23. Januar 2009 In der Zukunft, am 18. Mai 2009, um 16.50 Uhr: Maria-Elisabeth Schaeffler betritt das Kanzleramt in Berlin. Elegant, das schwarze Kostüm, die blonden Haare mit einer schwarzen Schleife zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie ist etwas zu früh. Aber zu einem Termin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt man lieber nicht auf die letzte Minute. Die Damen begrüßen sich herzlich. Bei Mürbegebäck und einer Tasse Darjeeling-Tee besprechen sie die letzten Details. Dann steht der Schirm: „Ja“, versichert die Kanzlerin, „Sie bekommen die Bürgschaft.“ Die Unternehmerin atmet auf. Um ein Haar hätte sie das Firmenerbe ihres verstorbenen Mannes an die Wand gefahren.
Die Finanzkrise hatte aus der ohnehin gewagten, schuldenfinanzierten Übernahme des dreimal so großen Konkurrenten Continental einen existenzgefährdenden Drahtseilakt gemacht. Mit der Staatsbürgschaft von Merkels Gnaden ist der Fall vom Hochseil verhindert. Der Steuerzahler haftet für den unternehmerischen Übermut eines fränkischen Familienunternehmens.
In der Gegenwart, Ende Januar 2009, ist das noch ein erfundenes Szenario, das absurd anmuten mag. Wer aber kann heute eine solche Entwicklung noch ausschließen, in einer Zeit der unbegrenzten Staatshilfen? Die Realität ist erschreckend nah. Denn einen Rettungsfall dieser Machart gibt es schon: Nur dank staatlicher Unterstützung ist die Commerzbank in der Lage, die Dresdner Bank zu übernehmen.
BlätternZum Thema
Schröder muss im Conti/Schaeffler-Streit vermitteln
Machtkampf bei Conti eskaliert
Maria-Elisabeth Schaeffler: „Wir gehen unbeirrt unseren Weg“
Schaeffler: „Die Banken stehen weiter zu uns“
Im Porträt: Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger
Eine westernhafte Übernahme
Und das dort zur Begründung bemühte „nationale Interesse“ ließe sich auf den Fall Schaeffler/Continental übertragen. Für dieses Gebilde mit einem addierten Umsatz von rund 34 Milliarden Euro arbeiten mehr als 200 000 Menschen. Für die Autoindustrie als Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist Conti in der Fahrzeugelektronik ein wichtiger Lieferant.
Genau deshalb hat Schaeffler, dessen Geschäft bisher auf mechanischen Produkten beruht, den Angriff auf Conti gewagt. Mit dem Zugriff auf die Technologie will das Familienunternehmen seine eigene Zukunft retten. Aus dem nachvollziehbaren Ansatz hat sich ein Übernahmedrama entsponnen, das in dieser Woche einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Muss Maria-Eslisabeth Schaeffler bald den Staat zur Hilfe holen?
Ein in der Öffentlichkeit, aber nicht unbedingt mit offenem Visier ausgetragener Kampf erregt die Gemüter. Im Mittelpunkt der Eskalation stehen Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Geschäftsführer Jürgen Geißinger einerseits und der Conti-Aufsichtsratsvorsitzende Hubertus von Grünberg andererseits, der für den Erhalt seiner Macht auch gerne mal die Seite wechselt.
Begonnen hat das Drama im vergangenen Sommer wie ein Western. Die Franken schlüpften in die Rolle der bösen Indianer. Im Schutz von Gesetzeslücken schlichen sie sich an und verschafften sich listig den Zugriff auf einen großen Teil des Conti-Kapitals.
Soll den Vorsitz des Aufsichtsrats abgeben: Hubertus von Grünberg
Der überraschte Conti-Vorstand wehrte sich, musste am Ende aber kapitulieren. Denn er hatte einen Verräter in den eigenen Reihen: Der mächtige Grünberg war von Anfang an ein großer Befürworter des Einstiegs der Schaeffler-Gruppe und stellte sich damit gegen seinen Vorstandsvorsitzenden Manfred Wennemer.
