Ein Bürgermeister gab der Deutschen Bank einen Aktienfund zur Prüfung. Das Institut will die Papiere nun nicht mehr rausrücken. Der Fall ist rechtlich umstritten.
Dieter Müller neigt nicht zu großen Emotionsausbrüchen. Als Bürgermeister des kleinen hessischen Fleckens Echzell hat er mit handfester Kommunalpolitik zu tun, vom Kindergarten bis zum Straßenbau, samt fest umrissenem Stadtsäckel ohne große Überraschungen. Doch als er den Packen blaugrüner Wertpapiere in die Hand bekam, wurde ihm "ganz schummrig".
"Global-Aktie über 1000 Aktien zu je 1000 Deutsche Mark, insgesamt eine Million Deutsche Mark" stand da auf einem der Dokumente, die ihm der Leiter des Fundbüros überreichte. Das Papier hatte zusammen mit einem Dutzend weiterer Aktien auf der örtlichen Müllkippe gelegen, wo es ein Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung im Juni vergangenen Jahres fand. Deshalb, so dachte Müller, gehören die Stücke der Gemeinde - allenfalls abzüglich eines Finderlohns.
Der Kommunalpolitiker wandte sich an die Deutsche Bank im nahen Frankfurt. Dort sollten die Profis zunächst eine der Kaufhof-Aktien prüfen - und womöglich ihren Besitzer feststellen. Die Bank forderte die Original-Urkunden, und so fuhr Müller persönlich in die Frankfurter Wolkenkratzer-Schluchten. Aber mittlerweile wollen ihm die Deutschbanker die Papiere nicht mal mehr zurückgeben, was für Müller "schlichtweg eine Frechheit" ist. Entgegen seiner Art, aber ganz nach hessischer Dorfmanier, wird er immer ungemütlicher: "Die letzten Telefonate", sagt er, "waren recht laut."
Ganz so arrogant und verschwiegen hätte sich Müller die ihm bislang unbekannte Welt der Hochfinanz nicht vorgestellt. Dabei will er nur das Beste für sein Dorf. Zwei Millionen Euro könnte Echzell gut gebrauchen. So viel wären allein die Kaufhof-Aktien wert, wenn er sie schon 1996 gehabt hätte. Damals übernahm die Metro den Warenhauskonzern und machte den freien Aktionären ein Kaufangebot, das im Prinzip bis heute gilt.
Doch die Millionen vom Müll sind offenbar nicht umgetauscht worden, sonst wären sie im Besitz der Metro - und ebenso wenig wurden sie ordnungsgemäß entwertet. Deshalb, so der öffentlich bestellte und vereidigte Gutachter für historische Wertpapiere, Hans-Georg Glasemann, seien sie vermutlich noch werthaltig, auch wenn die Kaufhof AG längst im Metro-Reich verschwand. Glasemann: "Ich habe nachträglich schon Aktien von Firmen getauscht, die 1928 übernommen wurden."
Die Metro sieht das anders. Sie schrieb Müller im Mai dieses Jahres, die Aktien seien am 13. März 1996 auf die Metro AG übertragen worden - zunächst, ohne irgendeinen Beweis vorzulegen. Erst am vergangenen Freitag legte der Konzern nach und versicherte Müller per Fax, dass die Aktien ihm gehören und am 1. November 1996 von der Dresdner Bank vernichtet worden seien. Dafür allerdings sehen sie noch ganz frisch aus.
Nun sitzt Müller auf einem neuen Stapel komplizierter Bankpapiere, unter anderem einem "Vernichtungsprotokoll", mit dem die Entwertung der Aktien belegt werden soll. Doch die Nummern seiner eigenen Aktien sind darauf nicht verzeichnet.
Rätsel geben Müller zudem zwei weitere Bankunterlagen auf, in denen die Nummern seiner Aktien zwar teilweise aufgeführt werden - doch zu dem Vernichtungsprotokoll gibt es, außer vielleicht einer Büroklammer, keinerlei Bezug.
Gehören die Aktien aus Echzell also tatsächlich der Metro? "Wenn dem so ist, gebe ich sie sofort raus", sagt Müller. Bis das aber geklärt ist, will der Bürgermeister die Stücke wenigstens zurückhaben.
Die Deutsche Bank hält indes treu zu ihrem Großkunden, der Metro. Die habe das Institut aufgefordert, die "wertlosen Urkunden zu entwerten und an sie herauszugeben", schrieben die Mitarbeiter des Geldgiganten dem Gemeindechef. Und genau das beabsichtigten sie auch zu tun. Nach Ansicht von Experten ist das schlichtweg illegal.
Denn die Bank hat an den Papieren keinerlei eigene Rechte. Jura-Professor Gerhard Wolf von der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) ist sicher: "Würde die Bank die Aktien der Metro und nicht dem Bürgermeister aushändigen, der sie ihr treuhänderisch überlassen hat, wäre das eine Unterschlagung."
Die Bank dagegen hält es für "Usus", wertlose Papiere nicht wieder in Umlauf kommen zu lassen. Außerdem habe die Metro einen Herausgabeanspruch. Nur: Wer soll darüber entscheiden, wem die Papiere gehören und ob sie tatsächlich wertlos sind? Die Bank selbst?
