Weltproblem Migration: SEHR LANG

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sir charles:

Weltproblem Migration: SEHR LANG

 
05.02.02 09:38
Weltproblem Migration: Illegale deportieren oder legalisieren?  

Wieviel Platz ist in den reichen Ländern für Einwanderer? Eine Antwort auf diese Grundfrage wurde beim New Yorker Weltwirtschaftsforum gesucht.  


 
Derzeit wandern alljährlich rund 800.000 Menschen legal in die USA ein. | (c) epa

NEW YORK. Die illegale Immigration in die USA ist seit dem 11. September ein zentrales Thema der Amerikaner geworden. Während die Regierung beschlossen hat, schärfer gegen diese Immigranten vorzugehen, übte eine liberal dominierte Expertenrunde beim New Yorker Weltwirtschaftsforum heftige Kritik an dieser Strategie. Statt dessen wurde eine Legalisierung der Einwanderer im Untergrund empfohlen.

Die Dimension des Problems ist jedenfalls eine gewaltige. Schon derzeit wandern alljährlich rund 800.000 Menschen legal in die USA ein: Meist auf Grund von Familienzusammenführungen oder auf Antrag von Arbeitgebern. Mehr als das Zehnfache dieser Summe lebt nach relativ übereinstimmenden Schätzungen aber illegal in den USA. "Undokumentiert" nennen das die Amerikaner.

Die Kritiker des "Schreckensprogramms einer Massendeportation" weisen darauf hin, daß die Täter des 11. September ja gar keine illegalen Einwanderer waren, sondern durchaus legalen Status hatten. Deshalb empfehlen sie eine Legalisierung an Stelle einer Ausweisung dieser Menschen: Das sei human, helfe der Wirtschaft, denn Illegale zahlen auch keine Steuern, und das diene auch der Sicherheit. Denn dann weiß künftig der Staat, wer sich im Land aufhält.

Weitgehend undiskutiert blieb dabei freilich, ob die regelmäßige Legalisierung illegaler Einwanderer (zuletzt in den 80er Jahren) nicht eine Ermutigung weiterer illegaler Immigranten und damit de facto eine völlig Öffnung der Grenzen bedeutet. Welche Folgen hätte aber eine solche totale Öffnung für das soziale Gleichgewicht, aber auch den Wohlstand des Landes? Kommt es auf diese Weise zu einem globalen Ausgleich des Wohlstandsgefälles, also auch ein Ärmerwerden der Europäer und Amerikaner? Ein amerikanischer Geschäftsmann skandinavischer Abstammung war jedenfalls durchaus der Ansicht, daß in den USA Platz für drei- bis viermal soviele Menschen wie heute sei.

Diese Meinung der Forumsteilnehmer deckt sich aber in keiner Weise mit dem US-Durchschnittskonsens. Dieser richtet sich gegen die illegalen Einwanderer _ und muß sich eine doppelte Moral vorwerfen lassen. Denn die Wirtschaft braucht oder nutzt zumindest diese illegalen Arbeitskräfte. Von den Helfern bei der amerikanischen Ernte haben nach Angaben eines Kongreß-Abgeordneten im Schnitt mehr als 75 Prozent keine Aufenthaltserlaubnis. Es gibt keine legalen Zeitarbeitsgenehmigungen.

Mexikos Grenzöffnung

Dieser Doppelstandard setzt sich anderswo fort: Während die Mexikaner Druck auf die USA für eine Öffnung der gemeinsamen Grenze machen, läßt Mexiko täglich Tausende aus dem noch viel ärmeren Guatemala einreisen, die meist gleich weiter in die USA wollen. Ein Vertreter einer Hilfsorganisation berichtete von der dramatischen Dimension, die allein der Kinderhandel (für Adoptionen, aber auch für Organhandel und die Sexindustrie) auf dieser Süd-Nord-Route angenommen hat. Dabei geht es meist um Kinder, die nie in ihrem Leben von jemandem registriert oder dokumentiert worden sind.

Die europäischen Teilnehmer an der Migrationsdebatte (darunter der in Berlin lehrende Österreicher Rainer Münz) verwiesen darauf, daß etwa Deutschland einen noch viel höheren Prozentsatz an Immigranten hat als die USA. 45 Prozent aller jener, die nach Westeuropa drängen, wollen nach Deutschland.

In Europa hat aber zum Unterschied von den USA kein Land einen Gründungsmythos als Einwanderer-Land. In Europa sieht umgekehrt aber auch die demographische Kurve anders aus: Viele Länder würden ohne Einwanderer schrumpfen. Die USA könnten hingegen auch ohne Einwanderer weiterwachsen: Diese seien nur für ein Drittel des Bevölkerungswachstums verantwortlich.

Die Diskrepanz zwischen Einwanderungsbedarf und hoher Arbeitslosigkeit etwa in Deutschland ist einer der frappierendsten Aspekte des Problemkreises. Sie wurde in jener Runde, in der die Migrations-Experten beisammen saßen, ganz anders gesehen als bei den Wirtschaftsexperten. Meinten die einen, daß Europa jedenfalls Einwanderer brauche, so halten die Ökonomen dies für "absurd". Das Sozialsystem insbesondere in Deutschland biete zu viele Anreize, wenn jemand nicht arbeiten will.

Unter ganz anderen Vorzeichen wird Immigration in Israel diskutiert: Das Land hat im letzten Jahrzehnt die Einwanderung von zehn Millionen Russen verkraftet. Derzeit verzeichnet das Land eine Welle von Einwanderern aus Argentinien. Umgekehrt wandern viele Israelis in die USA aus, vor allem besser qualifizierte.

Gleichzeitig kommen täglich 30.000 Palästinenser nach Israel arbeiten - in besseren Zeiten waren es sogar 100.000. Während die Übertritte aus dem Gazastreifen genau kontrolliert werden können, gibt es aus dem Westjordanland keine ausreichenden Kontrollmöglichkeiten. Daher arbeiten viele Palästinenser illegal in Israel, berichtete ein israelischer Wissenschaftler.

Mit 150 Millionen Menschen weltweit ist die Migration zu einem Weltphänomen geworden. Großteils geht es dabei um Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen wollen. Zugleich gibt es einen gewaltigen Strom der Binnenwanderung vom Land in die Städte.
Altersgrenzen einführen?

Einer der besonders heißen und ungelösten Aspekte dieses Weltproblems: Bis zu welchem Alter soll man die Immigration erlauben, damit Kinder die neue Sprache noch ohne Probleme lernen können? Denn Menschen mit schlechten Sprachkenntnissen werden beruflich immer Nachteile haben. Ein anderes ungelöstes Problem: Wie verhindert man, daß Immigranten - wie etwa aus Israel berichtet wird - Subgemeinden bilden, die sich nicht integrieren wollen, selbst wenn eine gemeinsame Religion eine gute Grundlage böte?
Ein spannendes Beispiel dazu ist auch Frankreich, wo nach dem von vielen aus Algerien stammenden Franzosen errungenen Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft eine Zeitlang ein Geist der Einheit zu entstehen schien; spätestens seit dem 11. September ist die Kluft quer durchs Land aber tiefer denn zuvor.

Und schließlich: Welche Kraft ist eigentlich stärker -  der Sog der Einwanderungsländer, die billige Arbeitskräfte suchen, oder der Druck der Auswanderungsländer mit ihren Aufstieg suchenden Massen? Sind diese Faktoren nicht stärker als alle Versuche von Regierungen, die Migration mit Vorschriften zu regulieren? Niemand wagte in New York, dieser Befürchtung zu widersprechen.
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