„Das Vetrauen ist zerstört“
Grünberg pflegte mit Maria-Elisabeth Schaeffler seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen. Doch aus Freundschaft ist inzwischen Feindschaft geworden. Insbesondere Grünbergs Verhältnis zum selbstgewissen Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger ist zerrüttet. Der nicht minder von sich selbst überzeugte Conti-Chefaufseher ist nicht einverstanden mit Geißingers Plänen, die Automobiltechniksparten beider zusammenzuführen. Er fürchtet, dass Schaeffler Conti dabei mit zu hohen Schulden befrachten könnte. Zudem beansprucht er für Conti die Führungsrolle in diesem Geschäftsfeld, da der hannoversche Konzern hier deutlich größer und kompetenter aufgestellt ist als Schaeffler.
Jürgen Geißinger, Geschäftsführer der Schaeffler KG
Die Franken indes geben nicht 10 Milliarden Euro aus, um sich als Juniorpartner mit wenig Mitspracherechten abspeisen zu lassen. Sie wollen den vollen Durchgriff. Das jedoch gelingt nur, davon sind Geißinger & Co. überzeugt, wenn Grünberg das Feld räumt. Aus Sicht der Franken geriert sich Grünberg immer noch als „Herrscher von Hannover“, obwohl sie nun seit drei Wochen offiziell der dominierende Großaktionär sind.
Also haben sie jegliche Zurückhaltung abgelegt und fahren schweres Geschütz auf: „Da der Aufsichtsratsvorsitzende gemeinsame Lösungen systematisch sabotiert und eigene Interessen verfolgt, ist das Vertrauen zerstört“, erklärte Schaeffler diese Woche über die Presse. Den Anteilseigner-Vertretern im Aufsichtsrat wurde ultimativ mit Abberufung gedroht, falls sie sich widersetzten.
Conti komplett übernehmen?
Das war eine Kriegserklärung - an Grünberg und den gesamten Aufsichtsrat. „Wir werden von Schaeffler als Marionetten dargestellt“, konterte Thorsten Reese, der für die leitenden Angestellten im Conti-Aufsichtsrat sitzt. Die Gewerkschaftsvertreter auf der Arbeitnehmerbank zeigten sich entsetzt über die aggressive Gangart der Franken.
Von den Anteilseignervertretern hat - interessanterweise - bislang niemand öffentlich für Grünberg Partei ergriffen. An diesem Samstag müssen sie Farbe bekennen: In einer Sondersitzung werden sich die Conti-Kontrolleure mit den Attacken befassen.
Der Aufsichtsrat wird sich dabei auch fragen lassen müssen, wie das Unternehmen ohne weiteren Schaden aus der Schlammschlacht der Alphatiere Grünberg und Geißinger herauskommen kann. Lassen sich die Conti-Aufseher von den Drohungen aus Franken beeindrucken? Gibt es einen Kompromiss, wird Frau Schaeffler Conti-Aufsichtsratsvorsitzende?
Gerüchteweise erwägt Schaeffler inzwischen gar, Conti komplett zu übernehmen, was offiziell dementiert wurde. Damit würden sie die Investorenvereinbarung, nach der sie ihren Anteil auf knapp unter 50 Prozent begrenzen müssen, brechen.
Das Eigenkapital fehlt
Aber bei aller Entschlossenheit zum Durchmarsch: Dass Schaeffler einen solchen Schritt wagt, ist unwahrscheinlich. Denn er birgt hohe Risiken. Conti steht bei den Banken mit 12 Milliarden Euro in der Kreide. Wenn Schaeffler offiziell die Aktienmehrheit übernimmt, haben die Banken vertraglich das Recht, ihre Kredite fällig zu stellen. Wegen der verschlechterten Ertragsaussichten in diesem Jahr hat Conti seine Kreditkonditionen mit den Banken gerade neu verhandelt. Dabei wurde die Investorenvereinbarung in die Kreditverträge eingearbeitet. Wenn der Investorenvertrag fällt, hätten die Banken auch dort ein Sonderkündigungsrecht.
