Börsengeschichte

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juliusamadeus:

Börsengeschichte

 
14.01.03 20:41
Der schwarze Montag am 19. Oktober 1987




Werden Börsianer heute nach dem schlimmsten Börsencrash befragt, so kommt als häufigste Antwort neben dem Crash des Jahres 1929 fast gleichzeitig auch der des Jahres 1987. Immerhin brach an jenem 19. Oktober 1987 der Dow Jones um über 500 Punkte ein. Die enge Vernetzung der Wirtschaften und die immer weiter vorangeschrittene Computerisierung des Handels führte damals zu einem weltweiten Kurseinbruch der Aktienmärkte. Gleichzeitig war die Krise auch die erste wirkliche Bewährungsprobe für den neuen US-Notenbankchef Alan Greenspan.

Der Aufschwung der 80er Jahre begann in einer politisch äußerst angespannten Lage. Nach dem erdrutschartigen Sieg des Republikaners Ronald Reagan bei der US-Präsidentenwahl 1980 setzte der als konservativ bekannte Reagan viele Energien in die Erneuerung des amerikanischen Selbstbewußtseins, das durch den Vietnamkrieg und die Watergate-Affäre stark gelitten hatte. Die Wiederherstellung der weltweiten Führungsposition der Vereinigten Staaten sollte vor allem in den Bereichen Militär und Wirtschaft erfolgen. Reagan senkte zunächst drastisch die Steuern und baute vor allem im Sozialbereich die Staatsausgaben rigoros ab. Gleichzeitig erhöhte er die Rüstungsausgaben enorm und begann ein neues Wettrüsten. So beschloss Reagan ohne die politisch Verbündeten zu unterrichten den Bau der Neutronenbombe und initiierte ein stark umstrittenes Raketen-Abwehrsystem. Damit wurde Anfang der Achtziger die Gefahr eines Atomkrieges erneut eines der Hauptgesprächsthemen von Politik und Gesellschaft.

Der Aktienmarkt hatte 1982 eine lange Seitwärtsbewegung hinter sich. So schaffte es der Dow Jones, der im November 1972 die 1000 Punkte-Marke überschritten hatte, erst knapp elf Jahre später am 24. Februar 1983 auch erstmals die 1100 zu überwinden. Auch in Deutschland hatte es der Index der Börsenzeitung im Jahr 1982 mit einem Schlusstand von 552 Punkten gerade einmal geschafft das Niveau vom Dezember 1972 zu überbieten. Die Schwankungsbreite lag bei nur 100 Punkten. In Deutschland hatte der Index mit dem von der AEG im Jahr 1982 beantragten Vergleichsverfahren im Juni 1982 bei rund 500 Punkten (Index der Börsenzeitung) einen neuen Jahrestiefststand erreicht. Das reale Bruttosozialprodukt lag bei minus einem Prozent und die Arbeitslosigkeit war 1982 erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik auf über 2 Millionen geklettert. Die Ausgangslage für die Börsen schien also alles andere als positiv. Doch genau in dieser Phase begann eine der längsten Aufwärtsbewegungen, die die Börse bislang gesehen hat. Ausgangspunkt war wie so oft der amerikanische Aktienmarkt. Die Stärkung der Wirtschaft durch Reagan zeigte erste Wirkungen. In der dritten Augustwoche zeigte sich die Wall Street dann in ausgesprochener Rekordlaune, was schließlich auch in anderen Teilen der Erde zu steigenden Kursen führte. Die Superhausse, die mit kurzen Unterbrechungen bis ins Jahr 2000 anhalten sollte, war geboren. Der DAX, das deutsche Leitbarometer, konnte in den folgenden Jahren deutlich zulegen, wie die folgende Tabelle beweist:

Indexstand     Performance
Dezember 1982 552,80     -
Dezember 1983 774,00     40,01%
Dezember 1984 820,90     6,06%
Dezember 1985 1366,20     66,43%
Dezember 1986 1432,30     4,84%


Auch der Dow konnte bis 1986 um fast 1000 Punkte zulegen. Doch die Hausse stand auf wackeligen Beinen.

