Der Neue Markt ist lange tot. Die Aktien daraus sind längst vergessen, wegen der geringen Marktkapitalisierung in keinem Index mehr vertreten. Doch einige der Börsenzwerge haben in den vergangenen Monaten hart an ihrem Comeback gearbeitet. Drei Unternehmen des ehemaligen Neuen Marktes schätzt Norbert Kretlow von Independent Research inzwischen sogar als echte Turn-around-Kandidaten ein.
Am weitesten gediehen sind die Anstrengungen bei der IBS. Der Softwareanbieter hat sich auf das Qualitätsmanagement in der Automobilindustrie spezialisiert. Mit seinen Programmen kann ein Hersteller beispielsweise verfolgen, welches Teil von welchem Zulieferer stammt. Geschäftsprozesse werden dadurch optimiert, Kosten gesenkt.
Anfang 2002 geriet IBS in die Krise. "Damals ging die Nachfrage stark zurück und davon wurden vor allem die zuvor gekauften Tochtergesellschaften getroffen", erklärt Analyst Kretlow. Das Management reagierte jedoch schnell, stieß die Töchter wieder ab und schaffte schon bis Ende 2002 die Rückkehr in die Gewinnzone. Inzwischen sind die Margen beim Betriebsergebnis (EBIT) und beim Cashflow wieder klar positiv. "Und die Resonanz bei den Kunden nimmt zu", stellt Kretlow fest. Erst in der vergangenen Woche gewann IBS einen Neukunden.
Etwas langwieriger war der Umbauprozess bei Cenit aus Stuttgart. Das Unternehmen vermarktet Software und hat seinen Schwerpunkt ebenfalls in der Automobilbranche. Cenit- Programme werden beispielsweise für das Design der Produkte eingesetzt. Das Besondere: Über die Anbindung ans Internet kann weltweit an ein und demselben Werkstück gearbeitet werden. Wenn der Ingenieur in Stuttgart Feierabend hat, macht der Kollege in den USA weiter.
"In den vergangenen Monaten war die Innovationsbereitschaft der Kunden jedoch sehr gering", nennt Norbert Kretlow einen Grund für die Probleme bei Cenit. Zudem hatten auch die Stuttgarter erfolglos Geld in eine Internationalisierung gesteckt. Nun allerdings konzentrieren sie sich wieder auf ihren Heimatmarkt. "Außerdem deutet sich an, dass einige Großkunden einen Versionswechsel bei der Software vornehmen", sagt Kretlow. Das könnte Umsatz und Ergebnis zusätzlich verbessern. Die Basis dafür ist gut: Im zweiten Quartal waren EBIT und Cashflow wieder im positiven Bereich.
Etwas anders ist die Lage beim dritten Turn-around-Kandidaten: d+s online. Der Callcenter-Betreiber hat sich nicht bei Übernahmen verspekuliert, sondern litt unter massivem Preisverfall. Der durchschnittliche Umsatz pro Anruf fiel in den vergangenen beiden Jahren von 75 bis 80 auf 50 bis 60 Cent. Nun scheinen sich die Preise zu stabilisieren. Zudem gelang es d+s online seine Kostenstruktur flexibler zu gestalten. Das Unternehmen kann daher besser auf Spitzen und Täler bei der Auslastung reagieren. Nach wie vor schreibt man zwar rote Zahlen. "Der Break-even zeichnet sich aber ab", glaubt Analyst Kretlow. Durch eine angekündigte Akquisition, die in Kürze erfolgen dürfte, wird das Unternehmen zudem an der Konsolidierung am Markt teilnehmen. "Die Margen des Unternehmens dürften dadurch mittelfristig besser werden", so Kretlow.
Alle drei Aktien haben in den vergangenen Monaten bereits deutlich zugelegt. "Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von sechs auf Basis der Zahlen von 2004 bei Cenit zeigt aber, dass das allein kein Argument ist", so der Analyst. Die Titel versprechen seiner Meinung nach eine gute Performance. "Als kleine, marktenge Werte haben sie aber auch ein höheres Risiko", macht er den Anlegern dennoch bewusst.
Jan v.Nelle
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