Die Banken spielen ohnehin eine sonderbare Rolle. Am Anfang saßen sie noch in der ersten Reihe, jetzt spielen sie auf der Bühne eine der Hauptrollen - und sind mindestens so nervös wie die Protagonisten in Hannover und Herzogenaurach. Das Gebilde Schaeffler/Conti sitzt auf einem Schuldenberg von mehr als 20 Milliarden Euro. Daraus errechnet sich eine jährliche Zinslast von mindestens 1,2 Milliarden Euro. Das muss in Zeiten, in denen die Kunden aus der Automobilindustrie in Abgründe schauen, erst einmal im operativen Geschäft verdient werden.
Das zwang Conti-Finanzvorstand Alan Hippe zu der Bemerkung: „Wenn man sich das Gesamtsystem Schaeffler/Continental anschaut, dann wird relativ evident, dass Eigenkapital fehlt.“ Damit hat er sich in Herzogenaurach keine Freunde gemacht. Doch kann Geißinger den Widerständler von seiner Abschussliste streichen: Hippe wechselt zum Stahlkonzern Thyssen-Krupp, um dort als Finanzvorstand weiter zu wirken.
Derzeit kein Fremdkapital für Schaeffler KG
Ohne Frage braucht Schaeffler/Conti dringend frisches Eigenkapital. Die von Hippe grob in Aussicht gestellte Kapitalerhöhung ist wegen der neu erreichten Kurstiefen der Conti-Aktie nicht realisierbar. Also müsste Maria-Elisabeth Schaeffler ihr eigenes Unternehmen dem Kapital von Dritten öffnen. Bisher will sie das nicht. Gebetsmühlenartig wird deshalb wiederholt: Die Finanzierung steht.
Warum aber liegen die Nerven im Frankenland dennoch blank? Denn im Grunde ist der Spuk doch in drei Monaten vorbei, wenn am 23. April eine ordentliche Hauptversammlung die Schaeffler-Quadriga mit vier Entsandten im neuen Aufsichtsrat implementiert hat. Auf dem Aktionärstreffen haben sie das Sagen, mit einem Anteil von mindestens 90 Prozent der Stimmenpräsenz.
Der Grund für die Aufregung ist denn auch, dass es um das schnellstmögliche Schaffen von klaren Verhältnissen geht. Zur Beurteilung der Lage ist es zudem nicht förderlich, dass Schaeffler als Familienunternehmen intransparent ist. Niemand kennt die Vereinbarungen mit den Kreditgebern. Und über das genaue Zusammenspiel mit den Banken Sal. Oppenheim und Metzler kann man nur rätseln. Bei ihnen hat Schaeffler 40 Prozent der Conti-Aktien geparkt. Diese Aktien sollten marktschonend plaziert werden, weil sie über die zugesagte Beteiligungshöhe von 49,99 Prozent hinausgehen.
Da werden nicht nur die Banken nervös
Spannend ist deshalb die Frage, ob in der Schaeffler-Bilanz nicht eine Wertberichtigungsbombe tickt. Für 75 Euro haben sie die Aktien erworben, die nicht einmal mehr 18 Euro wert sind. Das dürfte nicht nur die Banken nervös machen. Kunden und Lieferanten könnten die Solvenz von Schaeffler hinterfragen.
Wo also Geld hernehmen? Vielleicht greift Maria-Elisabeth Schaeffler in die Privatschatulle, wenn sie schon keinen Investor von draußen haben will. Vielleicht hofft sie tatsächlich und klammheimlich auch nur, sich über die schwierige Zeit hinwegzuretten. Mit einer Staatsbürgschaft - zum Beispiel.
