TV-Duell ist Risiko für Schröder und Stoiber

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TV-Duell ist Risiko für Schröder und Stoiber

 
22.08.02 12:54


TV-Duell ist Risiko für Schröder und Stoiber

- Von Matthias Sobolewski -

TV-Duell ist Risiko für Schröder und Stoiber 758899

Berlin (Reuters) - Als Medienereignis sprengt das erste "TV-Duell" zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Edmund Stoiber (CSU) am Sonntagabend schon jetzt alle Grenzen. Nicht weniger als 200 Mitarbeiter von RTL und Sat 1 bereiten den Wortabtausch seit Mai vor. Ob die aus den USA importierte Wahlkampf-Zuspitzung im Fernsehen auch hier zu Lande wahlentscheidend sein könnte, ist umstritten. Einig sind sich Politologen und Meinungsforscher aber, das Schröder mit den TV-Duellen ein größeres Risiko eingeht als Stoiber.

Kein Detail haben die Sekundanten und die Privatsender dem Zufall überlassen, wenn am Sonntag um 20.30 Uhr die Duellanten das 620 Quadratmeter große Studio B in Berlin Adlershof betreten: Sollen sie stehen oder sitzen (stehen), wer darf die erste, wer die letzte Frage beantworten (wird ausgelost), wie oft (zwei Mal) darf nachgefragt werden und so weiter. Auch das Essen wurde geklärt: Stoiber bekomme "Mini-Fleischpflanzerl", berichtet RTL, Schröder "Vier-Länder-Ente mit Sommergemüse". Für die 300 erwarteten Journalisten und die Mitarbeiter liefert ein Feinkost-Unternehmer 16 Spezialitäten aus 16 Bundesländern.

KANDIDATEN-EFFEKTE SIND IN DEUTSCHLAND SCHWER NACHWEISBAR

Doch ob der Aufwand nicht nur die Einschaltquoten, sondern auch die Umfragewerte von SPD oder Union in die Höhe treiben wird, bleibt abzuwarten. So ließen sich in den USA zwar die Kandidaten-Effekte bei der Präsidentschaftswahl nachweisen, sagt der Berliner Politologe Bernhard Wessels. Dort gelte aber die Direktwahl. In Deutschland sei der Einfluss der Kandidaten auf die Wahl wegen des parlamentarischen Systems schwerer nachzuweisen. So liegt Schröder zwar im direkten Vergleich der Kandidaten zweistellig vor Stoiber, seine SPD aber seit Monaten weit abgeschlagen hinter der CDU/CSU.

"Zwei bis fünf Prozent der Wähler lassen sich durch die TV-Duelle bewegen", schätzt Wessels. Nur in welche Richtung? Wessels hält es zumindest für denkbar, "dass die wenige Bewegung, im Zweifelsfall wahlentscheidend sein kann." Der Bonner Politologe Franz Decker warnt davor, die Beliebtheit der Politiker gegenüber deren Kompetenz überzubewerten. "Kompetenz wird auch Stoiber zugeschrieben." Noch tiefer hängt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen die TV-Sendungen: "Ich erwarte keinen dramatischen Effekt." Schließlich seien das TV-Duell am Sonntag und das zweite am 08. September bei ARD und ZDF nicht die letzten Informationen an die Wähler.

45 PROZENT HABEN FÜR SICH DIE WAHL NOCH NICHT ENTSCHIEDEN

Dass der verbale Schlagabtausch in den Wahlkampf gehörig Bewegung bringen könnte, wird freilich von keinem Forscher ausgeschlossen. Dafür sprechen alleine die Zahlen. Richard Hilmer von Infratest-Dimap rechnet vor, dass einen Monat vor der Wahl rund 45 Prozent der Wähler ihre Wahlentscheidung noch nicht getroffen hätten. Zudem seien zwei Drittel der Bürger an den Fernsehsendungen interessiert: "Das beschäftigt die Leute erheblich." Forsa-Chef Manfred Güllner pflichtet seinem Kollegen bei: "Die Unentschlossenen suchen nach Argumenten."

Das größere Risiko geht nach Enschätzung der Forscher mit den Live-Sendungen Amtsinhaber Schröder ein. Schließlich habe der bereits die besseren persönlichen Werte. Decker verweist auf das Beispiel USA. Dort galt der Demokrat und Vizepräsident Al Gore dem Republikaner George W. Bush rhetorisch als haushoch überlegen. Durch seinen respektablen Auftritt im TV-Duell habe Bush dann aber aufgeschlossen: "Einen ähnlichen Effekt könnte es bei Stoiber geben."

Für die SPD liegt nach Meinung Wessels in den TV-Duellen außer dem größeren Risiko aber auch die größere Chance. Schließlich hätten rund zwei Drittel der Unentschlossenen 1998 SPD und Grüne gewählt. Die gelte es zu mobilisieren - oder wie Güllner sagt: "Die SPD muss denen ein Motiv geben." Gerade deshalb richteten sich in der SPD alle Augen auf Schröder: "Die SPD hat außer Schröder nicht viel zu bieten." Erste Umfragen, wen die Zuschauer und Wähler zum Sieger küren, soll es noch am Sonntagabend direkt nach der Sendung geben.

