Verschlimmbessert
Neue Veröffentlichungsregeln sorgen für Verwirrung
Auch Juristen ziehen ihre Bilanz der abgelaufenen Bilanzsaison. Ihnen fällt eines auf: Gerade bei den Dax-Werten herrscht große Verunsicherung, was den Umgang mit dem neuen Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) betrifft.
Konkret war es die Frage, wann genau Bilanzzahlen veröffentlicht werden müssen, die bei Juristen zuletzt zu krassen Meinungsverschiedenheiten und an den Aktienmärkten zu einem Mix aus Überraschung und Verärgerung führte.
Beispiele dafür gab es im letzten Monat einige. So veröffentlichte die Commerzbank ihre Geschäftszahlen für 2004 abweichend von ihrem Finanzmarktkalender, Daimler-Chrysler legte untestierte und durch den Aufsichtsrat nicht bestätigte Zahlen vor und die Lufthansa gab vorab einzelne Bilanzzahlen isoliert bekannt. Jedesmal war die Aufregung bei den Investoren gleich groß. Die einen sahen die Verlässlichkeit der Märkte aufs Spiel gesetzt. Andere befürchteten künftig größere Kursausschläge bei den entsprechenden Aktien durch unvorhersehbare Termine zur Bilanzveröffentlichung.
Grund für die ganze Aufregung ist das im vergangenen Oktober in Kraft getretene AnSVG, womit letztlich nur die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt wurde. Darin geht es im Wesentlichen darum, dass nicht nur Tatsachen, sondern alle Umstände unverzüglich veröffentlicht werden müssen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten werden.
Sozusagen als Service für die Unternehmen hat die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dazu einen vorläufigen Emittentenleitfaden vorgelegt, der nun bis Ende April noch einmal konkretisiert werden soll. Doch anstatt damit Klarheit zu schaffen, war das Chaos nun vollends perfekt. Dabei gleichen die neuen Regeln letztlich in vielen Bereichen denjenigen, die bereits vorher galten. Bereits im Jahr 1996 hat die damalige Vorgängerbehörde des BaFin, das Bundesamt für den Wertpapierhandel (BAWe) geregelt, dass Geschäftszahlen unverzüglich zu veröffentlichen seien, wenn sie dem Vorstand vorlägen – spätestens mit der Aufstellung des Jahresabschlusses.
Nur die Praxis sah weitgehend anders aus. Da zählte es zur Gepflogenheit, die Zahlen erst dann zu veröffentlichen, wenn sie „durch den Aufsichtsrat (AR) waren“. Als Termin zur Bilanzveröffentlichung wurde einfach der Tag nach der AR-Sitzung gewählt. Und da viele Unternehmen ihre Finanzkalender für dieses Jahr aufgestellt haben, als das neue Gesetz noch gar nicht in Kraft getreten war, kam es nun zu den entsprechenden Abweichungen.
Mit dem konkretisierten Emittentenleitfaden, der nun Ende April folgen soll, könnte sich das einspielen, was eigentlich seit Jahren Vorschrift ist. Fälle wie bei der Commerzbank oder bei Daimler Chrysler, wo Geschäftszahlen vor dem festgesetzten Termin oder vor der Bestätigung durch den Aufsichtsrat veröffentlicht werden, werden dann zur gängigen Praxis werden.
Strittiger ist hingegen die Frage, was die Veröffentlichung von Einzelzahlen angeht. Ein Patentrezept dafür gibt es nicht, lediglich eine Tendenz. Zwar haben manche Unternehmen eine Geschäftsstruktur, bei der sich nach einer Umsatzsteigerung um den Prozentsatz x auch auf eine Ergebnissteigerung um diese Prozentsatz rechnen lässt. Dabei handelt es sich aber lediglich um die Ausnahme.
Viel häufiger dürfte es hingegen vorkommen, dass die Veröffentlichung einzelner Zahlen die Anleger eher verwirrt, da der Spekulation auf Folgendes Tür und Tor geöffnet wäre. Die Folge: Die Aktie wäre in diesem Moment ein Zockerobjekt. Und das wäre sicher nicht im Sinne des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 11. April 2005, 05:55 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Neue Veröffentlichungsregeln sorgen für Verwirrung
Auch Juristen ziehen ihre Bilanz der abgelaufenen Bilanzsaison. Ihnen fällt eines auf: Gerade bei den Dax-Werten herrscht große Verunsicherung, was den Umgang mit dem neuen Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) betrifft.
