für alle, die es interessiert und die es nicht kennen.
sollte man im auge behalten. da u.u. interessant für märkte und wirtschaft.
U S A A U F D E M E G O - T R I P
"Bush ist ein Lehrling"
Kyoto-Vertrag, Biowaffenkonvention, ABM-Vertrag - US-Präsident George W. Bush sagt zu etlichen internationalen Abkommen Nein. SPIEGEL ONLINE sprach mit dem Göttinger Politikwissenschaftler Peter Lösche über den neuen Kurs Amerikas.
SPIEGEL ONLINE: Wird George W. Bush als "Mr. No" in die Geschichtsbücher eingehen?
Peter Lösche: Das wäre eine schöne Analogie zum "Mr. Njet" der Sowjetunion, dem legendären Außenminister Andrej Gromyko. Seit George W. Bush das Amt des US-Präsidenten übernommen hat, kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass er eine kontinuierliche Linie verfolgt, die vom Multilateralismus wegführt und über den Bilateralismus in der Dominanz der Vereinigten Staaten mündet - also in einem, fast könnte man sagen, Unilateralismus. Es kann sein, dass sich diese Tendenz endgültig durchsetzt. Aber ich bezweifle das. Denn innerhalb der Vereinigten Staaten gibt es ziemlich großen Widerstand dagegen, und zwar sowohl im politischen System - selbst in der Exekutive - wie auch in der Gesellschaft. Dieser Widerstand wächst, und das wird sich am Ende auch in der Außenpolitik niederschlagen.
SPIEGEL ONLINE: Wer bestimmt denn derzeit die Außenpolitik der USA?
Lösche: Das ist unklar. Da gibt es einmal das Außenministerium unter Colin Powell, der viel stärker international kooperieren möchte, eher auch multilateral. Dann sind da noch die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sowie die alte Garde: also Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Schwer einzuschätzen ist auch die Rolle von Vater Bush. Es geht in der amerikanischen Außenpolitik immer darum, wer gerade das Ohr des Präsidenten gewinnt. Und bei einem so unbedarften Außenpolitiker wie George W. Bush ist es klar, dass die Außenpolitik selbst voller Widersprüche sein wird. Diese Widersprüche spiegeln natürlich auch Konflikte innerhalb der amerikanischen Gesellschaft wieder.
SPIEGEL ONLINE: Bush lässt momentan die Muskeln der letzten Supermacht spielen und sorgt damit für internationale Verwirrung. Seine Botschaft lautet: "Wir sagen, wo es langgeht." Will er damit innenpolitisch seine Position stärken?
Lösche: Das auf jeden Fall. Dieses Gerede vom Ende des Bipolarismus und vom Beginn des Unipolarismus ist natürlich absurd. Unipolarismus gibt es gar nicht. Es gibt eine Weltmacht, das weiß man auch in den USA, die das internationale System beherrscht. Dann kommt aber hinzu, was diese internationalen Irritationen hervorruft, dass es in den USA immer eine Grundströmung hin zum Isolationismus gegeben hat. Dieser Grundströmung konnte man in Zeiten des Kalten Krieges leicht wiederstehen. Heute ist das anders. Man verkündet: "Wir setzen unser nationales Interesse - und das ist vor allem ein ökonomisches Interesse - vorbehaltlos durch." Und mit solch einem grobschlächtigen Unilateralismus lässt sich diese innenpolitische Tendenz zum Neoisolationismus, die gerade bei den Stammwählern der Republikaner vorhanden ist, neutralisieren.
SPIEGEL ONLINE: Das erklärt ja noch nicht, warum er so häufig einfach nur den Nein-Sager mimt. Bush könnte ja auch Alternativvorschläge unterbreiten und so auf internationalem Parkett zumindest Verhandlungsbereitschaft signalisieren.