Anarch:

Genosse Meinungsmacher?

 
26.08.02 11:18

Manfred Güllner: Wahl- und Meinungsforscher aus Leidenschaft
Von Gerrit Wiesmann, Berlin

Rote Stühle, rote Papierkörbe, rote Kaffeetassen. An der Wand im Berliner Großraumbüro ein Triptychon von Gerhard Schröder in Siegeslaune. Natürlich auf rotem Hintergrund.


Dem Meinungsforscher Manfred Güllner eilt der Ruf voraus, so etwas wie der Guru des Bundeskanzlers - und somit der Statistik-Propagandist der SPD - zu sein. "Ich mag einfach Rot. Ich habe privat ein altes Auto. Das ist auch rot", sagt der Geschäftsführer des Forsa-Instituts. "Und der finnische Maler, der den Schröder gemalt hat, hat auch Kohl gemalt. Den kriege ich aber leider nicht zu kaufen."

Forsa ist eine von fünf Firmen auf dem Markt für Wahlforschung, die meist im Auftrag verschiedener Medienkonzerne die Absichten "des Wählers" erfassen und interpretieren. Güllners Stammkunden sind der Fernsehsender RTL und der "Stern".


Die Verquickung von kommerziellem Wettbewerb und sozialwissenschaftlichen Glaubenskriegen fördert in der Branche einen zänkischen Umgangston. Zum Stichwort Forsa sagt ein Wettbewerber herablassend, die Veröffentlichungen der Kollegen kommentiere man besser nicht. Brummt dann etwas über methodologische Unterschiede und eine Nähe zur SPD.


Güllner nimmt das gelassen. Seine stets leise Stimme wechselt auch jetzt nicht die Tonlage. "Man hängt Forsa dieses Image an. Ich kann aber dagegen nichts tun", sagt der 60-Jährige. "Ich bin nun mal seit 38 Jahren Parteimitglied, ich war in Köln Stadtverordneter. Ich kenne die Personen da oben. Und ich kenne eben auch Gerhard Schröder seit den frühen 70ern." Er habe kein Arbeitsverhältnis mit dem Kanzler. Aufträge für die SPD machten nur rund 0,5 Prozent des Jahresumsatzes von rund 7,5 Mio. Euro aus. "Weil ich aber immer wieder Zahlen habe, die ihn interessieren, hat es sich so eingependelt, dass er dann auch irgendwelche Zahlen von mir haben will."



Nicht immer beliebt


Damit meint er die Kurven und Tabellen, die seine 65 festen und 1200 freiberuflichen Mitarbeiter nach täglich 1500 Telefonaten zusammenstellen. Seine Rückschlüsse aus dieser wissenschaftlichen Vermessung der öffentlichen Meinung machen Güllner in der SPD nicht immer beliebt. Als sich die Partei 1994 auf den Wahlsieg vom damaligen Umfrage-Liebling Rudolf Scharping einstellte, warnte Güllner vor dem "Comeback" Helmut Kohls. Als 1997 der Wettlauf um die Kanzlerkandidatur begann, sagte er, Parteichef Oskar Lafontaine habe wegen schlechter Sympathiewerte im Wahlkampf keine Chance.


Lafontaine habe getobt, erinnert sich Güllner. "Viele Politiker wollen die Zahlen, die wir ermitteln, einfach nicht wahrhaben. Sie lassen sich von ihnen erschrecken oder sie nehmen sie nicht ernst", sagt er. Meinungsforschung sei ein "ernst zu nehmender Indikator für Veränderungen in der Gesellschaft". Die meisten Politiker verstünden es nicht, die Forschung als Instrument politischen Handelns zu verwenden. "Wir können durch falsche Fragestellungen Fehler machen", sagt Güllner. "Wir erfinden aber keine Zahlen."


Der Forscher versteht sein Handwerk als "kritische Sozialforschung", die durch die Aufzeichnung von Missständen auch Veränderungen anstoßen soll. "Für manche Kollegen geht so etwas allerdings zu weit", gesteht Güllner. Doch es gehe nicht darum, in die Köpfe hineinzuschauen, um diese manipulieren zu können. Gelernt hat Güllner das Fach von 1967 bis 1970 als wissenschaftlicher Assistent des Kölner Soziologen René König. Bis 1978 war er beim Institut für angewandte Sozialwissenschaften (Infas) in Bonn tätig. Nach Abstechern in die Kölner Politik gründete er 1984 mit zwei Partnern die Firma Forsa. Hauptaugenmerk: Medien- und Marktforschung.


"Die Wahlforschung ist so etwas wie ein Hobby, sie bringt Forsa betriebswirtschaftlich fast nichts", sagt der Firmenchef. "Ich habe mich für Wahlen immer interessiert." Es steht ein anstrengendes Jahr bevor. Neben den wöchentlichen Umfragen erstellt Forsa zum dritten Mal am Wahlabend einer Bundestagswahl für RTL Hochrechnungen. Zwar erwartet Güllner eher eine "lustlose Wahl" - weswegen auch das Ergebnis derzeit offen sei. "Für mich ist aber eine Wahl immer gleich aufregend. Es freut mich, die Wähler beobachten zu können. Darunter muss das Institut eigentlich schon leiden."

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