Rote Vorzeichen, wohin man auch schaut
Das Jahr 2002 beschert die schlechteste Dax-Bilanz aller Zeiten
von Thomas Exner
Berlin - Sie haben bereits am Jahresanfang an die Fußball-WM gedacht und Aktien von Adidas-Salomon gekauft? Gratulation. Auch Sie sind dann zwar nicht reicher geworden, aber immerhin haben Sie sich für den besten unter den deutschen Standardwerten entschieden. Denn mit einem Abschlag von 2,5 Prozent hat das Papier des Sportartiklers weniger als alle anderen vermeintlichen Aushängeschildern des deutschen Aktienmarktes verloren. Es hätte also viel schlimmer kommen können. Denn einen prozentual einstelligen Abschlag weist ansonsten nur noch der Konsumchemie-Anbieter Henkel auf.
Keine Frage, 2002 wird in die Annalen der Börsengeschichte als das Jahr der Negativrekorde eingehen. Denn noch niemals zuvor mussten gleich alle im Leitindex Dax versammelten Titel im Jahresvergleich mit einem dicken roten Minuszeichen aufwarten. Und beispiellos ist auch der Wertverlust des Index insgesamt: Hier steht ein Abschlag von 42,3 Prozent zu Buche. Schlimmer hat es die deutschen Aktien in noch keinem Jahr seit der Währungsreform seit 1949 erwischt. Gut 300 Mrd. Euro der Anleger wurden damit seit Januar – zumindest auf dem Papier – vernichtet. Und damit der schwarzen Rekorde nicht genug: Die deutsche Börse ist auch noch die schlechteste in Europa. An keinem anderen Handelsplatz fällt die Bilanz so verheerend aus. Und selbst weltweit trennen den Dax nur die von Währungskrisen geschüttelten Börsen in Argentinien und Brasilien sowie die Nasdaq von der Schlusslicht-Position.
Damit rächt sich die im Vergleich zu anderen Leitindizes starke Gewichtung von Technologie- und Finanztiteln im deutschen Börsenbarometer. Defensive Öl- oder auch Handelswerte, die anderswo für einen gewissen Halt sorgen, fehlen ganz oder sind stark unterrepräsentiert. Die Wirkung in Baisse-Zeiten ist fatal. Der Dax stürzte Anfang Oktober praktisch ungebremst bis auf zeitweise 2519 Punkte ab – kein einziger der 30 Titel notierte mehr dreistellig. Auch dies ist ein absolutes Novum in der deutschen Börsengeschichte.
In einen scheinbar unaufhaltsamen Abwärtsstrudel gerieten gerade die Finanzwerte. Einerseits wurden ihre Kurse von der miserablen Börsensituation besonders in Mitleidenschaft gezogen, andererseits verkauften vor allem die Versicherer aus Sorge um ihre Bilanzen kräftig weiter Aktien, was den Markt nur noch mehr unter Druck setzte. Denn in den Depots der Finanzgiganten schlummern weiterhin ganz überwiegend heimische Dividendentitel. Die Deutschland AG mit ihren Verflechtungen und Verkrustungen zeigte sich von ihrer schwächsten Seite.
Die Allianz-Aktie, einst als krisenresistentes Witwen- und Waisenpapier gehandelt, verlor so in den vergangenen zwölf Monaten über 63 Prozent an Wert. Sie avancierte damit zum drittschlechtesten Dax-Wert überhaupt. Kaum besser sieht es bei der Münchener Rück (minus 60 Prozent), der Hypo-Vereinsbank (minus 57,2 Prozent) oder der Commerzbank (minus 54,5 Prozent) aus.
Schlimmer noch erwischte es nur die von der schwachen Chipnachfrage gebeutelte Infineon und vor allem den einstigen Börsen-Highflyer MLP. Eine monatelange Diskussion um die Bilanzierungspraxis des Finanzdienstleisters ließ das lange Zeit höchstbewertete Papier des deutschen Aktienmarktes zum Ikarus werden – so steil der Aufstieg, so gnadenlos der Fall.
Doch tröstlicherweise gilt die alte Box-Regel „They never come back“ an der Börse nicht. Sollte die Konjunktur tatsächlich wieder richtig anspringen, könnte beispielsweise gerade die zyklische Infineon-Aktie schon im nächsten Jahr wieder zu den Top-Werten gehören. Für ein umfassendes Comeback der deutschen Standardwerte braucht es nach Einschätzung aller Experten aber mehr: grundlegende Strukturreformen.