Lösche: Dabei muss man bedenken, dass die amerikanische Administration ja noch nicht richtig im Sattel sitzt. Es ist ja überhaupt erst ein gutes Viertel der politischen Beamten ernannt. Die sind also noch dabei, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Und die Verhandlungsbereitschaft, die kommt eher auf innenpolitischen Druck zu Stande. Beispiel Kyoto-Protokoll: Da gab es ja zunächst mal international große Irritationen, aber auch national. Denn es gibt in den USA eine starke Umweltbewegung, die innenpolitisch Einfluss hat. Und schließlich waren aus den USA durchaus moderatere Töne zu hören. Es gibt immer wieder Signale zur Modifikation, die über dieses reine Njet oder No hinausgehen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Bush nun auf Unilateralismus setzt, was bedeutet das für den Rest der Welt?
Lösche: Da besteht natürlich eine Gefahr, wenn sich diese Politik, so wie sie sich im Moment abzeichnet, robust durchsetzen sollte. Dann kann es natürlich zu einer Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt kommen, weil diese amerikanische Borniertheit dann die anderen zusammenschweißen würde. Aber vieles, wie das Umweltthema etwa, kann nur multilateral im Konzert der Nationen geregelt werden. Und das gilt besonders für den Bereich, in dem die USA am stärksten ihre Interessen durchsetzen: die Ökonomie. Da gibt es natürlich die Notwendigkeit, internationale Institutionen zu haben, zu kooperieren, sich wenigstens hin und wieder zusammenzusetzen und zu verständigen wie bei G 7, G 8. Vor allem die großen transnationalen Konzerne haben Interesse an internationaler Kooperation, aber unter Umständen auch an Regelungen im internationalen System, über die Weltbank etwa oder den internationalen Währungsfond. Also Bushs Kurs ist in den USA nicht ohne Widersprüche.
SPIEGEL ONLINE: Klingt ja so, als wäre Bush noch in einer Art Findungsphase.
Lösche: Ist er auch. Er ist ein Lehrling wie jeder amerikanische Präsident, der ins Weiße Haus kommt. Die sind alle unvorbereitet, fast ohne Ausnahme - sein Vater war übrigens eine Ausnahme. Die waren vorher häufig Gouverneure, haben in der Außenpolitik keine großen Erfahrungen. Präsidentenwahlen werden in Amerika schließlich über die Innenpolitik gewonnen. Bei Bush jr. ist das nun besonders eklatant, weil der nun wirklich überhaupt keine außenpolitische Erfahrung hat.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange dauert denn die Lehrlingszeit von Bush noch?
Lösche: In den Zeiten des Kalten Krieges war ein Präsident gezwungen, sehr schnell zu lernen - innerhalb von zwei, drei Jahren. Bei Bush ist dieser außenpolitische Druck nicht vorhanden. Deshalb kann das durchaus seine ganze erste Amtszeit dauern. Die Innenpolitik bestimmt das, was er außenpolitisch macht. Und Innen- und Wirtschaftspolitik heißt immer auch Wahlkampf. Das ist ein permanenter Wahlkampf in den USA.
SPIEGEL ONLINE: Demnächst soll in Südafrika die Welt-Rassismus-Konferenz stattfinden. Die amerikanische Position lautet im Moment: "Wenn dort über die Frage Entschädigung für Sklaverei und Apartheid in der Vergangenheit debattiert wird, dann kommen wir nicht." Warum hat die US-Regierung ein so großes Problem, darüber zu reden?
Lösche: Es geht um die Wählerschaft der Republikaner. Clinton hätte in seiner Amtszeit ohne weiteres zu einer solchen Konferenz fahren können, denn 85 Prozent der Schwarzen haben Clinton gewählt. Bush dagegen nur zehn Prozent der Schwarzen. Dafür hat er die Unterstützung von konservativen bis reaktionären weißen Mainstream-Amerikanern. Und die würden das überhaupt nicht gouttieren.
SPIEGEL ONLINE: Was ist das Problem dabei?
Lösche: Das Land ist gespalten, wenn es um die Frage geht, sich bei den Schwarzen eventuell zu entschuldigen oder sogar Entschädigungszahlungen zu leisten. Und das ist auch eine Spaltung zwischen demokratischen und republikanischen Stammwählern. Und Bush will seine Stammwähler einfach nicht verprellen.
Politik-Professor Peter Lösche lehrt am Zentrum für Europa- und Nordamerika-Studien der Uni Göttingen
sollte man im auge behalten. da u.u. interessant für märkte und wirtschaft.
