- Boeing erhält 60 Chinook-Hubschrauber für 7 Mrd. Euro.
- Lockheed Martin liefert F-35 Jets an die Bundeswehr.
- RTX stellt Patriot-Abwehrsysteme für Deutschland bereit.
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Nicolas Fuchs
Nicolas Fuchs
Die deutsche Zeitenwende in der Verteidigungspolitik zeigt erste wirtschaftliche Wirkungen, insbesondere für amerikanische Rüstungsunternehmen. Boeing (Boeing Aktie), Lockheed Martin (Lockheed Martin Aktie) und RTX profitieren massiv von den jüngsten Beschaffungsentscheidungen der Bundesregierung. Gleichzeitig werden Rufe nach mehr europäischer Autonomie und industrieller Eigenständigkeit lauter. Begründet ist dies durch wachsende Spannungen innerhalb gemeinsamer europäischer Rüstungsprojekte wie dem Future Combat Air System (FCAS).
Ein zentrales Symbol der neuen deutsch-amerikanischen Rüstungsbeziehung ist der Auftrag über 60 schwere Transporthubschrauber des Typs Chinook CH-47F Block II von Boeing. Die Bundeswehr ersetzt damit das veraltete Modell CH-53, bisher gefertigt von der Lockheed-Tochter Sikorsky. Mit einem Auftragsvolumen von rund sieben Milliarden Euro handelt es sich um den größten Einzelauftrag, den Boeing jemals aus dem Ausland für diesen Helikoptertyp erhalten hat.
Generalmajor Bernhard Teicke von der Luftwaffe betonte beim Besuch des Boeing-Werks in Philadelphia die Bedeutung des Programms: Die erste Maschine soll 2027 ausgeliefert werden, die letzte bis 2032. Boeing verfolgt eine modulare Vertragsstruktur mit gestaffelten Ausbaustufen, was eine zügige Produktion ermöglichen soll.
Für Boeing ergibt sich durch das deutsche Projekt eine Möglichkeit, international Präsenz zu zeigen und sich als verlässlicher Partner für europäische Verteidigungsfragen zu etablieren. Auch angesichts auslaufender Serienproduktionen im Heimatmarkt wie etwa bei den Programmen AH-64 Apache (Apache Aktie) und P-8 Poseidon wird der Exportmarkt immer wichtiger.
Darüber hinaus setzen auch andere US-Konzerne auf europäische Aufträge:
Lockheed Martin liefert F-35-Kampfjets an die Bundeswehr.
RTX (vormals Raytheon) stellt Patriot-Abwehrsysteme bereit.
Boeing hat zudem den ersten Seefernaufklärer vom Typ P-8A Poseidon an Deutschland übergeben.
Diese Projekte laufen nicht nur zügig, sondern werden von militärischer Seite als notwendig und technologisch alternativlos dargestellt. So erklärte Generalmajor Teicke, dass es in Europa derzeit kein Konkurrenzmodell zum Chinook gebe, das dessen Traglast und Leistungsfähigkeit erreichen könne.
Trotz der technologischen Vorteile mahnen Politiker und Industrievertreter zur Vorsicht. Die enge Bindung an US-Konzerne wirft Fragen zur strategischen Souveränität auf. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter warnte, dass man etwa beim F-35 auf US-Wartung, Logistik und IT-Netzwerke angewiesen sei. Besonders brisant: Immer wieder kursieren Gerüchte über sogenannte „Kill Switches“, also Fernabschaltungen durch den Hersteller. Der Vorwurf gilt zwar bisher als unbelegt, sorgt aber für politische Unruhe.
Zudem spiegelt sich die neue Partnerschaft mit den USA nicht in der gesamten Breite der Rüstungsbeschaffung wider: Laut Daten des US-Verteidigungsministeriums genehmigte Berlin im Haushaltsjahr 2023 Käufe aus den USA im Wert von über 13 Milliarden US-Dollar. Doch laut Berichten von „Politico“ fließen nur rund acht Prozent des jüngst beschlossenen deutschen Beschaffungsvolumens an US-Firmen. Der Rest geht mehrheitlich an europäische Anbieter, was ein klares Signal für die Stärkung der heimischen Industrie darstellt.
