Behavioral Finance
Von Lemmingen und Kursblasen
16. März 2001 Viele Dinge, die mit einem bösen Erwachen enden, fangen oft ganz harmlos an. Das ist im normalen Alltagsleben nicht anders als an der Börse.
So war es auch bei der Spekulationsblase, die sich bis März 2000 an den Weltbörsen breit gemacht hatte. Auch da ging es zunächst unspektakulär los. Als 1982 die Hausse in den USA ihren Anfang nahm, verdienten zunächst nur wenige daran. Im Aktien-Entwicklungsland Deutschland wussten damals die meisten Menschen noch nicht einmal, wie man das Wort Aktie schreibt. Erst nach und nach entdeckten immer mehr Anleger das Thema Börse. Am Ende hatte der Bazillus Aktie dann aber fast jeden erwischt. Teilweise trug das Ganze sogar Züge von Massenhysterie. Wer mit offenen Augen durch die Welt ging, hätte spätestens da erkennen müssen, dass die Aktienmärkte ihre beste Zeit hinter sich haben. Denn woher soll weitere Nachfrage noch kommen, wenn bereits alle potenziellen Investoren engagiert sind.
Wie so oft, sieht man aber den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das ist verständlich, da menschlich. Überhaupt wimmelt es an der Börse nur so vor menschlichen Schwächen. Im Grunde genommen sind sie sogar die wichtigste Quelle allen Übels. Die Ursache, warum das so ist, hat mit Gier, Massenhysterie, Herdenverhalten, Gruppenzwang, Neid und Selbstbetrug zu tun.
Immer wieder das gleiche Strickmuster
Doch der Reihe nach: zu Beginn fängt wie gesagt alles ganz harmlos an. Das Beispiel Neuer Markt belegt es. Das vor vier Jahren gestartete Wachstumssegment nahmen zunächst nur die Insider wahr. Erst als man merkte, dass es hier Geld zu verdienen gibt, sprangen immer mehr Anleger auf den fahrenden Zug auf. Schließlich wollte man dabei sein und sich auch an der Gelddruckmaschine bedienen. Das ging auch lange gut. Aber nur so lange, bis der Zug wegen Überfüllung von den Gleisen rutschte.
Das Muster, nach dem die Sache ablief, war vermutlich ähnlich gestrickt wie die berühmte holländische Tulpenmanie, die sich zwischen 1634 und 1637 abspielte. Damals wie heute glaubte man, unbedingt mitmischen zu müssen. Wie eine Herde Lemminge stürzte man sich auf Tulpen oder zuletzt eben auf Aktien. Die Annahme lautete: was so lange so hoch gestiegen ist, wird bestimmt noch weiter steigen. Besonders gierig wurden diejenigen, die zuvor noch nicht am Futtertrog geleckt hatten. Denn sie sahen voller Neid und mit Schmerzen, dass der Nachbar oder der beste Freund immer reicher wurde, man selbst aber außen vor stand. Das musste sich ändern, und so tummelten sich am Ende viele unbedarfte Anleger an der Börse.
Hochmut kommt vor dem Fall
Selbst als der Bogen längst überspannt war, wurde das nicht mehr erkannt. Warnzeichen wurden entweder verdrängt oder als Fehlsignale abgelehnt. Letztlich wurden die hohen Kurse sogar mit neuen Bewertungsgesetzen verteidigt. Historisch betrachtet ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Party vorbei ist. Die dabei bei der Mehrheit der Anleger vorherrschende Einstellung bezeichnet der Wirtschaftsprofessor und Behavioral Finance-Experte Rüdiger von Nitzsch von der technischen Hochschule in Aachen zutreffend als „erlernte Sorglosigkeit“. Schließlich hatte man eingetrichtert bekommen, dass sich Aktien immer lohnen, wenn man nur lange genug durchhält.
Dabei hätte man es besser wissen können. So hatte US-Notenbankchef Alan Greenspan schon am 5. Dezember 1996 vor übertrieben hohen Aktienkursen gewarnt. Seine Rede von einem irrationalen Überschwang an den Börsen wurde nach einem kurzen Einbruch aber schnell wieder verdrängt und letztlich als wirres Gerede eines nicht mehr zeitgemäß denkenden alten Mannes abgetan. Ein teurer Fehler, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Die nächste Blase kommt bestimmt
Doch alle, die nun ihre Verluste zählen und erst jetzt zum ersten Mal etwas von Behavioral Finance gehört haben, nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, brauchen sich nicht zu grämen. Denn die Geschichte lehrt, dass dies nicht die letzte Kursblase an den Börsen gewesen ist. Die nächste irrationale Übertreibungsphase kommt bestimmt: Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jeder wird also noch einmal Gelegenheit bekommen, die neu erworbenen Behavioral Finance-Erkenntnisse in seine Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen.
gruß
proxi
Von Lemmingen und Kursblasen
16. März 2001 Viele Dinge, die mit einem bösen Erwachen enden, fangen oft ganz harmlos an. Das ist im normalen Alltagsleben nicht anders als an der Börse.
