Vor wenigen Wochen gingen noch Abgesänge auf den Neuen Markt durch die Presse. Betrügerein, Pleiten und eine Vielzahl an Planzahlverfehlungen hatten das Vertrauen der Anleger nach Ansicht von Experten auf lange Zeit zerstört. Wie schnell sich die Stimmung ändern kann, hat kaum jemand geahnt.
Innerhalb weniger Wochen ist die Euphorie an das Wachstumssegment zurückgekehrt, die Anleger stürzen sich geradezu auf die ausgebombten Werte. Doch die Investoren haben offenbar aus früheren Fehlern wenig gelernt. Statt auf kontinuierliche Wertzuwächse bei soliden Unternehmen zu setzen, stehen ganz oben auf der Kaufliste wieder spekulative Titel, deren Aktienkurse in luftige Höhen gepusht werden.
Dabei handelt es sich nicht mehr nur um Penny-Stocks, inzwischen werden auch andere Firmen ohne fundamentalen Bezug regelrecht nach oben geprügelt. Bestes Beispiel die Aktie von MorphoSys [ Kurs/Chart ]. Der Titel legte seit dem Tief bei 14,00 Euro inzwischen um mehr als 400 Prozent zu.
Kursprung nicht nachvollziehbarBegründet wird der Anstieg zum einen durch die Angst vor Terrorangriffen mit Biowaffen, die die Biotech-Werte am Neuen Markt seit Wochen explodieren lässt. Zum anderen ranken sich Übernahmegerüchte um MorphoSys. Beide Begründungen sind kaum stichhaltig: Zum einen ist das Unternehmen kein Medikamenten-Entwickler und wird damit von einer erhöhten Nachrage nach Wirkstoffen in Folge eines Biowaffen-Attentats allenfalls indirekt profitieren. Zudem ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Aufkäufer jetzt - bei Kursen um die 70 Euro - zukauft. Vor wenigen Wochen hätte er noch ein fünftel des Preises bezahlt.
Die aktuelle Bewertung von MorphoSys von über 250 Millionen Euro steht auf alle Fälle in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zum geplanten Umsatz von 15-17 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr.
Auch die Bewertung von Lion Bioscience [ Kurs/Chart ] ist nach der Erholung von 240 Prozent seit dem Tief mit fundamentalen Maßstäben nicht mehr zu rechtfertigen. Bei 23 Euro je Aktie liegt die Marktkapitalisierung bei 430 Millionen Euro. Selbst wenn sich der Umsatz im laufende Geschäftsjahr auf 50 Millionen Euro mehr als verdoppeln sollte, ist das für einen hochdefizitären Softwareanbieter mit Biotech-Anhang zu viel.
Vor Rückschlägen nicht gefeit
Am Neuen Markt scheint sich derzeit die Erkenntnis durchzusetzen, dass es nach den drastischen Verlusten der letzten eineinhalb Jahre nur aufwärts gehen kann. Nur so lassen sich die Aufschläge bei Einzelwerten nach irrelevanten oder schon bekannten Nachrichten erklären. So explodierte die Aktie von EM.TV [ Kurs/Chart ] innerhalb eines Tages mehr als 90 Prozent, als Spekulationen über einen Beteiligungstausch mit der Kirch-Gruppe aufkamen.
Dabei war bekannt, dass der angeschlagene Medienkonzern mit Kirch verhandelt und auch ein Tausch von Beteiligungen war sehr wahrscheinlich, nachdem der designierte neue Vorstandschef von EM.TV, Werner Klatten, zuvor eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Kerngeschäft angekündigt hatte. Nichts desto trotz setzte das Papier von EM.TV seinen Höhenflug auch am zweiten Tag nach Auftauchen der Spekulationen fort und legte zeitweise noch einmal um 45 Prozent zu, ehe Gewinnmitnahmen den Kursexzess beendeten.
Dass den Chancen auf hohe Kursgewinne auch Risiken gegenüberstehen, zeigt die weitere Performance des angeschlagenen Medienkonzerns. Inzwischen notiert die Aktie von EM.TV wieder bei 2,33 Euro. Wer mitgezockt hat und zum Höchstkurs von 3,89 Euro eingestiegen ist, sitzt jetzt auf Verlusten von 40 Prozent. Drastisch auch die Kursbewegungen bei MorphoSys. Wer am Dienstag zum Höchstkurs bei 90 Euro eingestiegen ist, hatte innerhalb weniger Stunden mehr als ein Drittel seines Einsatzes verloren. Die Aktie schloss nur noch bei 57 Euro.
