Zeit, dann müssten sie international wettbewerbsfähig sein. Wenn er besonders wütend ist, bezichtigt er die Bankmanager schon mal der Unfähigkeit.
Wens wichtigster Kombattant ist Liu Mingkang (59). Er ist Chef der Bankenaufsichtsbehörde CBRC, die sich im April 2003 von der Zentralbank abspaltete. Liu ist international erfahren. Er hat in London studiert, spricht hervorragendes Englisch. Die ausländische Banking Community schätzt den jovialen Ex-Zentralbanker. "Der ist einfach gut", sagt Peter Schmidt, Leiter des Pekinger Büros der Dresdner Bank, "wenn einer die Bankenreform durchziehen kann, dann er."
Liu und sein 400-köpfiges Team - die meisten von ihnen kamen von der Zentralbank - umgeben sich mit einem international renommierten Beraterstab. Zu ihm gehören Sir Howard George, der ehemalige Governor der Bank of England, Andrew Crocket, früherer BIZ-Chef, und Sir Howard Davies, Ex-Chef der britischen Finanzaufsicht. Davies lobt Lius Team: "Die CBRC hat bereits in einem Jahr ein hohes Ansehen erworben."
Die CBRC greift hart durch. Von den Banken fordert sie statt jährlicher nun monatliche Reports über faule Kredite. Sie veröffentlicht schwarze Listen von angeschlagenen Unternehmen, denen die Institute kein Geld mehr geben sollten.
Berater Davies fordert: "Die chinesischen Banker müssen lernen, viel öfter Nein zu sagen." Vor allem Nein zu dubiosen Kreditnehmern. Dazu müssen die Banken jedoch erst einmal ein funktionierendes Kreditrisiko-System installieren, was bislang keine der Staatsbanken hat.
Ihnen fehlen durchweg die Strukturen, die westliche Institute auszeichnen. Aufsichtschef Liu sagt zu Recht: "Die Einführung einer zuverlässigen Corporate Governance ist das Schlüsselelement der Bankenreform."
Die CBRC hat deshalb im Frühjahr Corporate-Governance-Richtlinien herausgegeben. In 26 Artikeln wird dort aufgelistet, wie die Banken sich künftig organisieren müssen, zum Beispiel Hauptversammlungen abhalten und einen Aufsichtsrat mit unabhängigen Experten installieren. Liu fordert: "Die Banken brauchen frisches Blut, vor allem durch Talente von außerhalb." Er denkt auch an Board-Mitglieder aus dem Westen.
Die Corporate-Governance-Richtlinien gelten zunächst nur für zwei Institute: die China Construction Bank und die Bank of China. Sie wurden von der Regierung und CBRC als "Pilot-Banken" für die Reformen ausgewählt. Simpler Grund: Die beiden stehen von den "großen Vier" am besten da.
Nach dem Fahrplan der Regierung sollen sie bald an die Börse gehen: Die CCB möglichst noch Ende dieses Jahr, die Bank of China Anfang 2005. Zwischen 20 und 25 Prozent des Kapitals sollen gelistet werden. Der Staat bleibt also auch nach dem IPO der dominierende Eigentümer.
Geplant sind Listings in Hongkong und New York. Die Börsengänge - so das Kalkül der Regierung - sollen die beiden Banken zwingen, noch schneller ihre nötigen Hausaufgaben in Sachen Reform zu machen, schließlich müssen sie vor den strengen Augen der US-Aufsichtsbehörde SEC bestehen.
Helfen sollen ihnen dabei strategische Investoren aus dem Ausland. Sie sollen Geld und - noch viel wichtiger - Know-how einbringen. Dutzendfach werden derzeit auf diversen Ebenen Gespräche geführt. Angesprochen werden nicht nur Banken, sondern auch Private-Equity-Firmen und Versicherungen. Alles, was in der Finanzwelt Rang und Namen hat, steht auf der Wunschliste, darunter Allianz und Deutsche Bank .
