„Der russische Aktienmarkt schwimmt auf einer Liquiditätswelle”
02. Januar 2006 Die russische Börse hat nach einer zuvor 17monatigen Verschnaufpause seit Mai wieder nachhaltig den Vorwärtsgang eingelegt. Insgesamt hat es der RTS-Index in diesem Jahr auf ein Plus von fast 82 Prozent gebracht. Diese stolze Bilanz ist für viele Skeptiker angesichts der zunehmenden antidemokratischen Tendenzen in Rußland und der stärker werdenden Einflußnahme des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen nur bedingt nachvollziehbar.
Keine Überraschung ist die Hausse dagegen für Bill Browder, Chief Executive Officer bei Hermitage Capital Management Limited. Die Gründe für seine Zuversicht erklärte uns der Fondsmanager des größten Rußland-Fonds (der Hermitage Fund hat ein Volumen von knapp 1,9 Milliarden Dollar) bei einem Besuch in seinem Moskauer Büro. Und wer den mit unüberhörbarer Begeisterung vorgetragenen Argumenten des Rußland-Experten genau zuhört, der kann dessen Zuversicht durchaus nachvollziehen.
Die Liquidität spricht für den Markt
Das wichtigste Argument, das Browder in die Waagschale zu werfen hat, ist dabei die reichlich vorhandene Liquidität. „Der russische Aktienmarkt schwimmt auf einer Liquiditätswelle,” so sein Fazit. Zusammen mit den im Jahresverlauf gestiegenen Gewinnschätzungen für die russischen Ölfirmen und der Höhergewichtung russischer Aktien in den Portfolios international agierender Fondsmanager sorgt das reichlich vorhandene Kapital für ein sehr vorteilhaftes Börsenumfeld.
Die hohe Bedeutung der Liquidität für die Entwicklung an der russischen Börse läßt sich auch daran ablesen, daß der Korrelations-Koeffizient zwischen Geldmenge und Aktienkurs 0,85 beträgt. Die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegene Geldmenge ist nicht zuletzt über die hohen Rohstoff- und Ölpreise zu erklären. Hätte die russische Börse aber alle damit verbundenen positiven Kurseffekte nachvollzogen, dann wäre das Plus vermutlich sogar noch höher ausgefallen. Zumindest läßt diesen Schluß die Tatsache zu, daß die Performance russischer Aktien hinter der in ebenfalls ölreichen Ländern wie Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Qatar oder Saudi Arabien zurückgeblieben ist.
Um diese Lücke zu schließen, war für die Psyche der Marktteilnehmer natürlich auch die Erkenntnis sehr wichtig, daß außer Yukos alle anderen Firmen weitgehend ungeschoren davon kamen. Das ließ die Investoren wieder Vertrauen fassen und je mehr sich die Erkenntnis durchsetzte, daß Yukos ein einmaliger Fall war, kehrten die Anleger wieder an den Markt zurück. Nachdem Yukos zerschlagen worden war (eine Maßnahme, die von Browder übrigens wegen der immer stärkeren politischen Einflußnahme von Yukos-Chef Chodorkowski als einzige logische Konsequenz eingestuft wird), kümmerte sich Staatschef Putin außerdem wieder mehr um sein Image bei ausländischen Investoren. Um seinen Ruf zu verbessern, hat er etliche Maßnahmen ergriffen. Laut Putin zählten dazu unter anderem eine Amnestie für Privatisierungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, eine Steuerreform, welche die Macht der Steuereintreiber beschränkt, die Liberalisierung der Gazprom-Aktien und eine geplante Privatisierungswelle. Für den Staat habe die Yukos-Affäre trotz aller damit verbundenen Imageprobleme zudem einen schönen Nebeneffekt gehabt. Und zwar den, daß die anderen Oligarchen jetzt viel mehr Steuern zahlen als früher.