Da sind wir wieder, zurück in der Zukunft: Die Kanzlerin begleitet an jenem 18. Mai die überglückliche Frau Schaeffler zur Tür. Dort wartet schon ein guter Bekannter: Martin Blessing. Seit der Übernahme der Dresdner Bank ist der Commerzbank-Chef der mit Abstand größte Kreditgeber von Schaeffler.
Die Finanzkrise hatte aus der ohnehin gewagten, schuldenfinanzierten Übernahme des dreimal so großen Konkurrenten Continental einen existenzgefährdenden Drahtseilakt gemacht. Mit der Staatsbürgschaft von Merkels Gnaden ist der Fall vom Hochseil verhindert. Der Steuerzahler haftet für den unternehmerischen Übermut eines fränkischen Familienunternehmens.
In der Gegenwart, Ende Januar 2009, ist das noch ein erfundenes Szenario, das absurd anmuten mag. Wer aber kann heute eine solche Entwicklung noch ausschließen, in einer Zeit der unbegrenzten Staatshilfen? Die Realität ist erschreckend nah. Denn einen Rettungsfall dieser Machart gibt es schon: Nur dank staatlicher Unterstützung ist die Commerzbank in der Lage, die Dresdner Bank zu übernehmen.
BlätternZum Thema
Schröder muss im Conti/Schaeffler-Streit vermitteln
Machtkampf bei Conti eskaliert
Maria-Elisabeth Schaeffler: „Wir gehen unbeirrt unseren Weg“
Schaeffler: „Die Banken stehen weiter zu uns“
Im Porträt: Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger
Eine westernhafte Übernahme
Und das dort zur Begründung bemühte „nationale Interesse“ ließe sich auf den Fall Schaeffler/Continental übertragen. Für dieses Gebilde mit einem addierten Umsatz von rund 34 Milliarden Euro arbeiten mehr als 200 000 Menschen. Für die Autoindustrie als Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist Conti in der Fahrzeugelektronik ein wichtiger Lieferant.
Genau deshalb hat Schaeffler, dessen Geschäft bisher auf mechanischen Produkten beruht, den Angriff auf Conti gewagt. Mit dem Zugriff auf die Technologie will das Familienunternehmen seine eigene Zukunft retten. Aus dem nachvollziehbaren Ansatz hat sich ein Übernahmedrama entsponnen, das in dieser Woche einen neuen Höhepunkt erreicht hat.
Muss Maria-Eslisabeth Schaeffler bald den Staat zur Hilfe holen?
Ein in der Öffentlichkeit, aber nicht unbedingt mit offenem Visier ausgetragener Kampf erregt die Gemüter. Im Mittelpunkt der Eskalation stehen Maria-Elisabeth Schaeffler und ihr Geschäftsführer Jürgen Geißinger einerseits und der Conti-Aufsichtsratsvorsitzende Hubertus von Grünberg andererseits, der für den Erhalt seiner Macht auch gerne mal die Seite wechselt.
Begonnen hat das Drama im vergangenen Sommer wie ein Western. Die Franken schlüpften in die Rolle der bösen Indianer. Im Schutz von Gesetzeslücken schlichen sie sich an und verschafften sich listig den Zugriff auf einen großen Teil des Conti-Kapitals.
Soll den Vorsitz des Aufsichtsrats abgeben: Hubertus von Grünberg
Der überraschte Conti-Vorstand wehrte sich, musste am Ende aber kapitulieren. Denn er hatte einen Verräter in den eigenen Reihen: Der mächtige Grünberg war von Anfang an ein großer Befürworter des Einstiegs der Schaeffler-Gruppe und stellte sich damit gegen seinen Vorstandsvorsitzenden Manfred Wennemer.