"Doch was sollen wir mit einem 3-Prozent-Anteil an der Bank of China?", fragt ein deutscher Finanzmanager in Peking. Andere fragen sich das nicht. Demnächst wird die Bank of China ihre fünf oder sechs strategischen Investoren präsentieren.
Die Regierung versucht dabei, mit - sagen wir mal - etwas unlauteren Methoden, ausländische Banken in ein Engagement zu zwingen. Sie stellt sie vor die Wahl: Beteiligung an einer Bank, sonst gibt es kein Mandat beim Börsengang.
Und diese IPO-Mandate sind lukrativ. Der Börsengang der CCB, der weltweit sicher einer der größten dieses Jahres sein wird, soll 6 bis 7,3 Milliarden Dollar in die Kassen spülen. Das wirft für die begleitenden Investmentbanken 150 bis 182 Millionen Dollar an Gebühren ab. Kassieren werden dies bei der CCB vor allem die Citigroup und Morgan Stanley . Sie bekamen den Zuschlag und nicht die Deutsche Bank , für die sich gar Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem Brief an die Regierung stark gemacht hatte.
Die Investmentbanken der Bank of China werden derzeit ausgewählt. Noch etwas Zeit lassen sich die ICBC und die ABC. Ihre Börsengänge sind erst für Ende 2005 und Anfang 2006 geplant.
Die IPOs der "großen Vier" sind ein ehrgeiziges Projekt. Womöglich zu ambitioniert? Erste Kritik wird bereits laut: "Das Tempo ist zu schnell", sagt Zuo Dapei, Wirtschaftsforscher an der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften. Aber CBRC-Vorsitzender Liu Mingkang kontert: "Es ist gar keine Frage, dass diese Reform eine extreme Herausforderung für die Banken ist." Aber er und die Regierung wollen den Druck nicht von den Banken nehmen.
Beide wissen, dass das Zeitfenster für die Reform der vier Staatsbanken klein ist. Jetzt - so ihr Petitum - müssen diese wettbewerbsfähig gemacht werden. Denn schon lauern die Konkurrenten, die ihnen ihre überragende Marktstellung streitig machen wollen und die Staatsbanken ernsthaft gefährden können.
Das sind zum einen die zehn aufstrebenden chinesischen Häuser in der zweiten Reihe. Sie haben ein besseres Management, und sie sind wirtschaftlich deutlich gesünder als die vier großen Staatsbanken.
Zudem drängen ausländische Institute auf den lukrativen Markt mit den hunderten von Millionen Sparguthaben. Am aggressivsten sind die HSBC sowie die Citibank. Mit etwas Abstand folgen die Bank of America und Standard Chartered . Sie bauen sukzessive ein kleines Filialnetz auf. Noch hindern staatliche Restriktionen sie an einem schnelleren Ausbau.
Aber ab dem 11. Dezember 2006 dürfen die ausländischen Banken richtig loslegen. Dann endet die fünfjährige Schonfrist, die nach dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO ausgehandelt wurde.
Dieses Datum erklärt auch den enormen Reformdruck, den die Regierung ausübt. Spätestens dann müssen auch die vier Staatsbanken wettbewerbsfähig sein, wollen sie nicht einen Großteil ihrer Einlagen an die Konkurrenz aus dem In- und Ausland verlieren.
Gerade ausländische Banken haben bei den Chinesen enormen Kredit. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Beratungsfirma Bain ergab, dass 35 Prozent der Chinesen sofort bereit wären, mit ihrem Konto zu einem ausländischen Institut zu wechseln. Weitere 40 Prozent wollen abwarten, schließen einen solchen Schritt aber nicht aus.
Angesichts dieser drohenden Gefahr entdecken die Staatsbanken plötzlich den privaten Kunden, dem sie bisher nur auf der Einlagenseite begegnet sind. Und dessen Spareinlagen sie mit einem mickrigen - staatlich festgelegten - Zinssatz belohnt haben.