U S A A U F D E M E G O - T R I P
"Bush ist ein Lehrling"
Kyoto-Vertrag, Biowaffenkonvention, ABM-Vertrag - US-Präsident George W. Bush sagt zu etlichen internationalen Abkommen Nein. SPIEGEL ONLINE sprach mit dem Göttinger Politikwissenschaftler Peter Lösche über den neuen Kurs Amerikas.
SPIEGEL ONLINE: Wird George W. Bush als "Mr. No" in die Geschichtsbücher eingehen?
Peter Lösche: Das wäre eine schöne Analogie zum "Mr. Njet" der Sowjetunion, dem legendären Außenminister Andrej Gromyko. Seit George W. Bush das Amt des US-Präsidenten übernommen hat, kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass er eine kontinuierliche Linie verfolgt, die vom Multilateralismus wegführt und über den Bilateralismus in der Dominanz der Vereinigten Staaten mündet - also in einem, fast könnte man sagen, Unilateralismus. Es kann sein, dass sich diese Tendenz endgültig durchsetzt. Aber ich bezweifle das. Denn innerhalb der Vereinigten Staaten gibt es ziemlich großen Widerstand dagegen, und zwar sowohl im politischen System - selbst in der Exekutive - wie auch in der Gesellschaft. Dieser Widerstand wächst, und das wird sich am Ende auch in der Außenpolitik niederschlagen.
SPIEGEL ONLINE: Wer bestimmt denn derzeit die Außenpolitik der USA?
Lösche: Das ist unklar. Da gibt es einmal das Außenministerium unter Colin Powell, der viel stärker international kooperieren möchte, eher auch multilateral. Dann sind da noch die Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sowie die alte Garde: also Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Schwer einzuschätzen ist auch die Rolle von Vater Bush. Es geht in der amerikanischen Außenpolitik immer darum, wer gerade das Ohr des Präsidenten gewinnt. Und bei einem so unbedarften Außenpolitiker wie George W. Bush ist es klar, dass die Außenpolitik selbst voller Widersprüche sein wird. Diese Widersprüche spiegeln natürlich auch Konflikte innerhalb der amerikanischen Gesellschaft wieder.
SPIEGEL ONLINE: Bush lässt momentan die Muskeln der letzten Supermacht spielen und sorgt damit für internationale Verwirrung. Seine Botschaft lautet: "Wir sagen, wo es langgeht." Will er damit innenpolitisch seine Position stärken?
Lösche: Das auf jeden Fall. Dieses Gerede vom Ende des Bipolarismus und vom Beginn des Unipolarismus ist natürlich absurd. Unipolarismus gibt es gar nicht. Es gibt eine Weltmacht, das weiß man auch in den USA, die das internationale System beherrscht. Dann kommt aber hinzu, was diese internationalen Irritationen hervorruft, dass es in den USA immer eine Grundströmung hin zum Isolationismus gegeben hat. Dieser Grundströmung konnte man in Zeiten des Kalten Krieges leicht wiederstehen. Heute ist das anders. Man verkündet: "Wir setzen unser nationales Interesse - und das ist vor allem ein ökonomisches Interesse - vorbehaltlos durch." Und mit solch einem grobschlächtigen Unilateralismus lässt sich diese innenpolitische Tendenz zum Neoisolationismus, die gerade bei den Stammwählern der Republikaner vorhanden ist, neutralisieren.
SPIEGEL ONLINE: Das erklärt ja noch nicht, warum er so häufig einfach nur den Nein-Sager mimt. Bush könnte ja auch Alternativvorschläge unterbreiten und so auf internationalem Parkett zumindest Verhandlungsbereitschaft signalisieren.
