Warten, nichts tun, relaxen, ruhige Hand: viele Börsianer hassen das. Sie wollen handeln, die Welt bewegen, den Erfolg erzwingen. Einer meiner ältesten Freunde auf dem Parkett aber sagt: Der Erfolg kommt vom Warten. Diese Kunst jedoch beherrschen die Allerwenigsten.
Die augenblickliche Marktlage bestätigt die Weisheit: Zwar beschwören Politiker wie Hans Eichel ständig den Aufschwung und die Konjunkturerholung – aber wer nur einmal mit der Straßenbahn fährt und zuhört, was die Menschen bedrückt, glaubt dem Geschwätz nicht mehr: Die Arbeitslosigkeit steigt, und alle Statistik-Tricks unseres Arbeitslosen-Verleug-
nungsministers Riester ändern nichts daran. Die Konjunkturexperten gehen durch ein Wechselbad der Statistiken. Da meldet das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo, dass die deutschen Unternehmer etwas optimistischer geworden sind: Die Kurse steigen. Genau zwei Stunden später wird aus den USA berichtet, dass dort die Verbraucher ängstlicher und zögerlicher geworden sind: Die Kurse fallen, und wie! Die Stimmungsindikatoren unseres Autors Stefan Riße vermelden tiefe Depression – gut so. Denn die Wende kommt, wenn niemand sie erwartet und die allermeisten Anleger ihr Geld in Festverzinslichen und Geldmarktfonds parken. Handfeste Hinweise auf eine klare Kurswende fehlen. Die Angst geht um, und sie hat einen Namen: Enronitis. Wie viele Unternehmen haben ihre Bilanzen derart geschönt und gefälscht wie der Pleite-Gigant aus den USA? Wessen Kartenhaus stürzt als nächstes ein?
In die Enge getrieben, stürzen sich immer mehr Unternehmen in Verzweiflungsaktionen und versuchen, sich am Rande des Abgrunds mit juristischen Finten vor vereinbarten Zahlungen zu drücken.
Springer will den eigenen Hauptaktionär Kirch opfern, France Télécom unter der Last von 65 Milliarden Euro Schulden die eingegangenen Bürgschaften für die UMTS-Schulden von Mobilcom aufkündigen. Weil die Reserven fast überall aufgebraucht sind, eskalieren die Konflikte. Ein besonderes Problem in Deutschland: Die Lebensversicherer verkaufen im großen Stil Aktien, die sie vor fünf
oder zehn Jahren zu damals sehr niedrigen Kursen gekauft haben. Damit wollen sie stille Reserven mobilisieren, um wenigstens noch ein paar Jahre die Leistungsversprechen von sechs oder sieben Prozent Verzinsung auf Kapitalpolicen einzulösen. Das aber drückt die Kurse heute.
So verzweifelt die Zustandsbeschreibung klingt: Für den Anleger, der die Kunst des Wartens und des Auswählens beherrscht, sind das gute Zeiten. So lange wirklich eindeutige Signale der Konjunkturerholung fehlen, eilt es nicht mit Einkäufen, im Gegenteil. Die wahren Schnäppchen kommen erst dann, wenn die Lage wirklich verzweifelt wird. Und wer eine Aktie ins Auge gefasst hat und sie nicht bekommt, weil sie plötzlich steigt wie verrückt: Nicht hinterherlaufen. Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Nicht mehr auswählen kann nur der, der sich mit dem Einkauf von Aktien schon gebunden hat. Jetzt aber ist die Zeit der Auswahl, des Stockpicking – von deutschen Autowerten (Seite 46) bis zu Hightechs an der Nasdaq (Seite 40).
Quelle: telebörse: Roland Tichy
Die augenblickliche Marktlage bestätigt die Weisheit: Zwar beschwören Politiker wie Hans Eichel ständig den Aufschwung und die Konjunkturerholung – aber wer nur einmal mit der Straßenbahn fährt und zuhört, was die Menschen bedrückt, glaubt dem Geschwätz nicht mehr: Die Arbeitslosigkeit steigt, und alle Statistik-Tricks unseres Arbeitslosen-Verleug-
nungsministers Riester ändern nichts daran. Die Konjunkturexperten gehen durch ein Wechselbad der Statistiken. Da meldet das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo, dass die deutschen Unternehmer etwas optimistischer geworden sind: Die Kurse steigen. Genau zwei Stunden später wird aus den USA berichtet, dass dort die Verbraucher ängstlicher und zögerlicher geworden sind: Die Kurse fallen, und wie! Die Stimmungsindikatoren unseres Autors Stefan Riße vermelden tiefe Depression – gut so. Denn die Wende kommt, wenn niemand sie erwartet und die allermeisten Anleger ihr Geld in Festverzinslichen und Geldmarktfonds parken. Handfeste Hinweise auf eine klare Kurswende fehlen. Die Angst geht um, und sie hat einen Namen: Enronitis. Wie viele Unternehmen haben ihre Bilanzen derart geschönt und gefälscht wie der Pleite-Gigant aus den USA? Wessen Kartenhaus stürzt als nächstes ein?
In die Enge getrieben, stürzen sich immer mehr Unternehmen in Verzweiflungsaktionen und versuchen, sich am Rande des Abgrunds mit juristischen Finten vor vereinbarten Zahlungen zu drücken.
Springer will den eigenen Hauptaktionär Kirch opfern, France Télécom unter der Last von 65 Milliarden Euro Schulden die eingegangenen Bürgschaften für die UMTS-Schulden von Mobilcom aufkündigen. Weil die Reserven fast überall aufgebraucht sind, eskalieren die Konflikte. Ein besonderes Problem in Deutschland: Die Lebensversicherer verkaufen im großen Stil Aktien, die sie vor fünf
oder zehn Jahren zu damals sehr niedrigen Kursen gekauft haben. Damit wollen sie stille Reserven mobilisieren, um wenigstens noch ein paar Jahre die Leistungsversprechen von sechs oder sieben Prozent Verzinsung auf Kapitalpolicen einzulösen. Das aber drückt die Kurse heute.
So verzweifelt die Zustandsbeschreibung klingt: Für den Anleger, der die Kunst des Wartens und des Auswählens beherrscht, sind das gute Zeiten. So lange wirklich eindeutige Signale der Konjunkturerholung fehlen, eilt es nicht mit Einkäufen, im Gegenteil. Die wahren Schnäppchen kommen erst dann, wenn die Lage wirklich verzweifelt wird. Und wer eine Aktie ins Auge gefasst hat und sie nicht bekommt, weil sie plötzlich steigt wie verrückt: Nicht hinterherlaufen. Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Nicht mehr auswählen kann nur der, der sich mit dem Einkauf von Aktien schon gebunden hat. Jetzt aber ist die Zeit der Auswahl, des Stockpicking – von deutschen Autowerten (Seite 46) bis zu Hightechs an der Nasdaq (Seite 40).
Quelle: telebörse: Roland Tichy