Zwischen 1981 und 1987 hatten sich die Industrie-Nationen ungewöhnlich gegenläufig entwickelt. Einerseits mit einem Defizit auf amerikanischer Seite und Überschüssen vor allem auf japanischer und deutscher Seite andererseits. Nach dem Amtsantritt Reagans stieg der Dollar wieder mehr in der Gunst der Märkte und die restriktive Geldpolitik der US-amerikanischen Zentralbank unter dem Vorsitzenden Paul Volker konnte die Nachfrage nach der US-Währung weiter steigern. Bis 1982 wurde die Währung mehrmals aufgewertet. Als der Dollar im Februar 1985 erneut um 20 Prozent anstieg, regten sich erste Stimmen, die ein solches Ungleichgewicht als Problem bezeichneten. Im Plaza-Abkommen beschlossen die G-5 Länder deshalb 1985 eine Abwertung des Dollars. Dies zeigte zunächst auch die gewünschte Wirkung.

Am 22. Februar 1987 vereinbarten die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden westlichen Industrienationen in Paris im sogenannten Louvre-Abkommen eine intensivere Abstimmung der Wirtschafts- und Währungspolitik, um die immer noch vorhandenen Ungleichgewichte abzubauen und die Währungskurse auf dem zu diesem Zeitpunkt erreichtem Niveau zu stabilisieren. In Folge dieses Abkommens gelang es tatsächlich den Dollar bei einem Kurs von 1,80 DM zu stabilisieren. Die Börse reagierte auf das Abkommen mit weiteren Kurssteigerungen und konnte im August neue Höchststände im Dow (2722,42 Punkte am 25. August 1987) und dem DAX (knapp 1550 Punkte) erreichen.

Bereits im Juni 1987 warnte Börsenaltmeister Kostolany mit folgenden Worten vor einem Crash: "Von den Insidern spekuliert im Augenblick kaum mehr einer an den deutschen Börsen. Hier ist im Moment nämlich kein Geld zu machen. Sie haben während des Booms der letzten Jahre reichlich abkassiert und sind längst ausgestiegen. Im Augenblick ist an Bundesdeutschlands Börsen die Zeit der "Zittrigen" angebrochen, die weder über das erforderliche Kleingeld noch über die Geduld, aber schon gar nicht über das Feeling verfügen, um aus den Gesamtzusammenhängen messerscharf die nötigen Schlussfolgerungen ziehen zu können".

In der Tat kam wenig später der Wendepunkt. Da der Druck auf die amerikanische Währung trotz dem Louvre-Abkommen nicht nachließ, entschloss sich die amerikanische Notenbank zu einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen zur Stützung des Wechselkurses. Plötzlich überfiel Unsicherheit die Märkte und der Dow verlor zwischen August und Oktober 1987 in mehreren großen Sprüngen bei großen Umsätzen bereits 475 Punkte.

Am 17. Oktober kritisierte der amerikanische Finanzminister James Baker in einem Interview die geplante deutsche Quellensteuer und die kurz zuvor erfolgte leichte Anhebung des Zinssatzes für kurzfristige Wertpapieremissionsgeschäfte der Bundesbank. Durch die Leitzinsanhebung in Deutschland stieg der Kurs der D-Mark gegenüber dem Dollar weiter an. Als Gegenmaßnahme kündigte Baker eine überraschende Anhebung der amerikanischen Zinsen an.

In der Folge kam es am darauffolgenden Montag, den 19. Oktober 1987, zu Handelsbeginn zu einem starken Verkaufsdruck an der Wall Street. Erstmals in der Geschichte hatten dabei Computer großen Anteil an den fallenden Kursen. Der damals noch neue elektronische Handel eröffnete erstmals die Möglichkeit, Aktien in großen Mengen automatisch abzustoßen, sobald der Kurs unter eine bestimmte Kursmarke fällt. Der Überhang an Verkaufsaufträgen und die computergesteuerten Verkaufsprogrammen zur Kursabsicherung führten so zu einem sich selbst verstärkenden Preisverfall. Verkaufsorders führten zum Auslösen von Stoppmarken und diese wieder zu neuen Verkaufsorders, die die Kurse erneut unter die nächsten Stoppmarken schickten usw.

