Die explodierenden Öl- und Benzinpreise in den USA schmerzen nicht nur Autofahrer, sondern auch Anleger: Die Sprit-Krise schlägt auf die Verbraucherstimmung und droht die Quartalsbilanzen des Frühjahrs zu drücken. Betroffen sind vor allem Fluggesellschaften und Autokonzerne.Teurer Sprit bremst die Börse
New York - Für Tom Griffith begann der erste Frühlingsausflug dieses Jahres mit einer bösen Überraschung. Wie Tausende andere New Yorker auch, zogen ihn am Wochenende die milden Temperaturen ins Freie. Er holte seinen Wagen aus der Garage und machte als erstes an einer BP-Tankstelle an der First Avenue halt. Der Benzinpreis verdarb ihm jedoch den Rest des schönen Tages: 1,99 Dollar pro Gallone - ein neuer Jahresrekord. "Da kann ich ja gleich mit dem Taxi fahren", murrte Griffith.
Deutsche Autofahrer würden über solche Preise zwar nur müde lachen: 1,99 Dollar pro Gallone sind umgerechnet knapp 0,43 Euro pro Liter. Der niedrige Vergleichswert erklärt sich dadurch, dass die US-Mineralölsteuer weit niedriger ist als die deutsche. Für die Amerikaner allerdings, deren Straßenpanzer den Sprit nur so fressen, ist das ein Schock - nicht zuletzt auch wegen der Geschwindigkeit der Preisexplosion: Allein in diesem Jahr stiegen die Spritkosten bisher um durchschnittlich 26 Cents pro Gallone. Die psychologische Schallgrenze von zwei Dollar pro Gallone, so warnen Experten, dürfte spätestens in diesem Frühjahr landesweit fallen.
Aufschwung in Frage
Für die Wall Street sind das nicht unbedingt gute Nachrichten. Öl-Futures liegen, mit über 38 Dollar pro Barrel, auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren. Tendenz steigend: "Die Energiemärkte sind reif für einen Durchbruch über 40 Dollar", prognostiziert Marktexperte Kevin Kerr. Die Folge: Höhere Energiepreise drücken die Verbraucherstimmung und drohen auch, die kommenden Frühjahrsbilanzen durcheinander zu bringen - jenen einzigen Hoffnungsschimmer, den Investoren dieser Tage hegen, angesichts des volatilen Marktes der letzten Wochen, der Dauermisere auf dem US-Arbeitsmarkt und neuer Terror-Angst.
Die Termine der Woche
Volkswirtschaft (Erwartung/Vormonat):
Montag:
Keine Konjunkturdaten angemeldet.
Dienstag:
Redbook Einzelhandels-Index (k.A./-0,5%)
ABC/Money Verbraucher-Zuversicht (k.A./-22).
Mittwoch:
Gebrauchsgüter-Aufträge, März (+1,5%/-2,3%)
Donnerstag:
Wöchentliche Arbeitslosenanträge (+4000/-6000)
Bruttoinlandsprodukt, 4/2003, bereinigt (+4,1%/+4,1%)
Freitag:
Persönliches Einkommen, Februar (+0,3%/+0,2%)
Persönliche Ausgaben, Februar (+0,4%/+0,4%)
University of Michigan, Verbraucherstimmung (94,0/94,4)
Bilanzen (Erwartung, $ pro Aktie):
Montag:
American Healthways (0,15)
Carnival Corporation (0,22)
Cincinnati Bell (0,09)
PalmOne (-0,33)
Walgreen (0,42)
Wolseley (0,00)
Dienstag:
Arrow International (0,33)
Goldman Sachs (1,66)
Mittwoch:
Sonic Corp. (0,23)
Donnerstag:
Altair Nanotechnologies (-0,04)
ConAgra Foods (0,38)
Sharper Image (1,40)
Freitag:
EchoStar Communications (0,09)
Schöne Aussichten: Die brummende US-Konjunktur nährt den Energiebedarf, doch die schwindenden Öl-Reserven der USA liegen mit rund 198 Millionen Barrel um fünf Prozent unter dem Fünfjahresschnitt. Obendrein droht das arabische Ölkartell Opec mit Produktionskürzungen. Die Turbulenzen bei Royal Dutch/Shell sowie politische Unruhen in Venezuela, dem fünftgrößten Ölexporteur der Welt und einem der wichtigsten US-Lieferanten, tun das ihre, die Börsianer zu beunruhigen.