Günstige Bewertung im Schwellenländer-Vergleich
Je mehr die Yukos-Affäre in Vergessenheit geriet, umso mehr konzentrierten sich die Marktteilnehmer wieder auf die an sich positiv wirtschaftlichen Rahmendaten in Rußland. Und natürlich auch auf die günstige Bewertung der russischen Börse. Deren Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt laut Browder auf Basis der für 2005 geschätzten Gewinne mit 9,1 nämlich noch immer deutlich unter dem Durchschnitts-KGV für andere Schwellenländer, das Browder auf 12,3 beziffert. Das positive Urteil in Sachen Bewertung wiegt laut Browder noch schwerer, wenn man zudem das starke Wachstum der Wirtschaft und bei den Gewinnen der russischen Unternehmen berücksichtigt. Eine Unterbewertung lasse sich auch beim Blick auf das Verhältnis von Gewinnrendite zu Anleiherendite feststellen. Die sich beim Vergleich dieser beiden Zahlen ergebende Risikoaufschlag bewege sich noch immer auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau.
Neben der günstigen Bewertung blickt Browder aber auch deshalb optimistisch nach vorne, weil er davon ausgeht, daß die Liquidität in Rußland solange hoch bleiben wird, wie der Ölpreis über 40 Dollar notiert. Und er geht sogar davon aus, daß die Liquidität mittelfristig noch stärker auf die Kursfindung durchschlagen wird als bisher. Zu dieser Annahme verleitet ihn die Aussicht auf nachhaltige Reformen im Bankensektor. Diese Branche ist noch immer sehr unterentwickelt und wenn hier Reformen für Verbesserungen sorgen, wird das segensreiche Wirkungen für die ganze Wirtschaft haben. „Bei den Einlagen und der Kreditvergabe werden wir ein exponentielles Wachstum sehen. Ein effizientes Bankensystem könnte das Wirtschaftswachstum um zwei bis drei Prozentpunkte heben”, prophezeit Browder.
Verstärkt wird der Liquiditätseffekt vermutlich auch noch durch extern zufließende Kapitalströme. Zumindest sprechen die bevorstehende Liberalisierung der Gazprom-Aktie und die damit verbundene Aufnahme dieses Titels in die MSCI-Indizes für eine Höhergewichtung russischer Aktien in den international anlegenden Depots. Trotz der in diesem Jahr rekordhohen Mittelzuflüsse in Schwellenländer kommen russische Aktien laut Browder in international agierenden Fonds noch immer erst auf eine Gewichtung von 0,3 Prozent - und auch in den Schwellenländerfonds sei Rußland nach wie vor mit 22 Prozent untergewichtet.
Die Risiken scheinen derzeit beherrschbar
Das größte Risiko für die Hausse am russischen Aktienmarkt sieht Browder in den spätestens 2008 anstehenden Präsidentschaftswahlen. Da die Verfassung Putin eine dritte Amtszeit verbietet, wird ein neuer Präsident gewählt werden müssen. Browder rechnet aber nicht mit politischen Turbulenzen. „Putin wird schon den richtigen Nachfolger aussuchen”, meint er. Auch deshalb geht er von eine reibungslosen Machtübergabe aus. Dafür spreche zudem die noch immer hohe Beliebtheit Putins sowie das verglichen mit den Nachbarstaaten deutlich höhere Wohlstandsniveau in Rußland - ein Umstand, der Krawallen vorbeuge.
Weitere Gefahren wittert Browder in einer allgemein nachlassenden Risikobereitschaft der Investoren, einem drastischen Schwenk in der Geldpolitik der Notenbank oder einem markanten Fall der Ölpreise auf ein Niveau unter 20 Dollar pro Barrel. Alles das sind aber Punkte, mit deren Eintreffen Browder nicht wirklich rechnet. Und abschließend relativiert er sogar die politischen Bendenken, indem er sagt: „Demokratische Verhältnisse sind keine Grundvoraussetzung, um Geld zu verdienen. Rußland muß sowieso seine eigene Version von einer Demographie finden. Würde ein System wie im Westen angewandt, hätte das Land nicht einmal Mittel, um die Machtübernahme durch Kriminelle zu verhindern.”
