Niedrige Zinsen beflügeln - Gewinnerwartungen bei den Unternehmen steigen - Dax-Stand von 3500 Punkten erwartet
von Anja Struve
Berlin - Das wohl spannendste Wettrennen dieses Jahres findet nicht etwa in Monte Carlo oder auf dem Nürnburgring statt, sondern in den Handelssäalen rund um den Globus: Beinahe täglich übertrumpfen sich Aktienmärkte und Anleihebörsen mit immer neuen Rekordständen. Während am Donnerstag der Dax mit über 3250 Punkten auf ein neues Jahreshoch stieg, erreichte am Freitag der europäische Rentenmarkt das niedrigste Renditeniveau seit 1973.
Die Zukunftsvisionen, auf die beide Seiten spekulieren, sind allerdings grundverschieden: Während die Rentenanleger damit rechnen, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte und sich Rezessions- oder sogar Deflationsszenarien ausmalen, glauben die Investoren am Aktienmarkt daran, dass alles wieder gut wird: Unternehmen wie Verbraucher könnten demnach ihre tiefe Vertrauenskrise überwinden und die lange erhoffte Konjunkturerholung endlich einsetzen.
Doch wer hat Recht? Und wie tragfähig ist die Kursrallye, die der Aktienmarkt erstmals seit längerem wieder erlebt?
In die Analyseabteilungen vieler Banken fällt die Antwort darauf eindeutig aus: "Der Aktienmarkt könnte in diesem Jahr das Rennen machen", sagt Stratege Peter Dombeck von der Berenberg Bank. Wie die meisten seiner Kollegen rechnet er bis zum Jahresende mit einem Dax-Stand von 3500 Punkten - das wären über 20 Prozent mehr als im Vorjahr und immer noch fast 300 Punkte mehr als jetzt.
Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass die Aktienmärkte trotz ihres rasanten Anstiegs noch weiter steigen.
So haben die Notenbanken in den USA und Europa die monetären Rahmenbedingungen stark gelockert, die Finanzierungsbedingungen sind damit so günstig wie selten zuvor. Trotz der expansiven Notenbankpolitik halten die Investoren aber immer noch viel Liquidität in ihren Portfolios - Geld, das im Zuge der Vertrauenskrise vor allem in kurzfristige Geldmarktanlagen geschichtet wurde. Nach Berechnungen von Thomson ISI ist allein in den USA das Volumen der Geldmarktanlagen von 3,9 Billionen Dollar Ende 2000 auf 4,6 Billionen Dollar Ende 2002 gestiegen. "Es steht also genügend Liquidität zur Verfügung, um die Aktienmärkte zu stimulieren", sagt Ron Klotter von Invesco. Besonders institutionelle Investoren wie Fonds und Versicherer, die nach den Enttäuschungen der vergangenen Monate ihre Aktienquote stark zurück gefahren haben, stehen nun unter Druck, in Aktien zu investieren, um den Aufschwung nicht noch weiter zu verpassen.
Hinzu kommt, dass die Verzinsung von Geldmarkt- und Anleiheprodukten mit 1,5 Prozent in den USA und rund zwei Prozent in Europa extrem niedrig ist. Beim Wettrennen um die Anlegergelder also "keine gefährliche Konkurrenz für den Aktienmarkt", meint Klotter.
Unterstützend wirken auch die guten Nachrichten, die der Unternehmenssektor nach langer Durstrecke wieder melden konnte. Nach den drastischen Kostensparmaßnahmen der vergangenen Monate sind in einigen Branchen die Gewinnaussichten wieder gestiegen. Das nährt die Hoffnung, dass die Firmen auch ihre bisherige Investitionszurückhaltung langsam aufgeben könnten.
Auch die Historie spricht aus Sicht der Optimisten für weiter steigende Aktienkurse. Denn in den vergangenen Dekaden folgten nach drei schwachen Aktienjahren in Folge anschließend regelmäßig Boomjahre für die Besitzer von Dividendentiteln .
Doch es gibt auch Risiken. So ist nach wie vor nicht klar, ob sich die Konjunktur weltweit tatsächlich in dem Maße wie erwartet erholt. Auch auf dem Unternehmenssektor könnten bei der Berichtssaison im Juli enttäuschende Ergebnisse den Anlegern die Laune verderben. Das gilt besonders für den Euroraum, wo der steigende Euro die Exporteure zunehmend belastet. "Zudem sind die Aktienkurse vor allem in den USA aber auch in Europa so rasant gestiegen, dass mittlerweile ein faires Bewertungsniveau fast wieder erreicht ist", dämpft Stratege Rolf Elgeti von der Commerzbank allzu große Kurshoffnungen.
Auch die Furcht vor einer Deflation ist noch längst nicht verschwunden. Doch paradoxerweise nährt gerade dieses Argument sowohl an den Aktien- wie auch an den Bondsmärkten die Hoffnung auf weitere Kursgewinne. Schließlich rechnen beide Seiten fest damit, dass die Notenbanken die ohnehin historisch niedrigen Zinsen noch weiter senken könnten, um ein Abrutschen in die Deflation zu verhindern. "Diese Phase ist nicht mit der Situation vor zehn oder 20 Jahren zu vergleichen, weil die Zentralbanken jetzt Deflation statt Inflation bekämpfen", sagt Hans-Günter Redeker von BNP Paribas. "Und solange das so bleibt, kann kurzfristig beides weiter steigen."
von Anja Struve
Berlin - Das wohl spannendste Wettrennen dieses Jahres findet nicht etwa in Monte Carlo oder auf dem Nürnburgring statt, sondern in den Handelssäalen rund um den Globus: Beinahe täglich übertrumpfen sich Aktienmärkte und Anleihebörsen mit immer neuen Rekordständen. Während am Donnerstag der Dax mit über 3250 Punkten auf ein neues Jahreshoch stieg, erreichte am Freitag der europäische Rentenmarkt das niedrigste Renditeniveau seit 1973.
