"Wir wollen den Standort Mannheim und die Kompetenzen erhalten"
Eine Lösung im Streit mit dem Betriebsrat über einen Stellenabbau ist möglich / Interview mit Gerard Brunel, Chef der Alstom Power Generation AG
Von unseren Redaktionsmitgliedern Jens Koenen und Matthias Kros
Mannheim. Seit über drei Monaten verhandeln Geschäftsführung und Betriebsrat nun schon um den drohenden Stellenabbau im Mannheimer Alstom-Werk. Die Gräben zwischen den Kontrahenten scheinen unüberbrückbar. Gerard Brunel, Vorstandschef der deutschen Alstom Power Generation AG glaubt dennoch, am vorerst letzten Verhandlungstag, dem 10. Oktober, einen Kompromiss präsentieren zu können. Das sagte er in seinem ersten Interview seit Bekanntgabe der Pläne.
Herr Brunel, man hat das Gefühl, bei den Verhandlungen um das Mannheimer Alstom-Werk geht es kaum voran. Wo hapert es?
GERARD BRUNEL: Die Gespräche sind tatsächlich sehr schwierig, manchmal schwieriger als ein Kraftwerk zu verkaufen. Aber wir haben Fortschritte gemacht. Wir bewegen uns aufeinander zu.
Was für Fortschritte sind das?
BRUNEL: Wir sind uns alle einig darüber, dass wir hier ein strukturelles Problem haben und den Standort fit machen müssen, um wieder zu verkaufen.
Sie wollen also grundsätzlich am Standort Mannheim festhalten?
BRUNEL: Wir wollen den Standort Mannheim erhalten. Wir wollen die Kernkompetenzen hier am Standort erhalten, das ist unser Ziel. Aber die notwendigen Anpassungen müssen dafür erfolgen. Wir müssen konkurrenzfähig bleiben. Der Markt ist hart umkämpft: Auch aus Asien drängen Wettbewerber nach Deutschland.
Was bedeutet das konkret für die Belegschaft in Mannheim? Werden Sie wie befürchtet 900 Stellen streichen?
BRUNEL: Diese Zahl ist nicht ganz korrekt. Wir haben schon 2003 vereinbart, bis 2007 etwa 520 Stellen abzubauen. Wir wollen nun Maßnahmen treffen, die möglicherweise bis zu weitere 450 Arbeitsplätze ab Mitte 2007 betreffen könnten.
Sie sagen "könnten". Die Zahl ist also verhandelbar?
BRUNEL: Die 450 Stellen stehen seit März im Raum. Was genau passiert, hängt von den laufenden Gesprächen ab.
Werden Sie denn die Betriebsvereinbarung einhalten, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2007 ausschließt?
BRUNEL: Ja. Wir wollen die Betriebsvereinbarung uneingeschränkt einhalten.
Sie wollen aber ganze Bereiche in Mannheim schließen, wie zum Beispiel den Generatorenbau. Können dann hier überhaupt noch komplette Kraftwerke gebaut werden?
BRUNEL: Wenn Bereiche langfristig unwirtschaftlich sind, dann werden wir sie nicht halten können. Wir können nicht alleine aus Mannheim heraus komplette Kraftwerke bauen. Wir sind auf die Zuarbeit von anderen Alstom-Standorten angewiesen. Wichtig ist, dass wir die notwendigen Kernkompetenz in Mannheim behalten, um für die Kunden auch in Zukunft ein kompetenter Ansprechpartner zu sein.
Also werden in Mannheim bald nur noch Turbinen gebaut?
BRUNEL: Mannheim wird auch in Zukunft eine Schlüsselstellung im Power-Sektor einnehmen. Nach unseren Gesprächen mit den Arbeitnehmern wird es strukturelle Änderungen geben. Wir reden in aller Offenheit über verschiedene Lösungsansätze.
Gehen Sie davon aus, am 10. Oktober einen Kompromiss zu präsentieren?
BRUNEL: Mit Vernunft und Augenmaß sollten wir zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Der Kraftwerksmarkt in Deutschland erholt sich etwas. Hilft das bei der Kompromissfindung?
BRUNEL: Ja. Es gibt eine positive Entwicklung. Unsere Kunden wollen wieder investieren. Wir werden in Kürze mit einer sehr guten Nachricht, sprich einem großen Auftrag, auf Sie zukommen.
Ist es angesichts dessen denn dann sinnvoll, Mannheim zu verkleinern?
BRUNEL: Energie wird ein großes deutsches Zukunftsthema. Es gibt aber sicher nicht den Riesenboom wie in den USA Anfang des Jahrtausends. Wir erwarten ein gesundes Wachstum, einen gesunden Investitionsschub. Darauf muss sich Mannheim vorbereiten.
Könnten die schwierigen Koalitionsverhandlungen in Berlin diesen Schub wieder bremsen?
BRUNEL: Wir setzen auf eine stabile deutsche Regierung und eine berechenbare Energiepolitik. Unsicherheit in einem Land ist nie förderlich für die Wirtschaft. Aber egal, ob die Laufzeiten der Kernkraftwerke verlängert werden oder nicht: Wir als Kraftwerksbauer sehen auf jeden Fall einen großen Ersatz-Bedarf für die alten Anlagen.
Alstom ist im vergangenen Jahr nur durch ein Rettungspaket des französischen Staates an der Pleite vorbeigeschrammt. Wie geht es Ihnen heute?
BRUNEL: Der Konzern hat sich erholt. Wir sind wieder voll da. Die Banken sehen uns wieder positiv.
© Mannheimer Morgen - 24.09.2005