Hier winken noch Kurschancen
Nicht alle Unternehmen haben vom Kursaufschwung der letzten Wochen in gleichem Maße profitiert. Vor allem bei einigen soliden Unternehmen bieten sich dem langfristig orientierten Anleger auf dem aktuellen Niveau noch ausgezeichnete Kurschancen.
Interessant ist zum Beispiel die Aktie von Thiel Logistik [ Kurs/Chart ]. Das Wachstum des Logistikdienstleisters ist intakt, im Gegensatz zu vielen anderen Neuer Markt-Firmen hält man bei den Luxemburgern an den Planzahlen fest. Analysten erwarten für 2002 einen Gewinn je Aktie von 1,05 Euro. Beim aktuellen Kurs von 19 Euro ergibt sich daraus ein KGV von 18. Bei realistischen Wachstumsraten von 25 bis 30 Prozent für die nächsten Jahre hat das Papier des Nemax-Schwergewichts noch deutliches Kurspotenzial.
Ähnlich sieht die Lage bei Teleplan [ Kurs/Chart ] aus. Der After Sales-Dienstleister profitiert von dem Kostendruck bei den Herstellern von Computer-Hardware. In den kommenden Jahren dürfte das Geschäft daher kontinuierlich wachsen und im Schnitt um 20 bis 30 Prozent zulegen. Zuletzt kam die Aktie nach durchwachsenen Ergebnissen für das dritte Quartal unter Druck. Das Unternehmen geht jetzt "nur" noch von einem Erlöszuwachs für 2001 in einer Größenordnung von 70 Prozent aus. Bisher war man von mehr als 100 Prozent ausgegangen. Darauf fiel der Titel auf aktuell nur noch 15 Euro. Bei konservativen Ergebnisschätzungen von 1,10 Euro für 2002 ergibt sich daraus ein bescheidenes KGV von 14.
Bei beiden aussichtsreichen Unternehmen ist wegen ihrer Größe nicht mit Kursexplosionen im hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Bereich innerhalb weniger Tage zu rechnen. Vielmehr zeichnen sich Thiel und Teleplan durch ein bewährtes und etabliertes Geschäftsmodell aus und sind nach dem Kursverfall des Neuen Marktes der letzten eineinhalb Jahre jetzt noch günstig bewertet.
© 24.10.2001 www.stock-world.de
Innerhalb weniger Wochen ist die Euphorie an das Wachstumssegment zurückgekehrt, die Anleger stürzen sich geradezu auf die ausgebombten Werte. Doch die Investoren haben offenbar aus früheren Fehlern wenig gelernt. Statt auf kontinuierliche Wertzuwächse bei soliden Unternehmen zu setzen, stehen ganz oben auf der Kaufliste wieder spekulative Titel, deren Aktienkurse in luftige Höhen gepusht werden.
Dabei handelt es sich nicht mehr nur um Penny-Stocks, inzwischen werden auch andere Firmen ohne fundamentalen Bezug regelrecht nach oben geprügelt. Bestes Beispiel die Aktie von MorphoSys [ Kurs/Chart ]. Der Titel legte seit dem Tief bei 14,00 Euro inzwischen um mehr als 400 Prozent zu.
Kursprung nicht nachvollziehbarBegründet wird der Anstieg zum einen durch die Angst vor Terrorangriffen mit Biowaffen, die die Biotech-Werte am Neuen Markt seit Wochen explodieren lässt. Zum anderen ranken sich Übernahmegerüchte um MorphoSys. Beide Begründungen sind kaum stichhaltig: Zum einen ist das Unternehmen kein Medikamenten-Entwickler und wird damit von einer erhöhten Nachrage nach Wirkstoffen in Folge eines Biowaffen-Attentats allenfalls indirekt profitieren. Zudem ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Aufkäufer jetzt - bei Kursen um die 70 Euro - zukauft. Vor wenigen Wochen hätte er noch ein fünftel des Preises bezahlt.
Die aktuelle Bewertung von MorphoSys von über 250 Millionen Euro steht auf alle Fälle in keinem vertretbaren Verhältnis mehr zum geplanten Umsatz von 15-17 Millionen Euro im laufenden Geschäftsjahr.
Auch die Bewertung von Lion Bioscience [ Kurs/Chart ] ist nach der Erholung von 240 Prozent seit dem Tief mit fundamentalen Maßstäben nicht mehr zu rechtfertigen. Bei 23 Euro je Aktie liegt die Marktkapitalisierung bei 430 Millionen Euro. Selbst wenn sich der Umsatz im laufende Geschäftsjahr auf 50 Millionen Euro mehr als verdoppeln sollte, ist das für einen hochdefizitären Softwareanbieter mit Biotech-Anhang zu viel.