Nun fordern die Chinesen aber Kredite, um Autos, Möbel, Wohnungen oder die Ausbildung ihres verhätschelten Einzelkindes zu finanzieren. Die Staatsbanken reagieren. Sie bieten Darlehen an, geben Kreditkarten aus, und für die zunehmende Schar der Reichen etablieren sie Private-Banking-Abteilungen.
So installierte die Bank of China in Shenzhen, der boomenden Nachbarstadt Hongkongs, erstmals ein "Wealth Management Center". Wer 60.000 Dollar Vermögen hat, darf eintreten und kommt in den Genuss diverser Privilegien - vom Besuch einer eigenen VIP-Lounge am Flughafen bis zu einem kleinen Geburtstagsgeschenk.
Doch das Privatkundengeschäft birgt große Risiken. Die Banken müssen aufpassen, dass sie nicht, wie beim Firmenkundengeschäft, allzu leichtfertig Kredite vergeben.
Denn noch gibt es keine chinesische "Schufa". Lediglich in der Finanzmetropole Shanghai existiert ein Shanghai Credit Information Service (SCIS), der bereits Daten über das Zahlungsverhalten von 3,7 Millionen Shanghaiern gesammelt hat. Ein nationales Kreditbüro hingegen ist erst in der Planung und wird angesichts der Datenflut noch ein paar Jahre auf sich warten lassen.
So wird mangels Informationen und lascher Kontrolle sicher noch häufiger passieren, was jüngst in Shanghai Schlagzeilen machte: Ein Chinese schaffte es, sechs Kreditkarten bei der gleichen Bank zu haben. Erst als er dreist die siebte beantragte, flog der Schwindel auf.
Übernahmekandidaten
Banken in der zweiten Reihe: Kleiner, besser, sauberer
Das ist ein Novum in Chinas Bankenszene: Die Minsheng Bank stellt derzeit drei so genannte Chief Loan Officers ein - je einer für den Norden, Osten und Süden des Landes. Über ihre Schreibtische laufen alle Kreditanträge, die in den Filialen eingehen. Riechen die Neuen potenzielle faule Kredite, können sie ein Veto einlegen. Die Selbstherrlichkeit der Filialleiter, in Chinas Banken sonst gang und gäbe, ist damit vorbei.
Die fortschrittliche Minsheng Bank gehört zu den Geldhäusern in der zweiten Reihe, die sich erfolgreich hinter den vier großen Staatsbanken etablieren. Zehn Institute zählen zum Kreis der Aufsteiger. Die bekanntesten sind neben der Minsheng Bank die Bank of Communications, die China Everbright Bank, die China Merchants Bank, die Shanghai Pudong Development Bank und die Shenzhen Development Bank.
Sie sind alle viel gesünder als die maroden Staatsbanken. Da sie erst in den vergangenen 10 bis 15 Jahren gegründet wurden, leiden sie nicht unter den Altlasten der Big Four. Sie waren nicht gezwungen, "politische" Kredite an Staatsunternehmen zu geben. Ihr Anteil an faulen Krediten ist deshalb mit rund 7 Prozent wesentlich niedriger als der der Staatsbanken mit knapp 20 Prozent.
Sie haben auch - weil eher regionale Banken - keine gigantischen Filialnetze wie die "großen Vier" und kommen mit deutlich weniger Personal aus. Ihre Manager sind jünger und meist besser - viele sogar im Ausland - ausgebildet. An ihrer Spitze stehen richtige Banker, keine Apparatschiks.
Immer mehr ausländische Finanzinstitute, die auf dem chinesischen Markt Fuß fassen wollen, schielen deshalb auf diese Banken in der zweiten Reihe. "Viele ausländische Banken sind am Erwerb eines Anteils interessiert", sagt Bankenexpertin Melissa Thomas von der Anwaltskanzlei Freshfields in Peking.
Noch darf ein ausländisches Institut nicht mehr als 20 Prozent an einem chinesischen Geldhaus halten. Aber das schreckt die potenziellen Investoren nicht ab. Sie betrachten den Einstieg als strategisches Investment.