Konkret war es die Frage, wann genau Bilanzzahlen veröffentlicht werden müssen, die bei Juristen zuletzt zu krassen Meinungsverschiedenheiten und an den Aktienmärkten zu einem Mix aus Überraschung und Verärgerung führte.
Beispiele dafür gab es im letzten Monat einige. So veröffentlichte die Commerzbank ihre Geschäftszahlen für 2004 abweichend von ihrem Finanzmarktkalender, Daimler-Chrysler legte untestierte und durch den Aufsichtsrat nicht bestätigte Zahlen vor und die Lufthansa gab vorab einzelne Bilanzzahlen isoliert bekannt. Jedesmal war die Aufregung bei den Investoren gleich groß. Die einen sahen die Verlässlichkeit der Märkte aufs Spiel gesetzt. Andere befürchteten künftig größere Kursausschläge bei den entsprechenden Aktien durch unvorhersehbare Termine zur Bilanzveröffentlichung.
Grund für die ganze Aufregung ist das im vergangenen Oktober in Kraft getretene AnSVG, womit letztlich nur die EU-Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt wurde. Darin geht es im Wesentlichen darum, dass nicht nur Tatsachen, sondern alle Umstände unverzüglich veröffentlicht werden müssen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten werden.
Sozusagen als Service für die Unternehmen hat die Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) dazu einen vorläufigen Emittentenleitfaden vorgelegt, der nun bis Ende April noch einmal konkretisiert werden soll. Doch anstatt damit Klarheit zu schaffen, war das Chaos nun vollends perfekt. Dabei gleichen die neuen Regeln letztlich in vielen Bereichen denjenigen, die bereits vorher galten. Bereits im Jahr 1996 hat die damalige Vorgängerbehörde des BaFin, das Bundesamt für den Wertpapierhandel (BAWe) geregelt, dass Geschäftszahlen unverzüglich zu veröffentlichen seien, wenn sie dem Vorstand vorlägen – spätestens mit der Aufstellung des Jahresabschlusses.
Nur die Praxis sah weitgehend anders aus. Da zählte es zur Gepflogenheit, die Zahlen erst dann zu veröffentlichen, wenn sie „durch den Aufsichtsrat (AR) waren“. Als Termin zur Bilanzveröffentlichung wurde einfach der Tag nach der AR-Sitzung gewählt. Und da viele Unternehmen ihre Finanzkalender für dieses Jahr aufgestellt haben, als das neue Gesetz noch gar nicht in Kraft getreten war, kam es nun zu den entsprechenden Abweichungen.
Mit dem konkretisierten Emittentenleitfaden, der nun Ende April folgen soll, könnte sich das einspielen, was eigentlich seit Jahren Vorschrift ist. Fälle wie bei der Commerzbank oder bei Daimler Chrysler, wo Geschäftszahlen vor dem festgesetzten Termin oder vor der Bestätigung durch den Aufsichtsrat veröffentlicht werden, werden dann zur gängigen Praxis werden.
Strittiger ist hingegen die Frage, was die Veröffentlichung von Einzelzahlen angeht. Ein Patentrezept dafür gibt es nicht, lediglich eine Tendenz. Zwar haben manche Unternehmen eine Geschäftsstruktur, bei der sich nach einer Umsatzsteigerung um den Prozentsatz x auch auf eine Ergebnissteigerung um diese Prozentsatz rechnen lässt. Dabei handelt es sich aber lediglich um die Ausnahme.
Viel häufiger dürfte es hingegen vorkommen, dass die Veröffentlichung einzelner Zahlen die Anleger eher verwirrt, da der Spekulation auf Folgendes Tür und Tor geöffnet wäre. Die Folge: Die Aktie wäre in diesem Moment ein Zockerobjekt. Und das wäre sicher nicht im Sinne des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 11. April 2005, 05:55 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter