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Aus der FTD vom 10.11.2004 |
Von Sebastian Dullien, Berlin
In Deutschland haben die gestiegenen Ölpreise bereits im Spätsommer dazu geführt, dass sich das Wirtschaftswachstum deutlich abschwächt. Bis Anfang 2005 könnte die Dynamik sogar fast vollständig verloren gehen.
Das sagten Experten am Dienstag, nachdem das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitgeteilt hatte, dass sich die Stimmung unter Finanzanalysten im November so stark eingetrübt hat wie zuletzt vor zwei Jahren. Kurz vor der Veröffentlichung erster offizieller Daten zum Wachstum im dritten Quartal an diesem Donnerstag rechnen Experten damit, dass die Rate bereits von 0,5 auf etwa 0,3 Prozent gesunken ist. Im vierten Quartal dürften es noch weniger sein, sagte Annemarieke Christian von der Investmentbank Morgan Stanley. Ähnlich äußerte sich Jörg Krämer, Chefvolkswirt von Invesco Asset Management. Nach Angaben des ZEW war der Saldo aus Optimisten und Pessimisten unter den Analysten um 17,4 auf 13,9 Punkte gesunken. Damit liegt der Index nun spürbar unter dem langjährigen Schnitt. Nachdem der Ifo-Index für das deutsche Geschäftsklima im Oktober leicht gestiegen war, hatten Volkswirte Hoffnung geschöpft, dass die Folgen der Ölverteuerung für das Wachstum in Deutschland begrenzt bleiben könnten. Die neuen Daten geben jetzt den Skeptiker wieder neue Nahrung. Binnennachfrage hat sich erholt "Die negativen Auswirkungen des Ölpreises werden am stärksten im dritten und vierten Quartal des laufenden Jahres durchschlagen", sagte Annemarieke Christian. "Die globale Nachfrage hat sich abgeschwächt", sagte Andreas Scheuerle von der Deka-Bank. Zusammen mit dem teuren Euro dämpfe dies die Nachfrage nach deutschen Exportprodukten. Die Zuwächse beim Export dürften sich im Sommer deutlich abgeschwächt haben. Leicht erholt hat sich laut Invesco-Ökonom Krämer dagegen die Binnennachfrage. Wie Christian sagte, hat der hohe Ölpreis die Importrechnung in die Höhe getrieben. Das bremse die Wirtschaft. Umstritten blieb unter den Volkswirten, wie schnell der Wachstumsdämpfer überwunden werden kann. Krämer prognostiziert eine "erneute moderate Aufwärtsbewegung" im kommenden Jahr. Nach einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von lediglich 0,2 Prozent gegenüber Vorquartal gegen Ende dieses Jahres werde es 2005 Quartalsraten von 0,3 Prozent geben. Die Ökonomen der Deka-Bank dagegen sehen eine weitere Abschwächung. "Der Tiefpunkt wird erst im Sommer 2005 erreicht", sagte Deka-Bank-Experte Andreas Scheuerle. Beschäftigung erstmalig seit Jahresbeginn gefallen Optimistischer äußerten sich die Volkswirte der Commerzbank und von Morgan Stanley. "Wenn im kommenden Jahr die Belastung durch das Ölpreis-Hoch wegfällt, wird auch das Wachstum wieder anziehen", sagte Commerzbank-Experte Christoph Weil. Schon im Frühjahr werde die deutsche Wirtschaft dann wieder Wachstumsraten von 0,5 Prozent pro Quartal erreichen. "Wir erwarten, dass sich der Privatkonsum langsam erholt", sagte Christian. Erste Spuren könnte die jüngste Abschwächung bereits auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen haben. Zwar stieg die Beschäftigung laut ersten Schätzungen des Statistikamts Destatis im dritten Quartal insgesamt um immerhin 19.000 zum Vorquartal; damit lag die Beschäftigung um rund 100.000 über dem Vorjahreswert. Zum Ende des dritten Quartals kam es allerdings erstmals seit Monaten wieder zu einem Rückgang. Wie die FTD von Destatis erfuhr, fiel die Beschäftigung im September zum ersten Mal seit Jahresbeginn wieder. Zu dem Anstieg hatte laut Experten vor allem der Boom bei den Minijobs beigetragen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs sank dagegen weiter. |