Ab Mittag, der Dow war bereits um 200 Punkte abgesackt, verschlimmerte sich die Situation abermals. Die auf ein Maximum von 400 Millionen Transaktionen ausgelegten Computer waren vollkommen überlastet und gaben falsche Preissignale ab. Zudem kamen erste Gerüchte über angeblich in Schwierigkeit geratene US-Unternehmen auf. Der Markt kollabierte. Beim Handelsschluss notierte der Dow nur noch bei 1738 Punkten, bis heute der größte prozentuale (-22,61%) und einer der höchsten absoluten (508 Punkte) Verluste des Dow Jones. 604 Millionen Papiere waren im Tagesverlauf umgeschlagen worden, die dreifache Menge eines normalen Handelstages. 479 Milliarden US-Dollar wurden an diesem einen Tag verloren.

Der deutliche Einbruch des Dow schockte Anleger weltweit und zog damit eine Flut von Crashs an den internationalen Handelplätzen mit sich. Auch in Australien, Deutschland, Frankreich, Hong Kong, Singapore, Tokio und Spanien gab es am 19. und 20. Dezember massive Kursverluste. Die dramatischen Einbrüche wurden sofort mit dem des Oktobers 1929 verglichen, dem ja eine langjährige Weltwirtschaftskrise folgte. Die Situation war deswegen äußerst kritisch und drohte in einer Katastrophe zu enden. In den USA war man deswegen nach dem Crash um Schadensbegrenzung bemüht. Noch am Abend des 19. Oktober trafen sich der amerikanische und der deutsche Finanzminister Baker und Stoltenberg und bekräftigten gemeinsam den Willen, die Beschlüsse der Louvre-Akte aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig versuchte Präsident Reagan die Wirtschaft und Finanzmärkte mit der Aussage "there is nothing wrong with the economy" zu beruhigen. Viele Unternehmen begannen in den auf den Crash folgenden Tagen demonstrativ eigene Aktien über die Börse zurückzukaufen, was ebenfalls einen positiven Signaleffekt auf die Börse hatte. Die wichtigste Rolle in dieser Phase spielte aber die amerikanische Zentralbank unter dem neuen Chef Alan Greenspan.

Im August 1987 hatte Greenspan die Führung der US-Notenbank (Fed) übernommen und nur gut zwei Monate später sah er sich bereits mit einer der schlimmsten Krisen seiner Amtszeit konfrontiert. Die Fed hatte die Zinsen bis Oktober schrittweise auf 7,5 Prozent angehoben. Bis Mitte November wurde der Zinssatz als Reaktion auf den Kurssturz auf 6,75 Prozent zurückgefahren. Doch noch eine andere Maßnahme förderte das Vertrauen der Anleger, die sehr gut im Buch "Alan Greenspan, Die Macht der Worte" aus dem TM Börsenverlag dargestellt ist:

"Greenspan macht das Vorgehen manchen Banken deutlich, die in den Tagen vor der Einlagensicherung deutlich sichtbar jede Menge Bargeld in ihren Schaufenstern zeigten: In gewisser Hinsicht griff die Zentralbank nach dem 19. Oktober auf ähnliche Maßnahmen zurück, denn man versuchte, die vernunftwidrigen Reaktionen im Finanzsystem auf ein Minimum zu reduzieren. Am frühen Morgen des 20. Oktober brachten wir ein Statement in Umlauf, in dem wir darauf hinwiesen, dass die Zentralbank bereit sei, der Volkswirtschaft und dem Finanzmarkt finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Um dieser Bereitschaft Nachdruck zu verleihen, trat die Zentralbank in Form von Geschäften und Transaktionen auf dem offenen Markt für jedermann sichtbar in Erscheinung. Jeden Tag, vom 19. bis zum 30. Oktober, wurden Rückkaufvereinbarungen getroffen. Diese waren ihrer Summe nach sehr hoch und wurden häufig zu einem früheren Zeitpunkt als gewöhnlich arrangiert, wodurch unsere Bestrebung, den Markt mit Mitteln flüssig zu halten, zusätzlich unterstrichen wurde."

Damit schaffte es Grenspan schließlich die Märkt zu beruhigen. Dennoch war die Hausse erst mal unterbrochen. Die Aktienmärkte konsolidierten. Der DAX schloss das Jahr bei 1000 Punkten, doch schon ein Jahr später begannen die Aktienkurse wieder zu steigen. Anfang der Neunziger warfen dann die Krise in Asien und der Golfkrieg erneut ihre Schatten auf die Börse. Immerhin hatte die NYSE ihre Lehren aus dem Crash gezogen und führte wenig später Sicherheitsbremsen im Computerhandel ein. Sinkt der Dow Jones um mehr als 350 Punkte, wird der Handel seitdem für 30 Minuten unterbrochen, bei einem Verlust von 550 Punkten für eine Stunde. Wenige Jahre später brach in Japan der Aktienmarkt zusammen und schickte das Land in eine tiefe Rezession.


