Der Industrieverband Economiesuisse warnt vor Firmenpleiten. Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher sieht Zehntausende Stellen in Gefahr. Auch, weil Konkurrenten aus der EU "nur" mit 15 Prozent US-Zöllen belastet werden.
"Wenn die Zolldifferenz bleibt, würde das sicher einen Impuls nach Deutschland bringen", sagt Hans Gersbach, Ko-Direktor der Konjunkturforschungsstelle (Kof) der Universität ETH in Zürich, der Deutschen Presse-Agentur. Er nennt die Branchen Maschinenbau, Medizingeräte, Präzisionsinstrumente und Pharma. Zudem könne es Produktionsverlagerungen nach Deutschland geben. Gleichzeitig wären deutsche Zulieferer in die Schweiz aber negativ betroffen. Gesamtwirtschaftlich werde das deshalb kaum ins Gewicht fallen.
Die Kof rechnet bei 39 Prozent Zöllen mit einem Rückgang des Schweizer Bruttoinlandsprodukts von 0,3 bis 0,6 Prozent. Wenn die bislang ausgenommene Pharmaindustrie dazu käme, dürften es mindestens 0,7 Prozent sein. Die Schweizer Präsidentin Karin Keller-Sutter ist Hals über Kopf nach Washington gereist, um zu versuchen, das Schlimmste noch abzuwenden. Wer in der Schweiz am stärksten betroffen ist:
Die Uhrenindustrie
Schweizer Uhren stehen bei den Reichen in den USA hoch im Kurs: Rolex, Breitling, Tag Heuer - solche und ähnliche Marken wurden an Handgelenken von Donald Trump und anderen Milliardären in seinem Kabinett schon gesehen. In kein Land gehen so viele Schweizer Uhren wie in die USA: Stücke im Wert von 4,3 Milliarden Franken waren es 2024, gefolgt von China mit 2 Milliarden Franken. Der US-Anteil an den Uhren-Exporten liegt bei 16,8 Prozent.
Chrystel Graf, Staatsratspräsidentin des Kantons Neuenburg, spricht von einem "Keulenschlag". Ihr Kanton gilt mit den Orten La-Chaux-de-Fonds und Le Locle als Wiege der Schweizer Uhrmacherei, er hat Marken wie Omega, Longines, Tissot und Audemars Piguet hervorgebracht.
Maschinenindustrie
Schweizer Unternehmen sind mit Präzisionsmaschinen und Bauteilen in manchen Bereichen unter den Weltmarktführern: Spezialbagger, Inspektionsgeräte zur Kontrolle von Pipelines oder Sensoren für Fabrikautomation etwa. Wenn die Konkurrenz aber wegen der hohen Zölle billiger liefern kann, haben sie möglicherweise das Nachsehen.
Schokolade und Käse
Der mehr als 170 Jahre alte Hersteller von Schokolade-Spezialitäten, Maestrani, sieht schwarz. "Sollten diese Zölle dauerhaft zur Anwendung kommen, wäre unsere Wettbewerbsfähigkeit im US-Markt nicht mehr gegeben", sagt der Leiter Marketing, Valentin Haag. Die Zölle müsste der Kunde berappen, damit seien die Maestrani-Schokoladen deutlich teurer als Konkurrenzprodukte aus den USA oder der EU. Noch hätten die Vertriebspartner aber Lagerbestände. Maestrani-Premium-Schokolade kann schon jetzt für 100 Gramm vier Euro kosten.
Beim Gruyère-Käse gehen 13 Prozent der Produktion in die USA, mehr als 4300 Tonnen im vergangenen Jahr. "Dieses Geschäft ist akut gefährdet", berichtet die Zeitschrift "Schweizer Bauer". Die Sortenorganisation Gruyère AOP rechnet mit Absatzeinbrüchen und hat bereits Produktionskürzungen beschlossen.
Für große Unternehmen wie Lindt & Sprüngli und Nestlé sind die Zölle weniger ein Problem. Sie produzieren für den USA-Markt in den USA - Nestlé sagt, mehr als 90 Prozent.
Problem Gold
Der Goldexport in die USA ist massiv gestiegen, womöglich als Reaktion auf die Unsicherheit der Märkte und Geopolitik, denn das Edelmetall gilt als sicherer Hafen für Vermögen. Im ersten Halbjahr gingen nach Angaben des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit 475 Tonnen in die USA, nach 153 Tonnen im ganzen vergangenen Jahr. Das machte von Januar bis Juni 39,2 Milliarden Franken aus, wertmäßig 54 Prozent der Exporte in die USA. Dabei wird das Gold (Goldkurs) in der Schweiz praktisch nur umgeschmolzen, ohne große Wertschöpfung.
Problem Währung
Der Dollar (Dollarkurs) schwächelt seit Trumps Amtsantritt. Auch der Schweizer Franken gilt als sicherer Hafen und legt deutlich zu, rund 14 Prozent seit Januar. Das macht Exporte teurer. Von Trump ist das durchaus so gewünscht: "Mit einem schwächeren Dollar verdient man verdammt viel mehr Geld", meinte er kürzlich.
Problem Defizitberechnung
Trump spricht von einem massiven Handelsdefizit gegenüber der Schweiz. Er kommt auf rund 39 Milliarden Franken. "Absurd", sagte die Schweizer Präsidentin dazu. Trump schaut nämlich nur auf den Warenaustausch. Knapp 65 Milliarden Franken Schweizer Exporten standen 2024 knapp 26 Milliarden Franken Importe gegenüber. Im Dienstleistungsbereich haben die USA aber deutlich die Nase vorn. Das Defizit liegt so insgesamt bei rund 20 Milliarden Dollar./oe/DP/zb
Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.