Die Zukunftsvisionen, auf die beide Seiten spekulieren, sind allerdings grundverschieden: Während die Rentenanleger damit rechnen, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte und sich Rezessions- oder sogar Deflationsszenarien ausmalen, glauben die Investoren am Aktienmarkt daran, dass alles wieder gut wird: Unternehmen wie Verbraucher könnten demnach ihre tiefe Vertrauenskrise überwinden und die lange erhoffte Konjunkturerholung endlich einsetzen.
Doch wer hat Recht? Und wie tragfähig ist die Kursrallye, die der Aktienmarkt erstmals seit längerem wieder erlebt?
In die Analyseabteilungen vieler Banken fällt die Antwort darauf eindeutig aus: "Der Aktienmarkt könnte in diesem Jahr das Rennen machen", sagt Stratege Peter Dombeck von der Berenberg Bank. Wie die meisten seiner Kollegen rechnet er bis zum Jahresende mit einem Dax-Stand von 3500 Punkten - das wären über 20 Prozent mehr als im Vorjahr und immer noch fast 300 Punkte mehr als jetzt.
Es spricht tatsächlich einiges dafür, dass die Aktienmärkte trotz ihres rasanten Anstiegs noch weiter steigen.
So haben die Notenbanken in den USA und Europa die monetären Rahmenbedingungen stark gelockert, die Finanzierungsbedingungen sind damit so günstig wie selten zuvor. Trotz der expansiven Notenbankpolitik halten die Investoren aber immer noch viel Liquidität in ihren Portfolios - Geld, das im Zuge der Vertrauenskrise vor allem in kurzfristige Geldmarktanlagen geschichtet wurde. Nach Berechnungen von Thomson ISI ist allein in den USA das Volumen der Geldmarktanlagen von 3,9 Billionen Dollar Ende 2000 auf 4,6 Billionen Dollar Ende 2002 gestiegen. "Es steht also genügend Liquidität zur Verfügung, um die Aktienmärkte zu stimulieren", sagt Ron Klotter von Invesco. Besonders institutionelle Investoren wie Fonds und Versicherer, die nach den Enttäuschungen der vergangenen Monate ihre Aktienquote stark zurück gefahren haben, stehen nun unter Druck, in Aktien zu investieren, um den Aufschwung nicht noch weiter zu verpassen.
Hinzu kommt, dass die Verzinsung von Geldmarkt- und Anleiheprodukten mit 1,5 Prozent in den USA und rund zwei Prozent in Europa extrem niedrig ist. Beim Wettrennen um die Anlegergelder also "keine gefährliche Konkurrenz für den Aktienmarkt", meint Klotter.
Unterstützend wirken auch die guten Nachrichten, die der Unternehmenssektor nach langer Durstrecke wieder melden konnte. Nach den drastischen Kostensparmaßnahmen der vergangenen Monate sind in einigen Branchen die Gewinnaussichten wieder gestiegen. Das nährt die Hoffnung, dass die Firmen auch ihre bisherige Investitionszurückhaltung langsam aufgeben könnten.
Auch die Historie spricht aus Sicht der Optimisten für weiter steigende Aktienkurse. Denn in den vergangenen Dekaden folgten nach drei schwachen Aktienjahren in Folge anschließend regelmäßig Boomjahre für die Besitzer von Dividendentiteln .
Doch es gibt auch Risiken. So ist nach wie vor nicht klar, ob sich die Konjunktur weltweit tatsächlich in dem Maße wie erwartet erholt. Auch auf dem Unternehmenssektor könnten bei der Berichtssaison im Juli enttäuschende Ergebnisse den Anlegern die Laune verderben. Das gilt besonders für den Euroraum, wo der steigende Euro die Exporteure zunehmend belastet. "Zudem sind die Aktienkurse vor allem in den USA aber auch in Europa so rasant gestiegen, dass mittlerweile ein faires Bewertungsniveau fast wieder erreicht ist", dämpft Stratege Rolf Elgeti von der Commerzbank allzu große Kurshoffnungen.
Auch die Furcht vor einer Deflation ist noch längst nicht verschwunden. Doch paradoxerweise nährt gerade dieses Argument sowohl an den Aktien- wie auch an den Bondsmärkten die Hoffnung auf weitere Kursgewinne. Schließlich rechnen beide Seiten fest damit, dass die Notenbanken die ohnehin historisch niedrigen Zinsen noch weiter senken könnten, um ein Abrutschen in die Deflation zu verhindern. "Diese Phase ist nicht mit der Situation vor zehn oder 20 Jahren zu vergleichen, weil die Zentralbanken jetzt Deflation statt Inflation bekämpfen", sagt Hans-Günter Redeker von BNP Paribas. "Und solange das so bleibt, kann kurzfristig beides weiter steigen."