Wenn es Begriffe gibt, auf die Amerikaner allergisch reagieren, dann löst "too big to fail" bei Menschen zwischen New York und Kalifornien Asthma, Pickel und zeitweilige Lähmung aus. Mit dem Verweis, dass manche Banken "zu groß" seien als dass man sie in ihren eigenen Risiken untergehen lassen dürfte, begründete die Regierung vor Monaten ihre Milliardenspritzen - seither ist das System noch gefährlicher geworden.
Denn die Banken, die man bisher gemeinhin als "too big to fail" angesehen hat, sind in den Monaten der Finanzkrise und danach noch gewachsen. Die vier amerikanischen Großbanken - Citigroup, JP Morgan Chase, Bank of America und Wells Fargo - kontrollieren zurzeit 38,6 Prozent des Marktes und damit einen größeren Anteil als je zuvor in der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzgeschichte.
Aktuelle Branchendaten sind erschütternd: Gemessen an den Spareinlagen der Kunden hält die Citigroup aktuell 8,3 Prozent, JP Morgan Chase 10,2 Prozent, die Bank of America 11,3 Prozent und Wells Fargo 8,8 Prozent des US-Marktes - dem gegenüber stehen 61,3 Prozent, die sich tausende anderer Banken teilen. Noch im Jahr 2007 kamen die übrigen Banken auf 68 Prozent, im Jahr 2000 noch auf 78 Prozent.
Aktuell halten die vier amerikanischen Großbanken 3,8 Billionen Dollar an Einlagen, und diese absolute Zahl zeigt die Gefahr dieser ungleichen Verteilung auf. Die FDIC, die die Spareinlagen der Amerikaner versichert, kommt gerade einmal auf 10,4 Milliarden Dollar an Einlagen. Damit ist die Behörde, die in den letzten Monaten den größten Anteil an einer wirtschaftlichen und moralischen Schadenbegrenzung in den USA hatte, völlig unfähig mit den größten Risikofaktoren der Gegenwart fertig zu werden.
Abgesehen davon, dass die vier dominanten Großbanken ja nicht nur über gewaltige Spareinlagen verfügen, sondern auch noch furchtbar komplexe Investment-Töchter einschließen, die von den Behörden weder überwacht noch versichert werden können. Präsident Barack Obama kann mit der Situation nicht zufrieden sein. "Unser System ist nicht sicher, solange es nicht vor dem Zusammenbruch einzelner Institutionen geschützt ist", sagte er noch vor einigen Tagen bei einem Auftritt an der Wall Street.
Experten sind sich einig: Strengere Auflagen sind notwendig; die Politik muss die Banken vor sich selbst und die Wirtschaft im Allgemeinen vor der Übermacht einzelner Finanzinstitute schützen. Erste Konzepte sind angedacht: Man fordert höhere Kapitaldeckungen und Steuern auf Anlagekapital - beides würde Banken die Lust nehmen, allzu hohe Einlagen anzuhäufen.
Auch soll das Glass-Steagull-Gesetz verschärft durchgesetzt werden, nachdem Banken unter dem Mantel des staatlichen Versicherers FDIC an verschiedenen Risikogeschäften nicht teilnehmen dürfen.
Ein nächster Schritt dürfte der Einsatz kartellrechtlicher Behörden sein. Die vier genannten Großbanken mögen mehr als ein Drittel des amerikanischen Geldmarktes zu kontrollieren, doch gibt es noch dramatischer Zahlen. Die drei Branchenriesen Citigroup, JP Morgan Chase und Bank of America kontrollieren etwa zwei Drittel des Kreditkartengeschäfts in den USA.
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