„Das Vetrauen ist zerstört“
Grünberg pflegte mit Maria-Elisabeth Schaeffler seit vielen Jahren freundschaftliche Beziehungen. Doch aus Freundschaft ist inzwischen Feindschaft geworden. Insbesondere Grünbergs Verhältnis zum selbstgewissen Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geißinger ist zerrüttet. Der nicht minder von sich selbst überzeugte Conti-Chefaufseher ist nicht einverstanden mit Geißingers Plänen, die Automobiltechniksparten beider zusammenzuführen. Er fürchtet, dass Schaeffler Conti dabei mit zu hohen Schulden befrachten könnte. Zudem beansprucht er für Conti die Führungsrolle in diesem Geschäftsfeld, da der hannoversche Konzern hier deutlich größer und kompetenter aufgestellt ist als Schaeffler.
Jürgen Geißinger, Geschäftsführer der Schaeffler KG
Die Franken indes geben nicht 10 Milliarden Euro aus, um sich als Juniorpartner mit wenig Mitspracherechten abspeisen zu lassen. Sie wollen den vollen Durchgriff. Das jedoch gelingt nur, davon sind Geißinger & Co. überzeugt, wenn Grünberg das Feld räumt. Aus Sicht der Franken geriert sich Grünberg immer noch als „Herrscher von Hannover“, obwohl sie nun seit drei Wochen offiziell der dominierende Großaktionär sind.
Also haben sie jegliche Zurückhaltung abgelegt und fahren schweres Geschütz auf: „Da der Aufsichtsratsvorsitzende gemeinsame Lösungen systematisch sabotiert und eigene Interessen verfolgt, ist das Vertrauen zerstört“, erklärte Schaeffler diese Woche über die Presse. Den Anteilseigner-Vertretern im Aufsichtsrat wurde ultimativ mit Abberufung gedroht, falls sie sich widersetzten.
Conti komplett übernehmen?
Das war eine Kriegserklärung - an Grünberg und den gesamten Aufsichtsrat. „Wir werden von Schaeffler als Marionetten dargestellt“, konterte Thorsten Reese, der für die leitenden Angestellten im Conti-Aufsichtsrat sitzt. Die Gewerkschaftsvertreter auf der Arbeitnehmerbank zeigten sich entsetzt über die aggressive Gangart der Franken.
Von den Anteilseignervertretern hat - interessanterweise - bislang niemand öffentlich für Grünberg Partei ergriffen. An diesem Samstag müssen sie Farbe bekennen: In einer Sondersitzung werden sich die Conti-Kontrolleure mit den Attacken befassen.
Der Aufsichtsrat wird sich dabei auch fragen lassen müssen, wie das Unternehmen ohne weiteren Schaden aus der Schlammschlacht der Alphatiere Grünberg und Geißinger herauskommen kann. Lassen sich die Conti-Aufseher von den Drohungen aus Franken beeindrucken? Gibt es einen Kompromiss, wird Frau Schaeffler Conti-Aufsichtsratsvorsitzende?
Gerüchteweise erwägt Schaeffler inzwischen gar, Conti komplett zu übernehmen, was offiziell dementiert wurde. Damit würden sie die Investorenvereinbarung, nach der sie ihren Anteil auf knapp unter 50 Prozent begrenzen müssen, brechen.
Das Eigenkapital fehlt
Aber bei aller Entschlossenheit zum Durchmarsch: Dass Schaeffler einen solchen Schritt wagt, ist unwahrscheinlich. Denn er birgt hohe Risiken. Conti steht bei den Banken mit 12 Milliarden Euro in der Kreide. Wenn Schaeffler offiziell die Aktienmehrheit übernimmt, haben die Banken vertraglich das Recht, ihre Kredite fällig zu stellen. Wegen der verschlechterten Ertragsaussichten in diesem Jahr hat Conti seine Kreditkonditionen mit den Banken gerade neu verhandelt. Dabei wurde die Investorenvereinbarung in die Kreditverträge eingearbeitet. Wenn der Investorenvertrag fällt, hätten die Banken auch dort ein Sonderkündigungsrecht.