Das Jahr 2002 beschert die schlechteste Dax-Bilanz aller Zeiten
von Thomas Exner
Berlin - Sie haben bereits am Jahresanfang an die Fußball-WM gedacht und Aktien von Adidas-Salomon gekauft? Gratulation. Auch Sie sind dann zwar nicht reicher geworden, aber immerhin haben Sie sich für den besten unter den deutschen Standardwerten entschieden. Denn mit einem Abschlag von 2,5 Prozent hat das Papier des Sportartiklers weniger als alle anderen vermeintlichen Aushängeschildern des deutschen Aktienmarktes verloren. Es hätte also viel schlimmer kommen können. Denn einen prozentual einstelligen Abschlag weist ansonsten nur noch der Konsumchemie-Anbieter Henkel auf.
Keine Frage, 2002 wird in die Annalen der Börsengeschichte als das Jahr der Negativrekorde eingehen. Denn noch niemals zuvor mussten gleich alle im Leitindex Dax versammelten Titel im Jahresvergleich mit einem dicken roten Minuszeichen aufwarten. Und beispiellos ist auch der Wertverlust des Index insgesamt: Hier steht ein Abschlag von 42,3 Prozent zu Buche. Schlimmer hat es die deutschen Aktien in noch keinem Jahr seit der Währungsreform seit 1949 erwischt. Gut 300 Mrd. Euro der Anleger wurden damit seit Januar – zumindest auf dem Papier – vernichtet. Und damit der schwarzen Rekorde nicht genug: Die deutsche Börse ist auch noch die schlechteste in Europa. An keinem anderen Handelsplatz fällt die Bilanz so verheerend aus. Und selbst weltweit trennen den Dax nur die von Währungskrisen geschüttelten Börsen in Argentinien und Brasilien sowie die Nasdaq von der Schlusslicht-Position.
Damit rächt sich die im Vergleich zu anderen Leitindizes starke Gewichtung von Technologie- und Finanztiteln im deutschen Börsenbarometer. Defensive Öl- oder auch Handelswerte, die anderswo für einen gewissen Halt sorgen, fehlen ganz oder sind stark unterrepräsentiert. Die Wirkung in Baisse-Zeiten ist fatal. Der Dax stürzte Anfang Oktober praktisch ungebremst bis auf zeitweise 2519 Punkte ab – kein einziger der 30 Titel notierte mehr dreistellig. Auch dies ist ein absolutes Novum in der deutschen Börsengeschichte.
In einen scheinbar unaufhaltsamen Abwärtsstrudel gerieten gerade die Finanzwerte. Einerseits wurden ihre Kurse von der miserablen Börsensituation besonders in Mitleidenschaft gezogen, andererseits verkauften vor allem die Versicherer aus Sorge um ihre Bilanzen kräftig weiter Aktien, was den Markt nur noch mehr unter Druck setzte. Denn in den Depots der Finanzgiganten schlummern weiterhin ganz überwiegend heimische Dividendentitel. Die Deutschland AG mit ihren Verflechtungen und Verkrustungen zeigte sich von ihrer schwächsten Seite.
Die Allianz-Aktie, einst als krisenresistentes Witwen- und Waisenpapier gehandelt, verlor so in den vergangenen zwölf Monaten über 63 Prozent an Wert. Sie avancierte damit zum drittschlechtesten Dax-Wert überhaupt. Kaum besser sieht es bei der Münchener Rück (minus 60 Prozent), der Hypo-Vereinsbank (minus 57,2 Prozent) oder der Commerzbank (minus 54,5 Prozent) aus.
Schlimmer noch erwischte es nur die von der schwachen Chipnachfrage gebeutelte Infineon und vor allem den einstigen Börsen-Highflyer MLP. Eine monatelange Diskussion um die Bilanzierungspraxis des Finanzdienstleisters ließ das lange Zeit höchstbewertete Papier des deutschen Aktienmarktes zum Ikarus werden – so steil der Aufstieg, so gnadenlos der Fall.
Doch tröstlicherweise gilt die alte Box-Regel „They never come back“ an der Börse nicht. Sollte die Konjunktur tatsächlich wieder richtig anspringen, könnte beispielsweise gerade die zyklische Infineon-Aktie schon im nächsten Jahr wieder zu den Top-Werten gehören. Für ein umfassendes Comeback der deutschen Standardwerte braucht es nach Einschätzung aller Experten aber mehr: grundlegende Strukturreformen.