Gruß JULIUS
juliusamadeus:

Der Golfkrieg 1990/91

 
14.01.03 20:44
Der Golfkrieg 1990/91






Im Sommer 1990 schockte der Irak mit seinem Überfall auf das Emirat Kuwait die Welt und die Börse. Innerhalb weniger Wochen stürzte der Dow um 20 und der DAX sogar um 30 Prozent. Doch wie konnte dieser ursprünglich innerarabische Konflikt sich zu einer weltweiten Krise ausweiten?

Die Wurzeln für den zweiten Golfkrieg lagen weit zurück. Nach dem Ende des Iran-Irak-Krieges war die politische Lage in der Golfregion weiter angespannt. Der vom irakischen Diktator Saddam Hussein im Jahr 1980 als Blitzkrieg geplante erste Golfkrieg um die iranische Erdölprovinz Khuzestan hatte sich zu einem der längsten und blutigsten Stellungskriege der neueren Geschichte entwickelt. Als der Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten am 8. August 1988 endlich beendet wurde, saß der Irak auf einem Schuldenberg von 100 Milliarden Dollar, während es noch zu Beginn des Krieges 30 Milliarden Dollar Reserven gewesen waren. Da der Irak nach der Ansicht Husseins die arabischen Nachbarstaaten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait acht Jahre vor dem Iran beschützt hatte, erwartete er von diesen Ländern, dass sie ihm beim Schuldenabbau unterstützen würden. Doch nur einen Tag nach dem Waffenstillstand, am 9. August, verweigerte Kuwait seine Unterstützung und beschloss gleichzeitig, entgegen den OPEC-Vereinbarungen, seine Erdölproduktion zu erhöhen.

Saddam Hussein empfand das Vorgehen Kuwaits als Provokation und Verrat. Nicht nur, dass Kuwait seine Unterstützung versagte - die Mehrförderung führte zu einem Preissturz am Ölmarkt und hätte Bagdads Einkünfte um 7 Milliarden Dollar pro Jahr verringert, während die Schulden um den gleichen Betrag angestiegen wären. Der Hass Husseins auf Kuwait war zudem noch in anderen Gründen zu suchen. So war Kuwait vor seiner 1961 erlangten Unabhängigkeit zeitweise Teil der Provinz Basra und damit Teil des Iraks gewesen. Beide Länder zankten sich seit langem um das riesiges Rumeila-Erdölvorkommen, das in der Grenzzone beider Länder lag und schließlich war Kuwait während des Iran-Irak-Krieges neutral geblieben und hatte sich geweigert dem irakischen Diktator zwei strategisch wichtige Inseln im Golf zu verpachten.

Bis Anfang 1990 galt der Irak aber als dem Westen nahestehendes Land. Doch mehrere Ereignisse im Februar 1990 führten zu einer radikalen Änderung in Husseins Politik. Noch am 12. Februar 1990, als der amerikanische Unterstaatssekretär für den Nahen Osten John Kelly, den Irak als eine Kraft der Mäßigung in der Golf-Region bezeichnete und eine Ausweitung der Beziehungen beider Länder in Aussicht stellte, zeigte sich Saddam Hussein dem mächtigen Freund eng verbunden. Doch nur drei Tage später forderte die amerikanische Regierung in einer Radio-Sendungen zum Kampf gegen Diktatoren auf und nannte dabei Saddam Hussein, einen der schlimmsten Tyrannen auf der Erde. Hussein glaubte an ein doppeltes Spiel der USA und wurde noch bestärkt, als am 21.Februar vom amerikanischen Außenamt ein Bericht über die Menschenrechtsverletzungen veröffentlicht wurde, in dem ausführlich über den Irak berichtet wurde und die Regierung von Saddam Hussein als Terrorregime, das ständig Menschenrechte verletze, bezeichnet wurde. Daraufhin änderte Hussein sein Verhalten zur USA drastisch und spaltete damit die arabische Welt. Der irakische Diktator prophezeite, dass die Schwächung Moskaus der USA in den nächsten Jahren eine massive Bewegungsfreiheit im Nahen Osten ermöglichen würde. Die Golf-Region drohe damit unter das Joch der Vereinigten Staaten zu gelangen und so wäre es im Interesse der arabischen Welt, wenn der Golf vom Irak und nicht von den Vereinigten Staaten beherrscht werde.