Die Banken spielen ohnehin eine sonderbare Rolle. Am Anfang saßen sie noch in der ersten Reihe, jetzt spielen sie auf der Bühne eine der Hauptrollen - und sind mindestens so nervös wie die Protagonisten in Hannover und Herzogenaurach. Das Gebilde Schaeffler/Conti sitzt auf einem Schuldenberg von mehr als 20 Milliarden Euro. Daraus errechnet sich eine jährliche Zinslast von mindestens 1,2 Milliarden Euro. Das muss in Zeiten, in denen die Kunden aus der Automobilindustrie in Abgründe schauen, erst einmal im operativen Geschäft verdient werden.
Das zwang Conti-Finanzvorstand Alan Hippe zu der Bemerkung: „Wenn man sich das Gesamtsystem Schaeffler/Continental anschaut, dann wird relativ evident, dass Eigenkapital fehlt.“ Damit hat er sich in Herzogenaurach keine Freunde gemacht. Doch kann Geißinger den Widerständler von seiner Abschussliste streichen: Hippe wechselt zum Stahlkonzern Thyssen-Krupp, um dort als Finanzvorstand weiter zu wirken.
Derzeit kein Fremdkapital für Schaeffler KG
Ohne Frage braucht Schaeffler/Conti dringend frisches Eigenkapital. Die von Hippe grob in Aussicht gestellte Kapitalerhöhung ist wegen der neu erreichten Kurstiefen der Conti-Aktie nicht realisierbar. Also müsste Maria-Elisabeth Schaeffler ihr eigenes Unternehmen dem Kapital von Dritten öffnen. Bisher will sie das nicht. Gebetsmühlenartig wird deshalb wiederholt: Die Finanzierung steht.
Warum aber liegen die Nerven im Frankenland dennoch blank? Denn im Grunde ist der Spuk doch in drei Monaten vorbei, wenn am 23. April eine ordentliche Hauptversammlung die Schaeffler-Quadriga mit vier Entsandten im neuen Aufsichtsrat implementiert hat. Auf dem Aktionärstreffen haben sie das Sagen, mit einem Anteil von mindestens 90 Prozent der Stimmenpräsenz.
Der Grund für die Aufregung ist denn auch, dass es um das schnellstmögliche Schaffen von klaren Verhältnissen geht. Zur Beurteilung der Lage ist es zudem nicht förderlich, dass Schaeffler als Familienunternehmen intransparent ist. Niemand kennt die Vereinbarungen mit den Kreditgebern. Und über das genaue Zusammenspiel mit den Banken Sal. Oppenheim und Metzler kann man nur rätseln. Bei ihnen hat Schaeffler 40 Prozent der Conti-Aktien geparkt. Diese Aktien sollten marktschonend plaziert werden, weil sie über die zugesagte Beteiligungshöhe von 49,99 Prozent hinausgehen.
Da werden nicht nur die Banken nervös
Spannend ist deshalb die Frage, ob in der Schaeffler-Bilanz nicht eine Wertberichtigungsbombe tickt. Für 75 Euro haben sie die Aktien erworben, die nicht einmal mehr 18 Euro wert sind. Das dürfte nicht nur die Banken nervös machen. Kunden und Lieferanten könnten die Solvenz von Schaeffler hinterfragen.
Wo also Geld hernehmen? Vielleicht greift Maria-Elisabeth Schaeffler in die Privatschatulle, wenn sie schon keinen Investor von draußen haben will. Vielleicht hofft sie tatsächlich und klammheimlich auch nur, sich über die schwierige Zeit hinwegzuretten. Mit einer Staatsbürgschaft - zum Beispiel.
Da sind wir wieder, zurück in der Zukunft: Die Kanzlerin begleitet an jenem 18. Mai die überglückliche Frau Schaeffler zur Tür. Dort wartet schon ein guter Bekannter: Martin Blessing. Seit der Übernahme der Dresdner Bank ist der Commerzbank-Chef der mit Abstand größte Kreditgeber von Schaeffler.