Konkursaktien
Aktie von Stolberger Telecom besser meiden
Viag Interkom sollte einst Bündnispartner von Stolberger werden
24. April 2006
Es gibt Aktien, da wünscht man sich beim Blick auf den Kurs, man hätte sie. Aber vielleicht sollte man sich besser beglückwünschen, daß man sie nicht hat. Denn es gibt Anleger, die beim Blick auf denselben Chart immer noch wünschen, sie hätten die Aktie nie besessen.
Innerhalb von nur neun Tagen hat sich der Kurs der Aktie der Stolberger Telecom bis zum vergangenen Donnerstag verfünffacht. Am Feitag erlebte sie einen kleinen Einbruch, doch am Montag liegt sie schon wieder 8,3 Prozent im Plus bei 13 Cent.
Keine Neuigkeiten trotz Kursrally
Nicht, daß es irgendwelche Neuigkeiten von dem traditionsreichen Unternehmen gäbe, das im Juli 2002 einen Insolvenzantrag stellte. Was die Spekulanten vielmehr begeistert, ist das Orderbuch, indem angeblich umfangreiche Kaufaufträge in Höhe von 100.000 bis zu einer Million Stück liegen - und das bei einem Streubesitz von zuletzt rund 2,5 Millionen Stück.
Was Wunder, wenn besonnenere Stimmen mahnen, daß es sich nur um eine geschickte Kursmanipulation handeln könne. Denn angesichts der Tatsache, daß außer den verbliebenen Großaktionären niemand diese Aufträge befriedigen könnte, überstieg das tägliche Handelsvolumen in den vergangenen Jahren nur selten 10.000 Stück.
Die Bullen sehen in den Ereignissen einen deutlichen Hinweis darauf, daß der Börsenmantel endlich verwertet würde. Die Bären argumentieren, daß kein ernsthafter Interessent auf diese Weise Anteile kaufen würde.
Die Aktienmehrheit liegt nach den jüngsten verfügbaren Daten weiter bei dem umstrittenen Kölner Immobilienkaufmann Günter Minninger und offenbar dessen Familie. 49,65 Prozent entfallen auf Minninger, 24 Prozent auf drei Frauen mit demselben Familiennamen.
Zink, Trüffel, Handys
Die Stolberger Telecom hieß ursprünglich Stolberger Zink und entstand aus der Verschmelzung der seit 1834 bestehenden Metallurgischen Gesellschaft mit dem Rheinisch-Westfälischen Bergwerks-Verein. 1954 stellte die Stolberger Zink die Produktion größtenteils ein, und in den neunziger Jahren übernahm Minninger das Unternehmen vom Großaktionär Metallgesellschaft.
Stolberger übernahm später die angeschlagene Süßwarenladenkette Most. Die damals 140 Filialen in 80 deutschen Städten sollten umgebaut werden und künftig sowohl Süßwaren als auch Telekommunikationsprodukte anbieten. Außerdem plante Stolberger, Most im zweiten Halbjahr 1999 unter Beibehaltung einer Mehrheitsbeteiligung an den Neuen Markt zu bringen.
Als diese Strategie nicht ankam, war eine Trennung des Filialnetzes in Telefongeschäfte und Süßwarenläden vorgesehen. Spätestens dann begannen die Schwierigkeiten, als mitten in der Umbauphase der Most-Vorstand einen Insolvenzantrag stellte. Nach damaligen Aussagen des Insolvenzverwalters sei die Konzeption der Großaktionärin Stolberger „nicht mit ausreichend Kapital unterlegt“ worden, so daß aus Most ein „zahlungsunfähiges und überschuldetes“ Unternehmen wurde, zumal der Börsengang verschoben wurde.
Vossnet und der Staatsanwalt
Stolberger gelang es nicht, die Insolvenz zu verhindern. O2, damals noch Viag Interkom, ging auf Distanz zu Minninger. Zumindest wurde von Seiten des Unternehmens betont, die Partnerschaft sei mit dem alten - durch Minninger abgelösten - Most-Vorstand eingegangen worden. Ein Sprecher sagte seinerzeit, für Viag Interkom sei Most-Insolvenzverwalter Mühl der Ansprechpartner hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Unternehmens.
Auch der im Aprill 1999 zu 75 Prozent übernommene Bremer Provider Vossnet mußte im Januar 2000 den technischen Betrieb zunächst als Stromlieferant einstellen. Wegen nicht abgeführter Sozialbeiträge wurde Insolvenzantrag gegen das Unternehmen gestellt; Geschäftsführer Peter Schwarze kam wegen Betrugsverdachts in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft warf Schwarze vor, keine Vorkehrungen zur Stromlieferung getroffen zu haben, obwohl Vossnet Abschlußgebühren vereinnahmt hatte.
Minninger, Mehrheitsgesellschafter der an Vossnet beteiligten Stolberger Telecom AG, sah in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft als Ursache für die finanzielle Misere von Vossnet.
Desaster mit Anlauf
Insider zeigten sich angesichts der Vorgeschichte Minningers als Investor schon seinerzeit kaum von den Turbulenzen überrascht. Die Begleitumstände der Krise zeigten erkennbare Parallelen zu anderen Geschäften. Minningers Versuch, die traditionsreiche schwäbische Textilgesellschaft Kolb & Schüle Mitte der neunziger Jahre auf die Verwertung von Immobilien zu konzentrieren, endete in einem finanziellen Desaster. Im März 2000 stellte Minninger Insolvenzantrag, auch die Aktie dieses Unternehmens dümpelt seit Jahren an der Börse.
Spektakulär und mit der Krise bei Kolb & Schüle eng verbunden war Minningers Engagement bei der Concordia Bau und Boden. Als Großaktionär und Vorstandsvorsitzender der Immobiliengesellschaft steuerte er bis 1996 erfolglos gegen die allgemeine Marktschwäche. Unter seiner Regie rutschte Concordia tief in die roten Zahlen und zog auch Kolb & Schüle, mit der gemeinsam Immobilienprojekte in Angriff genommen worden waren, mit. Zur Abwendung des drohenden Konkurses bei der Concordia fehlten Minninger wohl die nötigen Sanierungsmittel. Schließlich sprangen ausländische Finanzinvestoren in die Bresche.
Gute Chancen für Verluste
Für Aufsehen sorgte Minninger auch bei der I.G. Farbenindustrie i.A., Frankfurt. Wohl in der Hoffnung auf mögliche Entschädigungen für das beträchtliche Ostvermögen hatte er der Hamburger WCM 1996 die Anteile an der I.G. Farben abgekauft. Als das Bundesverfassungsgericht einen Strich durch Minningers Pläne machte, stieg er wieder aus. Zurückgelassen hat Minninger auch hier Liquiditätsschwierigkeiten.
Im Jahr 2000 führte Stolberger Telecom die Liste der fünfzig größten Vernichter von Aktionärsvermögen der vergangenen fünf Jahre an, die von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erstellt wird. Dies war noch vor der großen Technologiebaisse.
Übrig geblieben sind von der Stolberger Telecom eine Börsennotiz, ein Insolvenzverfahren und einige Altlasten im Schwarzwald. Wer auf der diesjährigen Stolberger-Hausse reiten will, tut dies auf eigenes Risiko und mit der großen Wahrscheinlichkeit, Kursmanipulatoren in die Hände zu spielen und selbst am Ende als Verlierer dazustehen. Es gibt eben Aktien, die man besser nicht hat.