"Der Irak verachtet alle, die sich der USA unterwerfen." Diese Aussage Husseins verärgerte insbesondere Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak, einen der Hauptalliierten der USA. Gleichzeitig forderte Hussein Kuwait und Saudi-Arabien zur Streichung seiner Kriegsschulden in Höhe von 30 Milliarden Dollar sowie zur Zahlung weiterer 30 Milliarden Dollar auf. Die Lage wurde immer kritischer und auch Vermittlungsversuche von Jordaniens Königs Hussein brachten keine nennenswerte Entspannung. Während Saddam Hussein nach Außen noch zu Verhandlungen bereit war, beautragte er gleichzeitig die Mitglieder seines Generalstabs eine Plan zu entwerfen, um die irakischen Truppen an der kuwaitischen Grenze zusammenzuziehen.

Die Börse hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt relativ unbeeindruckt von den Geschehnissen im Nahen Osten gezeigt. Seit dem Crash 1987 konnten die wichtigen Leitindizes Dow und DAX deutlich zulegen und notierten beide mittlerweile sogar auf neuen All-Time-Highs. Während der DAX auf die 2000-er Marke zumaschierte, nahm der Dow Anlauf auf die 3000 Punkte.

Trotz der alarmierender Signale behielt Washington die offiziell-freundliche Haltung gegenüber dem Irak weiter aufrecht. Anfang Mai 1990 hatte der US-Geheimdienst CIA Material erhalten, das einen baldigen Angriff des Iraks auf Kuwait wahrscheinlich erscheinen ließ. Zudem hatte Hussein mittlerweile den Abzug der amerikanischen Schiffe aus dem Golf verlangt und dem verbündeten Israel den Gebrauch von chemischen Waffen angedroht. Doch auch die massiven Truppenbewegungen wurden bei den meisten westlichen Regierungschefs noch für einen Bluff gehalten, mit dem sich Hussein als Führer der arabischen Welt wichtig machen wollte. Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga am 28. Mai 1990 in Bagdad attackierte Saddam Hussein die Haltung der Golfstaaten, die nach seiner Ansicht durch die Überproduktion an Erdöl einen Wirtschaftskrieg gegen den Irak führten. Zudem forderte er erneut 10 Milliarden Dollar.

Als sich am 17. Juli irakische Truppen in Richtung kuwaitische Grenze in Bewegung setzten und Saddam Hussein sich zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennen lies, schlug sich dies mit kurzer Verzögerung auch auf die Börsen nieder. Am selben Tag erreichte der Dow zwar mit 2999,80 sein Jahreshoch und einen Tag später folgte der DAX der Wall-Street auf einen neuen Höchststand bei 1966,04, doch dann drückte die zunehmende Unsicherheit im Nahen Osten auf die Gemüter der Anleger und die Börsen drehten - zunächst nur langsam - in Richtung Süden.

Die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung waren Immer noch nicht ganz versiegt. In einer Unterredung mit der amerikanische Botschafterin April Glaspie am 25. Juli 1990 erklärte Hussein jedoch ganz eindeutig Kuwait zur wichtigsten Zielscheibe. Gleichzeitig warnte er Amerika, dass er sogar zu einem Krieg gegen die USA bereit sei. Ende Juli meldete der CIA dann verstärkte Truppenbewegungen und eine massiveren Konzentration von Militär an der kuwaitischen Grenze. Am 30.Juli zählte der CIA 100.000 Mann, 300 Panzer und 300 schwere Artilleriegeschütze. Als auch ein weiterer Verhandlungsversuch zwischen dem Emir von Kuwait und Saddam Hussein scheiterte, gab es keine Grundlage mehr zu einer friedlichen Lösung. Am 1. August lies Hussein hinter verschlossenen Türen die Mitglieder des Revolutionsrates zusammenrufen, um die Invasion Kuwaits zu planen. Diese Nachrichten zeigten auch an der Börse Wirkung. Sowohl DAX als auch Dow hatten gegenüber den Höchstständen vom 17/18. Juli zwar bereits leicht um 100 Punkte (Dow) bzw. 75 Punkte (DAX) verloren, doch betrachteten die Börsen Hussein als eher unwichtige Nebenfigur. Aber der Schein trügte.