02. Januar 2006 Die russische Börse hat nach einer zuvor 17monatigen Verschnaufpause seit Mai wieder nachhaltig den Vorwärtsgang eingelegt. Insgesamt hat es der RTS-Index in diesem Jahr auf ein Plus von fast 82 Prozent gebracht. Diese stolze Bilanz ist für viele Skeptiker angesichts der zunehmenden antidemokratischen Tendenzen in Rußland und der stärker werdenden Einflußnahme des Staates auf das Wirtschaftsgeschehen nur bedingt nachvollziehbar.
Keine Überraschung ist die Hausse dagegen für Bill Browder, Chief Executive Officer bei Hermitage Capital Management Limited. Die Gründe für seine Zuversicht erklärte uns der Fondsmanager des größten Rußland-Fonds (der Hermitage Fund hat ein Volumen von knapp 1,9 Milliarden Dollar) bei einem Besuch in seinem Moskauer Büro. Und wer den mit unüberhörbarer Begeisterung vorgetragenen Argumenten des Rußland-Experten genau zuhört, der kann dessen Zuversicht durchaus nachvollziehen.
Die Liquidität spricht für den Markt
Das wichtigste Argument, das Browder in die Waagschale zu werfen hat, ist dabei die reichlich vorhandene Liquidität. „Der russische Aktienmarkt schwimmt auf einer Liquiditätswelle,” so sein Fazit. Zusammen mit den im Jahresverlauf gestiegenen Gewinnschätzungen für die russischen Ölfirmen und der Höhergewichtung russischer Aktien in den Portfolios international agierender Fondsmanager sorgt das reichlich vorhandene Kapital für ein sehr vorteilhaftes Börsenumfeld.
Die hohe Bedeutung der Liquidität für die Entwicklung an der russischen Börse läßt sich auch daran ablesen, daß der Korrelations-Koeffizient zwischen Geldmenge und Aktienkurs 0,85 beträgt. Die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegene Geldmenge ist nicht zuletzt über die hohen Rohstoff- und Ölpreise zu erklären. Hätte die russische Börse aber alle damit verbundenen positiven Kurseffekte nachvollzogen, dann wäre das Plus vermutlich sogar noch höher ausgefallen. Zumindest läßt diesen Schluß die Tatsache zu, daß die Performance russischer Aktien hinter der in ebenfalls ölreichen Ländern wie Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Qatar oder Saudi Arabien zurückgeblieben ist.
Um diese Lücke zu schließen, war für die Psyche der Marktteilnehmer natürlich auch die Erkenntnis sehr wichtig, daß außer Yukos alle anderen Firmen weitgehend ungeschoren davon kamen. Das ließ die Investoren wieder Vertrauen fassen und je mehr sich die Erkenntnis durchsetzte, daß Yukos ein einmaliger Fall war, kehrten die Anleger wieder an den Markt zurück. Nachdem Yukos zerschlagen worden war (eine Maßnahme, die von Browder übrigens wegen der immer stärkeren politischen Einflußnahme von Yukos-Chef Chodorkowski als einzige logische Konsequenz eingestuft wird), kümmerte sich Staatschef Putin außerdem wieder mehr um sein Image bei ausländischen Investoren. Um seinen Ruf zu verbessern, hat er etliche Maßnahmen ergriffen. Laut Putin zählten dazu unter anderem eine Amnestie für Privatisierungen, die länger als drei Jahre zurückliegen, eine Steuerreform, welche die Macht der Steuereintreiber beschränkt, die Liberalisierung der Gazprom-Aktien und eine geplante Privatisierungswelle. Für den Staat habe die Yukos-Affäre trotz aller damit verbundenen Imageprobleme zudem einen schönen Nebeneffekt gehabt. Und zwar den, daß die anderen Oligarchen jetzt viel mehr Steuern zahlen als früher.