Lösche: Dabei muss man bedenken, dass die amerikanische Administration ja noch nicht richtig im Sattel sitzt. Es ist ja überhaupt erst ein gutes Viertel der politischen Beamten ernannt. Die sind also noch dabei, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Und die Verhandlungsbereitschaft, die kommt eher auf innenpolitischen Druck zu Stande. Beispiel Kyoto-Protokoll: Da gab es ja zunächst mal international große Irritationen, aber auch national. Denn es gibt in den USA eine starke Umweltbewegung, die innenpolitisch Einfluss hat. Und schließlich waren aus den USA durchaus moderatere Töne zu hören. Es gibt immer wieder Signale zur Modifikation, die über dieses reine Njet oder No hinausgehen.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Bush nun auf Unilateralismus setzt, was bedeutet das für den Rest der Welt?
Lösche: Da besteht natürlich eine Gefahr, wenn sich diese Politik, so wie sie sich im Moment abzeichnet, robust durchsetzen sollte. Dann kann es natürlich zu einer Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt kommen, weil diese amerikanische Borniertheit dann die anderen zusammenschweißen würde. Aber vieles, wie das Umweltthema etwa, kann nur multilateral im Konzert der Nationen geregelt werden. Und das gilt besonders für den Bereich, in dem die USA am stärksten ihre Interessen durchsetzen: die Ökonomie. Da gibt es natürlich die Notwendigkeit, internationale Institutionen zu haben, zu kooperieren, sich wenigstens hin und wieder zusammenzusetzen und zu verständigen wie bei G 7, G 8. Vor allem die großen transnationalen Konzerne haben Interesse an internationaler Kooperation, aber unter Umständen auch an Regelungen im internationalen System, über die Weltbank etwa oder den internationalen Währungsfond. Also Bushs Kurs ist in den USA nicht ohne Widersprüche.
SPIEGEL ONLINE: Klingt ja so, als wäre Bush noch in einer Art Findungsphase.
Lösche: Ist er auch. Er ist ein Lehrling wie jeder amerikanische Präsident, der ins Weiße Haus kommt. Die sind alle unvorbereitet, fast ohne Ausnahme - sein Vater war übrigens eine Ausnahme. Die waren vorher häufig Gouverneure, haben in der Außenpolitik keine großen Erfahrungen. Präsidentenwahlen werden in Amerika schließlich über die Innenpolitik gewonnen. Bei Bush jr. ist das nun besonders eklatant, weil der nun wirklich überhaupt keine außenpolitische Erfahrung hat.
SPIEGEL ONLINE: Wie lange dauert denn die Lehrlingszeit von Bush noch?
Lösche: In den Zeiten des Kalten Krieges war ein Präsident gezwungen, sehr schnell zu lernen - innerhalb von zwei, drei Jahren. Bei Bush ist dieser außenpolitische Druck nicht vorhanden. Deshalb kann das durchaus seine ganze erste Amtszeit dauern. Die Innenpolitik bestimmt das, was er außenpolitisch macht. Und Innen- und Wirtschaftspolitik heißt immer auch Wahlkampf. Das ist ein permanenter Wahlkampf in den USA.
SPIEGEL ONLINE: Demnächst soll in Südafrika die Welt-Rassismus-Konferenz stattfinden. Die amerikanische Position lautet im Moment: "Wenn dort über die Frage Entschädigung für Sklaverei und Apartheid in der Vergangenheit debattiert wird, dann kommen wir nicht." Warum hat die US-Regierung ein so großes Problem, darüber zu reden?
Lösche: Es geht um die Wählerschaft der Republikaner. Clinton hätte in seiner Amtszeit ohne weiteres zu einer solchen Konferenz fahren können, denn 85 Prozent der Schwarzen haben Clinton gewählt. Bush dagegen nur zehn Prozent der Schwarzen. Dafür hat er die Unterstützung von konservativen bis reaktionären weißen Mainstream-Amerikanern. Und die würden das überhaupt nicht gouttieren.
SPIEGEL ONLINE: Was ist das Problem dabei?
Lösche: Das Land ist gespalten, wenn es um die Frage geht, sich bei den Schwarzen eventuell zu entschuldigen oder sogar Entschädigungszahlungen zu leisten. Und das ist auch eine Spaltung zwischen demokratischen und republikanischen Stammwählern. Und Bush will seine Stammwähler einfach nicht verprellen.
Politik-Professor Peter Lösche lehrt am Zentrum für Europa- und Nordamerika-Studien der Uni Göttingen