Als der Irak um 1:30 Uhr am 2. August (MEZ: 22:30 Uhr) die Grenze zu Kuwait überschritt, begann der Golfkrieg. Mit geballter Wucht überrannten die irakischen Truppen das Emirat ohne dass die Kuwaiter ernsthafte Gegenwehr leisten konnten. Die Welt war geschockt, niemand hatte bis vor kurzem wirklich mit einem kriegerischen Konflikt gerechnet. Während der Ölpreis in die Höhe schoss, brachen die Börsen weltweit ein. Innerhalb weniger Tage sackten Dow und DAX um fast 10 Prozent ab, doch das war erst der Anfang.

Der Krieg am Golf hatte sich schnell zu einer internationalen Krise ausgeweitet. Bereits am 2. August verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Invasion einstimmig und forderte den „sofortigen und bedingungslosen Rückzug aller irakischen Streitkräfte aus den von ihnen bezogenen Stellungen" in Kuwait (Resolution 660). Die westliche Welt verhängte zudem Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die am 6. August durch den UN-Sicherheitsrat per Resolution 661 auf ein weltweites Handelsembargo erweitert wurden. Damit kamen die irakischen Öl-Exporte zum Erliegen. Zudem schickte die USA wenig später im Rahmen der von Präsident Bush bekanntgegebenen Operation „Wüstenschild" Truppen, Panzer und Kampfflugzeuge zum Schutz Saudi-Arabiens in die Region. Als Reaktion verkündete der Irak am 8. August die Annexion Kuwaits, doch schon einen Tag später erklärt der UN-Sicherheitsrat diesen Schritt für „null und nichtig".

Bis Mitte August hatten Ägypten, Syrien, Pakistan, Marokko und die Türkei Truppen an die Grenze zum Irak verlegt und eine internationale Armada von Schiffen aus Amerika, Australien, Belgien, Dänemark, England, Frankreich, Kanada, den Niederlanden und der Sowjetunion patrollierte im persischen Golf. Auf der anderen Seite drohte Saddam Hussein mit dem Einsatz von Giftgas und der Bombardierung Israels, forderte den Abzug Israels aus den besetzten Gebieten und Syriens aus dem Libanon. Am 16. August wies die irakische Regierung schließlich amerikanische und britischer Staatsbürger, die sich in Kuwait aufhielten, in Hotels ein und deportierte sie von dort an wichtige strategische Einrichtungen im Irak, wo sie als Schuldschild gegen drohende amerikanische Luftangriffe dienen sollten. Als Reaktion verfassten die Vereinten Nationen am 18. August eine erneute Resolution, die den Irak aufforderte „allen in Kuwait und Irak festgehaltenen Ausländern die Ausreise zu erlauben und die sofortige Ausreise zu ermöglichen." Der Irak bot daraufhin an, die Gefangenen freizulassen, wenn die Botschaften Kuwaits weltweit geschlossen werden würden, um so die Anerkennung der Annexion durch die Hintertür zu erreichen. Doch US-Präsident Bush lehnte jeden Handel über die nun als Geiseln bezeichneten gefangenen Ausländer ab.

Die Lage schien immer aussichtsloser. Die Unsicherheit belastete in hohem Maß die Börsen, die mittlerweile neue Jahrestiefststände erreicht hatten. Seit den Höchständen davor war der DAX um über 20 Prozent bis auf 1520 Punkte (23. August) und der Dow um über 500 Punkte auf 2483 eingebrochen. Erst nachdem der Sicherheitsrat am 25. August 1990 die Anwendung von Waffengewalt zur Durchsetzung des Embargos erlaubt hatte, schöpfte die Börse Hoffnung und konnte sich von den Tiefstständen wieder etwas erholen. Doch noch war der Konflikt lange nicht gelöst.

Auch in den kommenden fünf Monaten zeigten sich die Börsen äußerst volatil. Verschiedene Versuche die Krise auf diplomatischem Weg zu lösen scheiterten meist in den Ansätzen und so spitzte sich die Lage immer mehr zu. Immerhin erlaubte der Irak am 28. August allen als Geiseln festgehaltenen westlichen Frauen und Kinder die Ausreise.

