Analysten rechnen mit einem weiter steigenden Ölpreis
Von Udo Rettberg
Ermüdet die Weltwirtschaft? Experten deuten den jüngsten Preisrückgang beim Öl auch als Zeichen für eine konjunkturelle Abschwächung. Doch langfristig sind die Signale auf dem Markt so deutlich, dass der Preis wohl nur eine Richtung kennen wird.
Der Ölpreis ist mittlerweile auf ein solches Niveau gestiegen, dass Menschen auf die Straße gehen. Foto: Reuters
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FRANKFURT. An den internationalen Energiemärkten entspannt sich die zuletzt prekäre Lage. Der Preis für Rohöl der US-Richtqualität West Texas Intermediate (WTI) ist in den vergangenen Tagen erwartungsgemäß von seinem Rekordhoch bei über 135 Dollar auf zeitweise nur noch 121,60 Dollar zurückgefallen. Eine Hauptursache für die Minuskorrektur der Ölpreise ist nach Meinung von Fachleuten die Tatsache, dass spekulativ orientierte Anleger wie Hedge-Fonds und Rohstoff-Fonds und private Investoren bei ihren Engagements immer mehr Vorsicht walten lassen. „Zuletzt kannte der Preis für Rohöl nur eine Richtung, weil die Euphorie der Rohöl-Haussiers überschäumte“, sagt Clay L. Hoes, Senior Analyst von RiverSource Investments, einer Kapitalanlagegesellschaft des Finanzkonzerns American Express. Dieses Fieber lässt inzwischen nach.
Beobachter sehen im jüngsten Preisrückgang ein Indiz für Ermüdungserscheinungen in der Weltwirtschaft. Energie-Analysten haben Anzeichen dafür, dass die in der nächsten Woche zur Veröffentlichung anstehende Ölmarkt-Analyse der Internationalen Energie Agentur (IEA) entsprechende Signale aufzeigen wird. Auch wegen der konjunkturellen Abschwächung in den USA – dem weltweit noch immer größten Energieverbraucher – dürfte die IEA ihre Prognose über die 2008er Öl-Nachfrage leicht senken.
Dass zahlreiche Emerging Markets in den vergangenen Tagen ihre Energie-Subventionen reduziert oder abgeschafft haben und die hohen Weltmarktpreise damit direkt an die Verbraucher weitergeben, ist ein weiterer Grund für die jüngste Minuskorrektur. „Wir glauben allerdings, dass dieser Einfluss stark überschätzt wird“, sagt Jonathan Garner von Morgan Stanley. Jeffrey Currie, Energie-Analyst des Finanzhauses Goldman Sachs, erwartet aus den Kürzungen der Subventionen oder den Anhebungen von Steuern auf Öl und Ölprodukte durch die Regierungen in Schwellenländern wie Indonesien, Sri Lanka, Taiwan, Ägypten, Pakistan, Jordanien und Syrien jedoch eine spürbar schwächere Nachfrage. Die Verbraucher in diesen Ländern würden sich wegen der fehlenden Kaufkraft Zurückhaltung auferlegen müssen.
Lesen Sie weiter auf Seite 2: zu viele Engpässe
Stelle man die hier zu erwartenden Einsparungen jedoch in einen globalen Kontext, so werde sehr rasch deutlich, dass es sich dabei bestenfalls um einen Tropfen auf dem heißen Stein handele. Wenn sich allerdings China in nächster Zeit zu einer Kürzung der Subventionen entschließen sollte – womit sowohl Garner als auch Currie rechnen – dürfte sich das auf jeden Fall schon im Jahr 2009 mit in einer geringeren Energie-Nachfrage der Verbraucher in diesem Land bemerkbar machen.
Allgemein wird an den Kapitalmärkten damit gerechnet, dass die derzeitige Minuskorrektur der Energiepreise zwar noch für einige Wochen Bestand haben kann, dass sich dann jedoch die langfristigen fundamentalen Faktoren durchsetzen werden. Es sei davon auszugehen, dass die Märkte immer wieder von der Peak-Oil-Theorie eingeholt werden, sagt Hans-Jürgen Klisch, Geschäftsführer der US-Investmentbank Raymond James, & Associates dem Handelsblatt. Nach dieser Theorie ist der Höhepunkt der Ölförderung bereits überschritten.
An den Energiemärkten existierten zu viele Engpässe sagt Clay Hoes gegenüber dem Handelsblatt. Dies gelte zum Beispiel für die global verfügbaren Raffinerie-Kapazitäten. In den siebziger Jahren habe es weltweit 350 Raffinerien gegeben – heute seien es gerade einmal 135. „Öl kann in diesem Jahr zwar auf 110 oder sogar 100 Dollar je Barrel fallen“, sagt Hoes. Er sieht darin aber keinen Grund zur Entspannung. Mittelfristig werde der Preis stark steigen, wenn der Welt kein Quantensprung in der Energieforschung gelinge.
„Die Terminmärkte werden die Spotmarktpreise nach Abschluss der Minuskorrektur nach oben ziehen“, heißt es auch bei Goldman Sachs. Das Finanzhaus war zuletzt mit der Horrorprognose eines Ölpreises von 200 Dollar je Barrel an die Öffentlichkeit gegangen. Bei Morgan Stanley wird für 2008 ein Anstieg des Ölpreises auf 150 Dollar für möglich gehalten.
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"Es gibt nichts, was so verheerend ist, wie ein rationales Anlageverhalten in einer irrationalen Welt.