Vor den Zahlen über die Entwicklung von Bruttosozialprodukt und Unternehmensgewinnen
Die US-Wirtschaft ist nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg im ersten Quartal um 6 Prozent auf Jahresbasis gewachsen. Ob die 59 befragten Beobachter Recht haben, wird sich heute zeigen, wenn die Zahl für das Bruttosozialprodukt gegen 14:30 unserer Zeit veröffentlicht wird. Der erwartete Wert liegt über der vor einem Monat veröffentlichten Schätzung und weit über den 1,7 Prozent aus dem vierten Quartal 2001. Im Schlussquartal 1999 war zuletzt mit plus 8,3 Prozent ein stärkeres Wachstum festgestellt worden.
„Die Produktion wird weiter weiter wachsen, wir werden auch wieder einen gewissen Lageraufbau sehen, aber die wirtschaftliche Lage wird erst allmählich besser. Die Industrieproduktion steigt langsamer als in früheren Erholungen,“ sagt Gary Thayer von A.G. Edwards & Sons. „Die Unternehmen sind nach wie vor sehr vorsichtig.“
Der Lagerabbau im ersten Quartal trug gemäß der ersten Schätzung mit auf das Jahr gerechnet 36,2 Mrd. Dollar 3,1 Prozentpunkte zum Wachstum bei. Neuere Daten legen einen höheren Beitrag nahe. Darauf wird man im weiteren Jahresverlauf kaum bauen können, da die Lager mittlerweile recht leergefegt sind. Die Nachfrage der Konsumenten und die Investitionen der Unternehmen sind demgegenüber die nachhaltig treibenden Kräfte. Und hier scheiden sich die Geister. Zum einen wird befürchtet, die Konsumkraft der amerikanischen Verbraucher könnte jetzt am Ausgang der Rezession nachlassen, zum anderen bestehen Unsicherheiten, ob, wann und in welchem Ausmaß die Investitionen wieder anziehen.
Allgemein wird damit gerechnet, dass die Ausgaben der Konsumenten, die zwei Drittel der US-Wirtschaft ausmachen, abkühlen. Für das laufende Quartal wird eine Jahresrate von plus 2,5 Prozent erwartet, in den ersten drei Monaten des Jahres waren es 3,5 Prozent, im Schlussquartal 2001 6,1 Prozent. Für das dritte Quartal lautete die Prognose auf plus 2,7, im vierten sollen es 3,1 Prozent werden.
Die Investitionen müssen es jetzt richten. Sie stiegen im vergangenen Jahr um 3,1 Prozent, im Jahr 2000 waren es 4,8 Prozent, davor sogar 5 Prozent. Die Unsicherheit über die Entwicklung im laufenden Jahr ist groß. Optimisten beziehen neue Hoffnung aus den jetzt veröffentlichten April-Zahlen zu den Auftragseingängen langlebiger Wirtschaftsgüter (Durable Goods Orders). Sie sind mit 1,1 Prozent deutlich stärker gestiegen als mit 0,5 Prozent erwartet . Dies lässt auf eine Belebung des Investitionsklimas hoffen. Für eine Trendaussage ist aber zu früh. Der Wert war im Februar leicht gestiegen, im März hingegen wieder gefallen. „Es scheint, als sei ein Turnaround unterwegs. Die Frage ist, wie robust er sich für den Rest des Jahres entwickelt,“ sagte vor kurzem der Vizepräsident der FED, Roger Ferguson.
Der Bericht über das Bruttosozialprodukt beinhaltet auch Zahlen zur Gewinnentwicklung der amerikanischen Unternehmen. Steven Wieting von Salomon Smith Barney glaubt an eine Steigerung von 30 Prozent nach Steuern im Vergleich zum Vorquartal. Das bedeutet seiner Meinung nach aber nicht, dass die Gewinne nun wieder stark seien. Sie seien weiter schwach, würden aber schnell genesen. Eine ordentliche, nachhaltige Gewinnentwicklung ist aber zugleich die wichtigste Voraussetzung für eine Verbesserung des Investitionsklimas. Hier schließt sich der Kreis.
Die Inflationsgefahr wird allgemein als gering eingeschätzt. So erwarten die Beobachter im Schnitt einen Preisdeflator von 0,8 Prozent. Dementsprechend unahrscheinlich sind baldige Zinserhöhungen.
Gruß Pichel