Am 12. September 1990 drehten die Börsen wieder und stürzen erneut in den Keller. Dabei führten mehrere Ereignisse zu diesen massiven Kursabschlägen. So drangen irakische Soldaten am 14. September gewaltsam in die französische Botschaft in Kuwait ein und entführten vier Franzosen. Als Reaktion bereitete Frankreich daraufhin einen der größten französischen Einsätze der Nachkriegszeit vor und schickte mehr als 5000 Soldaten mit Panzern, Hubschraubern und etwa 30 Kampfflugzeuge in die Krisenregion. Auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte am 16. September die agressiven Handlungen gegen diplomatisches Personal und diplomatische Einrichtungen. Am 20. September drohte Hussein mit der Zerstörung aller Ölfelder am Golf und sprach von einem möglichen Krieg als „Kampf für die Befreiung der ganzen Menschheit und Jerusalems". In Folge dieser Ankündigung erreichte der Ölpreis bis 24. September ein Rekord-Niveau von 40 Dollar. Am 25. September redete auch der sowjetische Generalstabschef Moisejew erstmals von einem möglichen Weltkrieg, da im Falle eines militärischen Schlagabtausches sich sehr schnell einige Länder wie der Iran auf die Seite Iraks stellen könnten. Zudem schürten Gerüchte über atomare Waffen im Irak die Unsicherheit.

Am 29. November 1990 hatte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Mitgliedstaaten schließlich im Rahmen der Resolution 678 ermächtigt, „alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um der Resolution 660 und allen dazu später verabschiedeten Resolutionen Geltung zu verschaffen und sie durchzuführen und den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in dem Gebiet wiederherzustellen", falls sich der Irak bis zum 15. Januar 1991 nicht vollständig aus Kuwait zurückgezogen haben sollte.

Deutschlands Börsen zeigten sich von dieser Entwicklung weit mehr beeindruckt als die in der USA, hatte doch der Krieg am Golf die seit der Maueröffnung 1989 herrschende Euphorie endgültig zunichte gemacht. Während der Dow als Folge dieser Ereignisse bis Ende September mit 2427 Punkten lediglich knapp unter seine bisherigen Tiefststände fiel, sackte der DAX ab dem 12. September nochmal über 200 Punkte abwärts und notierte mit 1334 Punkten am 28. September auf einem neuen Jahrestief. Der Dow folgte aber dann doch noch bis zum 11. Oktober 1990 seinem deutschen Pendant, als mit 2365 Punkten das Tief der Krise erreicht wurde.

Bis zum Jahresende entwickelten sich die beiden Leitindizes dann unterschiedlich. Während der DAX sich weiter volatil zeigte und immer wieder massive Kurseinbrüche gefolgt von steilen Anstiegen hinnehmen musste, konnte der Dow bis Ende Dezember deutlich Boden hinzugewinnen. Am letzten Handelstag des Jahres 1990 notierte der DAX deswegen auch lediglich knapp über Jahrestief bei 1398 Zählern (28.12.), während der Dow immerhin mehr als 10 Prozent seit dem 11. Oktober auf einen Jahresendstand von 2633 (31.12.) hatte zulegen können. Immerhin konnten Dank der Verhandlungen verschiedener Politiker bis Ende Dezember auch die letzten westlichen Ausländer den Irak verlassen. Doch bei der Räumung Kuwaits zeigte sich der Irak dagegen weiter uneinsichtig.

Fünfeinhalb Monate nach dem Einfall waren damit die diplomatischen Möglichkeiten für eine friedliche Beilegung der Krise erschöpft. Weder UN-Resolutionen, noch das Wirtschaftsembargo oder der größte amerikanische Aufmarsch seit dem Vietnamkrieg hatten Hussein bewegen können, Kuwait freizugeben. Die Kontrolle eines bedeutenden Teils der weltweiten Ölvorräte sowie die Sicherheit Israels und der irakischen Anrainerstaaten brachten die USA in Zugzwang. Am 28. Dezember gab Bush zwei weiteren Flugzeugträgern Befehl, zum Persischen Golf auszulaufen.