Zwar werden viele Firmen diese neuen Kosten zunächst einfach an ihre Kunden weitergeben. Dennoch: "Wenn der Stellenmarkt nicht wächst und die Ölpreise so hoch bleiben", sagt der New Yorker Investmentstratege Jeff Kleintop, von PNC Advisors "könnte dies das generelle Tempo des Aufschwungs in Frage stellen, was wiederum die Firmen beeinträchtigt."
Hoffnung für Hybrid-Autos
Die Prognosen der Wall-Street-Analysten für die Quartalssaison dürften auf jeden Fall ziemlich daneben liegen: Sie basierten nämlich auf einem Ölpreis von 31 Dollar pro Barrel. "Analysten neigen dazu, den Ölpreis zu unterschätzen", weiß Joe Cooper, selbst ein Analyst (Thomson First Call).
Am verwundbarsten bei einer solchen Entwicklung ist natürlich zunächst die Autobranche. Vor allem Benzinverschwender wie Trucks und die populären Sports Utility Vehicles (SUV) dürften sich in den nächsten Monaten schlechter verkaufen. "SUVs sind der größte Renner für die Autohersteller", sagt Marc Prado, Marktstratege bei Cantor Fitzgerald. "Wenn die Ölpreise so hoch bleiben, könnte man weniger Käufe sehen." Profitieren würden davon jedoch die neuen Hybrid-Wagen, die von einer Mischung von Benzin und Batterien angetrieben sind. Hier hinkten die Produzenten jedoch noch weit hinterher.
2,3 Milliarden Dollar Verlust
Auch dem Luftfahrtsektor bereiten die Ölpreise Sorgen. Der Airlines-Index der American Stock Exchange stürzte schon vorige Woche um 7,9 Prozent ab, der entsprechende Dow-Jones-Teilindex war der Verlierer der Woche (minus 6,6 Prozent). Die Aussichten der geprügelten US-Fluggesellschaften auf baldige Erholung, schreibt UBS Investment Research in einem aktuellen Bericht, "schwinden schnell", unter anderem wegen gesunkener Umsätze und steigender Flugbenzinpreise. Hinzu kommt, dass die Preisexplosion nicht nur die Airlines völlig überrascht hat: Auch viele Börsianer hatten erwartet, dass der Verlauf des Irak-Kriegs die Preise drücken würde. UBS erwartet deshalb, dass die gesamte Branche in diesem Jahr 2,3 Milliarden Dollar Verlust einfährt - fast fünfmal so viel wie bisher angenommen.
Freuen darf sich dagegen die Energiebranche und vor allem jene Service-Unternehmen, die in der Ölförderung und -produktion tätig sind. "Energiefirmen werden alle Umsatzprognosen weit übertreffen", ahnt der New Yorker Investmentstratege Joe Kalinowski (Puglisi). Der Dow Jones Pipelines Index legte schon vorige Woche in Erwartung 2,3 Prozent zu.
"Nation hilfloser Opfer"
Die verwöhnten US-Autofahrer gucken unterdessen dumm. Der US-Automobilclub AAA hat seine Mitglieder jetzt zur "Gallonen-Sparwoche" aufgerufen und dazu, eine "Öl-Unabhängigkeitserklärung" zu unterzeichnen, um den Ölstaaten eine "Message" zu senden. "Es ist Zeit, dass die Amerikaner dieses Thema in die Hand nehmen", sagt Jackie Leo, Chefredakteurin des Lesezirkel-Blatts "Reader's Digest", das die Aktion mitorganisiert. "Sonst werden wir zu einer Nation hilfloser Opfer."
spiegel.de