DIE FDA ERWÄGT EINEN VERKAUFSSTOPP FÜR PFIZERS CELEBREX. Geht das durch,
dürfte Pfizer auf unter 20 Dollar abstürzen.
Aus der FTD vom 20.12.2004
Serie von Misserfolgen stürzt Pharmabranche in FiaskoVon Peter Kuchenbuch, Hamburg, und Christopher Bowe, New York
Die US-Arzneimittelbehörde FDA warnt vor dem Gebrauch des weltweit meistverkauften Rheuma- und Schmerzmittels Celebrex vom Branchenführer Pfizer. Sie erwägt einen Verkaufsstopp.
"Wir haben große Bedenken gegenüber diesem Produkt und der ganzen Produktgruppe", sagte der kommissarische Leiter der US-Behörde, Lester Crawford. Celebrex gehört wie das vom weltweiten Marktrückruf betroffene Vioxx zur Gruppe der so genannten Cox-2-Inhibitoren. Bei der Einnahme von Celebrex können wie bei Vioxx lebensgefährliche Herzkomplikationen auftreten, wie am Freitag bekannt wurde. Crawford schloss am Wochenende ein Vermarktungsverbot für diese Medikamente nicht aus: "Alle regulatorischen Optionen sind offen", sagte der FDA-Chef.
Hersteller Pfizer bleibt vorerst hart. "Wir finden keine Grundlage für einen Vermarktungsstopp", sagte Hank McKinnel, Vorstandschef des Pharmakonzerns, im Interview mit der Financial Times. Er bezeichnete die Studien zu Celebrex als nicht eindeutig und warnte davor, die Branche zu dämonisieren und ihre Fortschritte zunichte zu machen.
Am Freitag hatte Pfizer bekannt gegeben, dass eine Patientenstudie mit Celebrex vom amerikanischen National Cancer Institute abgebrochen worden sei. Das Risiko für die Patienten sei zu groß gewesen, Herzinfarkte oder ähnlich gravierende Herzprobleme zu bekommen. Auch Todesfälle seien nicht ausgeschlossen.
Pfizer-Aktien stürzen ab
Die Aktie des Konzerns sackte zunächst um mehr als 20 Prozent ab; am Ende des Tages erholte sie sich wieder leicht auf ein Minus von rund elf Prozent auf 25,75 $. Das ist der tiefste Stand seit 1998. Bei Analysten und Investoren liegen derzeit die Nerven blank. Mehr als 285 Millionen Pfizer-Aktien wurden am Freitag gehandelt, das ist das Neunfache eines durchschnittlichen Handelstages. Für Pfizer kommen die Studienergebnisse zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der US-Konzern hatte das Marketing für Celebrex jüngst verstärkt; das Medikament (Umsatz 2003: 1,9 Mrd. $) hatte seit Oktober vom Vermarktungsstopp des Konkurrenzproduktes Vioxx (Umsatz 2003: 2,5 Mrd. $) von Merck & Co. profitiert. Nun droht der Umsatzeinbruch.
Darüber hinaus ist Pfizers anderer Cox-2-Hemmer, Bextra, ebenfalls unter Beschuss. Führende Mediziner zweifeln an der Sicherheit des Produktes für Herzpatienten. Vor einigen Tagen wurde das Mittel von der FDA mit zusätzlichen Gefahrenhinweisen versehen. Darunter dürfte das Umsatzwachstum des Medikaments (Erlös 2003: 687 Mio. $) leiden. Analysten haben ihre Aussichten für Pfizers Geschäftjahr 2005 bereits nach unten revidiert. Merrill Lynch hat am Freitag die Umsatzerwartungen für Pfizers Schmerzmittelsparte von 3,5 Mrd. $ weltweit auf nur noch 2,5 Mrd. $ reduziert.
Schwarzes Jahr für Pharmabranche
Das zu Ende gehende Jahr 2004 wird vielen Pharmamanagern wie eines der schwärzesten in der Branchengeschichte vorkommen: Staatsanwälte und FDA haben die Marketingmethoden mehrerer Firmen, darunter Pfizer und GlaxoSmithKline, attackiert. US-Justizbehörden ermitteln zusammen mit der US-Börsenaufsicht SEC gegen Merck wegen Betrugsverdachts und Anlegertäuschung. Das US-Gesundheitssystem gerät in Not, weil die Firma Chiron 2004 die Hälfte der dringend benötigten Grippeimpfstoffe wegen Qualitätsproblemen nicht liefern konnte. Und die FDA wird von außen und innen hart kritisiert; sie sei unfähig, die Bürger vor den Risiken gefährlicher Medikamente zu schützen, heißt es. Folge: Die Firmen erleben derzeit einen schweren Imageschaden.
Das spiegelt auch die Reaktion der Investoren am Freitag wider. Rund 30 Mrd. $ Marktkapitalisierung büßten die drei Schwergewichte Pfizer, Eli Lilly und AstraZeneca insgesamt an der Börse in New York ein, nachdem sie schlechte Nachrichten verbreitet hatten. Im Jahresverlauf hat Pfizer fast 28 Prozent seines Aktienwertes verloren, AstraZeneca etwa 30 Prozent und Konkurrent Eli Lilly gut 20 Prozent.
Der britische Pharmakonzern AstraZeneca hatte bekannt gegeben, dass sein Lungenkrebsmedikament Iressa das Leben von Patienten möglicherweise doch nicht verlängert. Das ist ein Schock für die Briten, denn Iressa wurden bislang jährliche Spitzenumsätzen von 1 Mrd. $ weltweit zugetraut. Das Medikament wurde in diesem Jahr in den USA und Japan zugelassen. Das ist für AstraZeneca nach der verzögerten Zulassung des Blutverdünners Exanta und der schleppenden Umsatzentwicklung des Cholesterinsenkers Crestor eine neue Schlappe in diesem Jahr. Die Aktie verlor Freitag neun Prozent.
Schlecht läuft es auch beim US-Konkurrenten Eli Lilly. Der Konzern warnt, dass seine Pille Strattera zur Behandlung hyperaktiver Kinder zu Leberschäden führen kann. Die Aktie sank am Freitag um sechs Prozent.
Neben weiteren Risikofaktoren wie Patentverlust oder Preisdruck belastet bei Lilly und anderen eine weitere Komponente auf die Bewertung: die Abhängigkeit vieler Konzerne von wenigen Massenprodukten. Eli Lilly schöpft über 30 Prozent der Umsätze aus den Verkäufen der Psychopille Zyprexa. Bei Pfizer und Merck hängt ein Viertel des Umsatzes vom Topprodukt ab. Wenn ein solches Standbein wegbricht, ist die Katastrophe programmiert.
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