Je näher das Ultimatum der UN rückte, umso angespannter wurde die Situation. Für den 11. Januar kündigte der Iran, potientieller Verbündeter des Irak, Manöver in der Nähe der irakischen Grenze an. Am 13. Januar war ein letzter Versuch die Krise diplomatisch beizulegen gescheitert. Gleichzeitig fielen die Börsen mit 1322 (DAX - 16.1.) und 2470 (Dow - 9.1.) auf neue Tiefststände.

Als am 15. Januar um 24 Uhr (16. Januar um 6 Uhr MEZ) in New York das UN-Ultimatum ablief, hielt die Welt den Atem an. In der Golfregion standen sich zu diesem Zeitpunkt etwa 530.000 irakische Soldaten und 610.000 Mann der multinationalen Gegenseite in höchster Alarmbereitschaft gegenüber. Letzte Apelle am 16. Januar an Saddam Hussein verstrichen ohne Reaktion. Jeder wartete auf den ersten Schritt, der nicht lange auf sich warten lies. Bereits in der Nacht zum 17. Januar, etwa um 1 Uhr MEZ, starteten die alliierte Streitkräfte unter Führung der USA im Rahmen der Operation "Desert Storm" einen massiven Luftangriff gegen den Irak.

Vorerst wollten die USA den Gegner nur aus der Luft in die Knie zwingen. Doch schnell zeigte sich, dass das Vorhaben schwerer werden würde als geplant. Während die Alliierten weiter Flugangriffe auf den Irak flogen, schoss der Irak wie angekündigt Raketen auf Israel ab und begann die sukzessive Zerstörung der Kuwaitischen Ölindustrie. Hussein ließ nahezu alle kuwaitischen Ölfelder in Brand setzten und verursachte so eine der größten Umweltkatastrophen, die die Welt bis dato gesehen hatte. Die Börse reagierte dagegen positiv auf den Beginn der Luftangriffe, insbesondere als sich zeigte, dass Hussein den Angriffen nicht viel entgegensetzten konnte.

Die Angst vor dem Krieg und die zermürbende Unsicherheit, die die Börsen zuvor belastet hatte, war durch den Beginn des Krieges plötzlich wie weggefegt. Wieder aller Erwartung begannen die Börsen bei Kriegsbeginn mit einem rasanten Anstieg. Sowohl DAX als auch Dow konnten bis Mitte Februar deutlich zulegen. Nach mehreren Wochen ununterbrochener Bombardierung irakischer Stellungen begannen die Alliierten am 24. Februar 1991 eine Bodenoffensive gegen irakische Stellungen in Kuwait und im Südirak. Innerhalb weniger Tage überrannten die Truppen Kuwait und drangen bis weit in den Irak vor. Während die internationalen Truppen dabei lediglich 130 Opfer beklagen mussten, wurden die Verluste auf irakischer Seite auf etwa 100.000 Mann geschätzt.

Bereits am 27. Februar konnten kuwaitische Truppen in ihre Hauptstadt zurückkehren. Am 28. Februar erklärte der US-Präsident sowie die Alliierten Länder die Kampfhandlungen für beendet. Nachdem sich auch der Irak am 3. März offiziell der Waffenruhe anschloss, konnten die Vereinten Nationen daran gehen, die Bedingungen für einen offiziellen Waffenstillstand auszuhandeln. Im Irak formierte sich unterdessen der Widerstand gegen Hussein, der zeitweise sogar bürgerkriegsähnliche Zustände angenommen hatte. Am 10.März entschlossen die Vereinigten Staaten, sich nicht in „interne Angelegenheiten des Irak" einzumischen und beendeten damit Spekulationen auf eine Fortsetzung des Krieges. Am 12.April um 0:00 Uhr war der zweite Golfkrieg dann endgültig zu Ende. Die Börse war dagegen bereits seit März zum Alltag übergegangen und setzte die unterbrochene Hausse wieder fort. Auch die immer noch brennenden 727 kuwaitischen Ölfelder konnten die gute Stimmung nicht mehr beeinflussen. Die internationale Allianz hatte gewonnen und die Ölfelder würden schließlich auch noch gelöscht werden. Doch die positive Stimmung währte nicht lange, denn bereits im August 1991 schockte erneut eine politische Ereignis die Finanzplätze, als die Kommunisten in der Sowjetunion versuchten, Gorbatschow zu stürzen.


Gruß JULIUS
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