Das EU-Parlament hat kürzlich beschlossen, dass bei gemeinsamen Verteidigungsprojekten im Rahmen des European Defence Industry Programme (EDIP) maximal 35 Prozent der Projektkosten auf Komponenten aus Drittstaaten entfallen dürfen. Dieses „Buy European“-Prinzip soll die europäische Verteidigungsindustrie fördern, wird jedoch von manchen Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – bislang nur zurückhaltend unterstützt.
Ein Grund dafür liegt in der Abwägung zwischen europäischer Autonomie und transatlantischer Sicherheitspartnerschaft. Analysten wie Robert Stallard (Vertical Research Partners) sehen in der europäischen Initiative ein langfristiges Risiko für US-Konzerne, weisen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass viele Technologien aktuell ausschließlich von US-Herstellern geliefert werden können.
Parallel zu diesen Entwicklungen steht ein zentrales europäisches Prestigeprojekt auf wackeligen Beinen: das Future Combat Air System (FCAS). Die geplante Entwicklung eines Kampfflugzeugsystems der nächsten Generation, getragen von Deutschland, Frankreich und Spanien, ist derzeit stark gefährdet. Im Mittelpunkt des Konflikts steht der französische Rüstungskonzern Dassault Aviation und sein langjähriger CEO Éric Trappier.
Trappier pocht auf eine französische Führungsrolle beim Bau des Kampfflugzeugs und sieht in Airbus keinen gleichwertigen Partner. Die Zusammenarbeit wird durch Streit über geistiges Eigentum, technische Zuständigkeiten und politische Einflussnahmen belastet. Trappier erklärte offen: „Wir sind kompetenter im Flugzeugbau als Deutschland.“ Eine Aussage, die nicht nur für diplomatische Spannungen sorgt, sondern die gesamte Zukunft des FCAS-Projekts infrage stellt.
Frankreichs Verteidigungsministerin Catherine Vautrin hat sich zuletzt deutlich auf Trappiers Seite gestellt. Ihre Argumentation: Deutschland verfüge aktuell nicht über die industriellen Kapazitäten, um ein Kampfflugzeug eigenständig zu bauen. Ein ähnliches Schicksal hatte bereits das Eurofighter-Programm ereilt, bei dem Frankreich sich letztlich zurückzog und die Rafale entwickelte.
Die Debatte um FCAS ist nicht nur ein industrieller Streit, sondern hat sich längst zu einer politischen Auseinandersetzung entwickelt. Trappier erhält Unterstützung aus dem gesamten politischen Spektrum. Von der rechtsgerichteten Partei Rassemblement National bis hin zur radikalen Linken. Für viele französische Akteure ist Dassault ein Symbol nationaler Souveränität, vergleichbar mit der Rolle von Airbus für Deutschland.
Auch wirtschaftlich ist Dassault tief im französischen Establishment verankert, beispielsweise mit einer Holding mit Medienbesitz, sowie über Softwarefirmen bis hin zu militärischen Schlüsseltechnologien.Trappier betont, dass eine eigenständige Entwicklung auch ohne Deutschland möglich sei. Doch angesichts der französischen Haushaltslage ist unklar, ob dies realistisch ist.
Die aktuelle Entwicklung im Rüstungsbereich zeigt zwei gegensätzliche Dynamiken: Einerseits sichern sich US-Unternehmen lukrative Aufträge in Deutschland und Europa, was ihre Marktposition in Zeiten eines stagnierenden US-Militärbudgets stärkt. Andererseits wächst der politische Druck, europäische Projekte wie FCAS zu stärken und die industrielle Abhängigkeit von den USA zu reduzieren.
Chancen bieten sich für US-Unternehmen durch
beschleunigte Vergaben infolge des Sondervermögens,
technologische Alleinstellung in Bereichen wie Schwerlasthubschrauber und Flugzeugtechnologie,
stabile Partnerschaften mit europäischen Armeen über Jahre hinweg.
Risiken hingegen ergeben sich
aus wachsendem politischen Widerstand in Europa,
aus Initiativen zur Förderung europäischer Anbieter,
sowie aus technologischen Abhängigkeiten, die als sicherheitspolitisches Problem wahrgenommen werden.
Wie sich diese Kräfteverhältnisse in den kommenden Jahren verschieben, hängt wesentlich von der weiteren Entwicklung europäischer Projekte wie FCAS, sowie von der Fähigkeit Europas industrielle Eigenständigkeit mit strategischer Bündnistreue in Einklang zu bringen ab.
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