Vor Rückschlägen nicht gefeit
Am Neuen Markt scheint sich derzeit die Erkenntnis durchzusetzen, dass es nach den drastischen Verlusten der letzten eineinhalb Jahre nur aufwärts gehen kann. Nur so lassen sich die Aufschläge bei Einzelwerten nach irrelevanten oder schon bekannten Nachrichten erklären. So explodierte die Aktie von EM.TV [ Kurs/Chart ] innerhalb eines Tages mehr als 90 Prozent, als Spekulationen über einen Beteiligungstausch mit der Kirch-Gruppe aufkamen.
Dabei war bekannt, dass der angeschlagene Medienkonzern mit Kirch verhandelt und auch ein Tausch von Beteiligungen war sehr wahrscheinlich, nachdem der designierte neue Vorstandschef von EM.TV, Werner Klatten, zuvor eine Rückbesinnung auf das ursprüngliche Kerngeschäft angekündigt hatte. Nichts desto trotz setzte das Papier von EM.TV seinen Höhenflug auch am zweiten Tag nach Auftauchen der Spekulationen fort und legte zeitweise noch einmal um 45 Prozent zu, ehe Gewinnmitnahmen den Kursexzess beendeten.
Dass den Chancen auf hohe Kursgewinne auch Risiken gegenüberstehen, zeigt die weitere Performance des angeschlagenen Medienkonzerns. Inzwischen notiert die Aktie von EM.TV wieder bei 2,33 Euro. Wer mitgezockt hat und zum Höchstkurs von 3,89 Euro eingestiegen ist, sitzt jetzt auf Verlusten von 40 Prozent. Drastisch auch die Kursbewegungen bei MorphoSys. Wer am Dienstag zum Höchstkurs bei 90 Euro eingestiegen ist, hatte innerhalb weniger Stunden mehr als ein Drittel seines Einsatzes verloren. Die Aktie schloss nur noch bei 57 Euro.
Hier winken noch Kurschancen
Nicht alle Unternehmen haben vom Kursaufschwung der letzten Wochen in gleichem Maße profitiert. Vor allem bei einigen soliden Unternehmen bieten sich dem langfristig orientierten Anleger auf dem aktuellen Niveau noch ausgezeichnete Kurschancen.
Interessant ist zum Beispiel die Aktie von Thiel Logistik [ Kurs/Chart ]. Das Wachstum des Logistikdienstleisters ist intakt, im Gegensatz zu vielen anderen Neuer Markt-Firmen hält man bei den Luxemburgern an den Planzahlen fest. Analysten erwarten für 2002 einen Gewinn je Aktie von 1,05 Euro. Beim aktuellen Kurs von 19 Euro ergibt sich daraus ein KGV von 18. Bei realistischen Wachstumsraten von 25 bis 30 Prozent für die nächsten Jahre hat das Papier des Nemax-Schwergewichts noch deutliches Kurspotenzial.
Ähnlich sieht die Lage bei Teleplan [ Kurs/Chart ] aus. Der After Sales-Dienstleister profitiert von dem Kostendruck bei den Herstellern von Computer-Hardware. In den kommenden Jahren dürfte das Geschäft daher kontinuierlich wachsen und im Schnitt um 20 bis 30 Prozent zulegen. Zuletzt kam die Aktie nach durchwachsenen Ergebnissen für das dritte Quartal unter Druck. Das Unternehmen geht jetzt "nur" noch von einem Erlöszuwachs für 2001 in einer Größenordnung von 70 Prozent aus. Bisher war man von mehr als 100 Prozent ausgegangen. Darauf fiel der Titel auf aktuell nur noch 15 Euro. Bei konservativen Ergebnisschätzungen von 1,10 Euro für 2002 ergibt sich daraus ein bescheidenes KGV von 14.
Bei beiden aussichtsreichen Unternehmen ist wegen ihrer Größe nicht mit Kursexplosionen im hohen zweistelligen oder gar dreistelligen Bereich innerhalb weniger Tage zu rechnen. Vielmehr zeichnen sich Thiel und Teleplan durch ein bewährtes und etabliertes Geschäftsmodell aus und sind nach dem Kursverfall des Neuen Marktes der letzten eineinhalb Jahre jetzt noch günstig bewertet.
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