So war es auch bei der Spekulationsblase, die sich bis März 2000 an den Weltbörsen breit gemacht hatte. Auch da ging es zunächst unspektakulär los. Als 1982 die Hausse in den USA ihren Anfang nahm, verdienten zunächst nur wenige daran. Im Aktien-Entwicklungsland Deutschland wussten damals die meisten Menschen noch nicht einmal, wie man das Wort Aktie schreibt. Erst nach und nach entdeckten immer mehr Anleger das Thema Börse. Am Ende hatte der Bazillus Aktie dann aber fast jeden erwischt. Teilweise trug das Ganze sogar Züge von Massenhysterie. Wer mit offenen Augen durch die Welt ging, hätte spätestens da erkennen müssen, dass die Aktienmärkte ihre beste Zeit hinter sich haben. Denn woher soll weitere Nachfrage noch kommen, wenn bereits alle potenziellen Investoren engagiert sind.
Wie so oft, sieht man aber den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das ist verständlich, da menschlich. Überhaupt wimmelt es an der Börse nur so vor menschlichen Schwächen. Im Grunde genommen sind sie sogar die wichtigste Quelle allen Übels. Die Ursache, warum das so ist, hat mit Gier, Massenhysterie, Herdenverhalten, Gruppenzwang, Neid und Selbstbetrug zu tun.
Immer wieder das gleiche Strickmuster
Doch der Reihe nach: zu Beginn fängt wie gesagt alles ganz harmlos an. Das Beispiel Neuer Markt belegt es. Das vor vier Jahren gestartete Wachstumssegment nahmen zunächst nur die Insider wahr. Erst als man merkte, dass es hier Geld zu verdienen gibt, sprangen immer mehr Anleger auf den fahrenden Zug auf. Schließlich wollte man dabei sein und sich auch an der Gelddruckmaschine bedienen. Das ging auch lange gut. Aber nur so lange, bis der Zug wegen Überfüllung von den Gleisen rutschte.
Das Muster, nach dem die Sache ablief, war vermutlich ähnlich gestrickt wie die berühmte holländische Tulpenmanie, die sich zwischen 1634 und 1637 abspielte. Damals wie heute glaubte man, unbedingt mitmischen zu müssen. Wie eine Herde Lemminge stürzte man sich auf Tulpen oder zuletzt eben auf Aktien. Die Annahme lautete: was so lange so hoch gestiegen ist, wird bestimmt noch weiter steigen. Besonders gierig wurden diejenigen, die zuvor noch nicht am Futtertrog geleckt hatten. Denn sie sahen voller Neid und mit Schmerzen, dass der Nachbar oder der beste Freund immer reicher wurde, man selbst aber außen vor stand. Das musste sich ändern, und so tummelten sich am Ende viele unbedarfte Anleger an der Börse.
Hochmut kommt vor dem Fall
Selbst als der Bogen längst überspannt war, wurde das nicht mehr erkannt. Warnzeichen wurden entweder verdrängt oder als Fehlsignale abgelehnt. Letztlich wurden die hohen Kurse sogar mit neuen Bewertungsgesetzen verteidigt. Historisch betrachtet ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Party vorbei ist. Die dabei bei der Mehrheit der Anleger vorherrschende Einstellung bezeichnet der Wirtschaftsprofessor und Behavioral Finance-Experte Rüdiger von Nitzsch von der technischen Hochschule in Aachen zutreffend als „erlernte Sorglosigkeit“. Schließlich hatte man eingetrichtert bekommen, dass sich Aktien immer lohnen, wenn man nur lange genug durchhält.
Dabei hätte man es besser wissen können. So hatte US-Notenbankchef Alan Greenspan schon am 5. Dezember 1996 vor übertrieben hohen Aktienkursen gewarnt. Seine Rede von einem irrationalen Überschwang an den Börsen wurde nach einem kurzen Einbruch aber schnell wieder verdrängt und letztlich als wirres Gerede eines nicht mehr zeitgemäß denkenden alten Mannes abgetan. Ein teurer Fehler, wie sich mittlerweile herausgestellt hat.
Die nächste Blase kommt bestimmt
Doch alle, die nun ihre Verluste zählen und erst jetzt zum ersten Mal etwas von Behavioral Finance gehört haben, nachdem das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, brauchen sich nicht zu grämen. Denn die Geschichte lehrt, dass dies nicht die letzte Kursblase an den Börsen gewesen ist. Die nächste irrationale Übertreibungsphase kommt bestimmt: Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Jeder wird also noch einmal Gelegenheit bekommen, die neu erworbenen Behavioral Finance-Erkenntnisse in seine Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen.
gruß
proxi