Günstige Bewertung im Schwellenländer-Vergleich
Je mehr die Yukos-Affäre in Vergessenheit geriet, umso mehr konzentrierten sich die Marktteilnehmer wieder auf die an sich positiv wirtschaftlichen Rahmendaten in Rußland. Und natürlich auch auf die günstige Bewertung der russischen Börse. Deren Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt laut Browder auf Basis der für 2005 geschätzten Gewinne mit 9,1 nämlich noch immer deutlich unter dem Durchschnitts-KGV für andere Schwellenländer, das Browder auf 12,3 beziffert. Das positive Urteil in Sachen Bewertung wiegt laut Browder noch schwerer, wenn man zudem das starke Wachstum der Wirtschaft und bei den Gewinnen der russischen Unternehmen berücksichtigt. Eine Unterbewertung lasse sich auch beim Blick auf das Verhältnis von Gewinnrendite zu Anleiherendite feststellen. Die sich beim Vergleich dieser beiden Zahlen ergebende Risikoaufschlag bewege sich noch immer auf einem im historischen Vergleich hohen Niveau.
Neben der günstigen Bewertung blickt Browder aber auch deshalb optimistisch nach vorne, weil er davon ausgeht, daß die Liquidität in Rußland solange hoch bleiben wird, wie der Ölpreis über 40 Dollar notiert. Und er geht sogar davon aus, daß die Liquidität mittelfristig noch stärker auf die Kursfindung durchschlagen wird als bisher. Zu dieser Annahme verleitet ihn die Aussicht auf nachhaltige Reformen im Bankensektor. Diese Branche ist noch immer sehr unterentwickelt und wenn hier Reformen für Verbesserungen sorgen, wird das segensreiche Wirkungen für die ganze Wirtschaft haben. „Bei den Einlagen und der Kreditvergabe werden wir ein exponentielles Wachstum sehen. Ein effizientes Bankensystem könnte das Wirtschaftswachstum um zwei bis drei Prozentpunkte heben”, prophezeit Browder.
Verstärkt wird der Liquiditätseffekt vermutlich auch noch durch extern zufließende Kapitalströme. Zumindest sprechen die bevorstehende Liberalisierung der Gazprom-Aktie und die damit verbundene Aufnahme dieses Titels in die MSCI-Indizes für eine Höhergewichtung russischer Aktien in den international anlegenden Depots. Trotz der in diesem Jahr rekordhohen Mittelzuflüsse in Schwellenländer kommen russische Aktien laut Browder in international agierenden Fonds noch immer erst auf eine Gewichtung von 0,3 Prozent - und auch in den Schwellenländerfonds sei Rußland nach wie vor mit 22 Prozent untergewichtet.
Die Risiken scheinen derzeit beherrschbar
Das größte Risiko für die Hausse am russischen Aktienmarkt sieht Browder in den spätestens 2008 anstehenden Präsidentschaftswahlen. Da die Verfassung Putin eine dritte Amtszeit verbietet, wird ein neuer Präsident gewählt werden müssen. Browder rechnet aber nicht mit politischen Turbulenzen. „Putin wird schon den richtigen Nachfolger aussuchen”, meint er. Auch deshalb geht er von eine reibungslosen Machtübergabe aus. Dafür spreche zudem die noch immer hohe Beliebtheit Putins sowie das verglichen mit den Nachbarstaaten deutlich höhere Wohlstandsniveau in Rußland - ein Umstand, der Krawallen vorbeuge.
Weitere Gefahren wittert Browder in einer allgemein nachlassenden Risikobereitschaft der Investoren, einem drastischen Schwenk in der Geldpolitik der Notenbank oder einem markanten Fall der Ölpreise auf ein Niveau unter 20 Dollar pro Barrel. Alles das sind aber Punkte, mit deren Eintreffen Browder nicht wirklich rechnet. Und abschließend relativiert er sogar die politischen Bendenken, indem er sagt: „Demokratische Verhältnisse sind keine Grundvoraussetzung, um Geld zu verdienen. Rußland muß sowieso seine eigene Version von einer Demographie finden. Würde ein System wie im Westen angewandt, hätte das Land nicht einmal Mittel, um die Machtübernahme durch Kriminelle zu verhindern.”