Die Ersten haben schon zugeschlagen. Die Citigroup hält 5 Prozent an der Pudong Development Bank, die amerikanische Investmentgesellschaft Newbridge Capital 18 Prozent an der Shenzhen Development Bank. Und soeben ist die HSBC mit knapp 20 Prozent bei der Bank of Communications eingestiegen. Geschätzter Kaufpreis: eine Milliarde Dollar.
Ivo Naumann, Bankenberater bei Roland Berger in Shanghai, sagt: "Das sind keine gigantischen Beträge. Großbanken können sich hier noch günstig einkaufen." Er taxiert den Kreis potenzieller ausländischer Investoren auf zehn bis zwölf Banken aus Frankreich, Japan, den Niederlanden, der Schweiz und den USA.
Und die Deutschen? Naumann: "Die sind inzwischen zu klein für solche Deals."
Immobilienhai raubt Bank aus
Betrügereien: Gauner können in China leicht Millionen erschwindeln
Zhou Zhengyi machte eine Karriere, wie sie derzeit im boomenden Shanghai häufiger vorkommt - vom Nudelsuppenverkäufer zum Immobilientycoon. Auf der "Forbes"-Liste der 100 reichsten Chinesen schaffte er es bis auf Platz elf. Dann stürzte er ab - und riss gleich einige Topbanker mit in den Abgrund.
Zhou, ein stadtbekannter Lebemann, wurde Ende Mai wegen Aktienmanipulation und Fälschens von Dokumenten zu drei Jahren Haft verurteilt. Er soll unter anderem mit seinem undurchschaubaren Firmenimperium Kredite von mindestens 242 Millionen Dollar erschwindelt haben.
Leichtfertiger Geldgeber war die Shanghai-Niederlassung der Bank of China. Mehrere Topbanker, die offenbar mit Zhou gemeinsame Sache machten, wurden bereits entlassen, darunter der Shanghai-Chef Liu Jinbao. Und sein Nachfolger Zhou Yu sei auch schon nicht mehr im Amt, heißt es.
Landauf, landab gibt es im Riesenreich immer wieder Skandale und Skandälchen im Finanzgewerbe. Banker, Bürokraten und Unternehmer kungeln untereinander und schieben sich auf lokaler und auf Provinzebene die Millionen zu. Die Bankenzentralen im fernen Peking bekommen meist nichts mit von den dubiosen Machenschaften in den Provinzen.
Schließlich gibt es nach wie vor kein funktionierendes Berichtswesen innerhalb der Banken. Und die Zahl ihrer Kontrolleure ist viel zu gering, um all die täglichen Unregelmäßigkeiten aufzudecken. So bleiben nur sporadische Erfolge.
Als die Inspektoren der China Construction Bank einmal durch die südliche Provinz Guangdong tourten, fanden sie heraus, dass in acht ihrer Niederlassungen illegale Geschäfte betrieben wurden. Sie entdeckten geheime Konten, getürkte Gewinnausweise und immer wieder höchst fahrlässig vergebene Kredite über insgesamt 100 Millionen Euro. Rund 500 Mitarbeiter der CCB wurden deshalb bestraft, einige entlassen.
Mittlerweile hat sich auch ein investigatives Wirtschaftsmagazin in China etabliert, das eng mit den Fahndern kooperiert. Es heißt "Caijing" und deckt immer wieder Bankenskandale auf. In seiner Juli-Ausgabe beschreibt das Blatt einen gigantischen, ja fast unfassbaren Skandal.
Ein Unternehmer namens Feng Mingchang hat in Nanhai (Provinz Guangdong) im Laufe mehrerer Jahre knapp 900 Millionen Dollar von der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) erschwindelt. Viele angegebene Sicherheiten - wie zum Beispiel Wälder in Malaysia und Neuseeland - waren nicht existent oder fast gar nichts wert.
Feng sitzt inzwischen im Knast, aber hunderte der ergaunerten Millionen lagern irgendwo im Ausland.