Müller jedenfalls will jetzt die Bankenaufsicht einschalten und gerichtlich gegen das Institut vorgehen. Gleichzeitig versucht er, den Rest seines Millionen-Fundes einzulösen. Darunter sind auch mehrere tausend Anteilscheine der Dresdner Bank.
Allerdings hat er für den Deal inzwischen einen Notar eingeschaltet - und ihm strikte Anweisung gegeben, zu Prüfzwecken bestenfalls eine Aktie im Original vorzulegen.
Eines hat der Bürgermeister schon gelernt: "Die Deutsche Bank werde ich nicht mehr um Hilfe bitten."
WOLFGANG REUTER
Dieter Müller neigt nicht zu großen Emotionsausbrüchen. Als Bürgermeister des kleinen hessischen Fleckens Echzell hat er mit handfester Kommunalpolitik zu tun, vom Kindergarten bis zum Straßenbau, samt fest umrissenem Stadtsäckel ohne große Überraschungen. Doch als er den Packen blaugrüner Wertpapiere in die Hand bekam, wurde ihm "ganz schummrig".
"Global-Aktie über 1000 Aktien zu je 1000 Deutsche Mark, insgesamt eine Million Deutsche Mark" stand da auf einem der Dokumente, die ihm der Leiter des Fundbüros überreichte. Das Papier hatte zusammen mit einem Dutzend weiterer Aktien auf der örtlichen Müllkippe gelegen, wo es ein Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung im Juni vergangenen Jahres fand. Deshalb, so dachte Müller, gehören die Stücke der Gemeinde - allenfalls abzüglich eines Finderlohns.
Der Kommunalpolitiker wandte sich an die Deutsche Bank im nahen Frankfurt. Dort sollten die Profis zunächst eine der Kaufhof-Aktien prüfen - und womöglich ihren Besitzer feststellen. Die Bank forderte die Original-Urkunden, und so fuhr Müller persönlich in die Frankfurter Wolkenkratzer-Schluchten. Aber mittlerweile wollen ihm die Deutschbanker die Papiere nicht mal mehr zurückgeben, was für Müller "schlichtweg eine Frechheit" ist. Entgegen seiner Art, aber ganz nach hessischer Dorfmanier, wird er immer ungemütlicher: "Die letzten Telefonate", sagt er, "waren recht laut."
Ganz so arrogant und verschwiegen hätte sich Müller die ihm bislang unbekannte Welt der Hochfinanz nicht vorgestellt. Dabei will er nur das Beste für sein Dorf. Zwei Millionen Euro könnte Echzell gut gebrauchen. So viel wären allein die Kaufhof-Aktien wert, wenn er sie schon 1996 gehabt hätte. Damals übernahm die Metro den Warenhauskonzern und machte den freien Aktionären ein Kaufangebot, das im Prinzip bis heute gilt.
Doch die Millionen vom Müll sind offenbar nicht umgetauscht worden, sonst wären sie im Besitz der Metro - und ebenso wenig wurden sie ordnungsgemäß entwertet. Deshalb, so der öffentlich bestellte und vereidigte Gutachter für historische Wertpapiere, Hans-Georg Glasemann, seien sie vermutlich noch werthaltig, auch wenn die Kaufhof AG längst im Metro-Reich verschwand. Glasemann: "Ich habe nachträglich schon Aktien von Firmen getauscht, die 1928 übernommen wurden."
Die Metro sieht das anders. Sie schrieb Müller im Mai dieses Jahres, die Aktien seien am 13. März 1996 auf die Metro AG übertragen worden - zunächst, ohne irgendeinen Beweis vorzulegen. Erst am vergangenen Freitag legte der Konzern nach und versicherte Müller per Fax, dass die Aktien ihm gehören und am 1. November 1996 von der Dresdner Bank vernichtet worden seien. Dafür allerdings sehen sie noch ganz frisch aus.
Nun sitzt Müller auf einem neuen Stapel komplizierter Bankpapiere, unter anderem einem "Vernichtungsprotokoll", mit dem die Entwertung der Aktien belegt werden soll. Doch die Nummern seiner eigenen Aktien sind darauf nicht verzeichnet.
Rätsel geben Müller zudem zwei weitere Bankunterlagen auf, in denen die Nummern seiner Aktien zwar teilweise aufgeführt werden - doch zu dem Vernichtungsprotokoll gibt es, außer vielleicht einer Büroklammer, keinerlei Bezug.
Gehören die Aktien aus Echzell also tatsächlich der Metro? "Wenn dem so ist, gebe ich sie sofort raus", sagt Müller. Bis das aber geklärt ist, will der Bürgermeister die Stücke wenigstens zurückhaben.
Die Deutsche Bank hält indes treu zu ihrem Großkunden, der Metro. Die habe das Institut aufgefordert, die "wertlosen Urkunden zu entwerten und an sie herauszugeben", schrieben die Mitarbeiter des Geldgiganten dem Gemeindechef. Und genau das beabsichtigten sie auch zu tun. Nach Ansicht von Experten ist das schlichtweg illegal.
Denn die Bank hat an den Papieren keinerlei eigene Rechte. Jura-Professor Gerhard Wolf von der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) ist sicher: "Würde die Bank die Aktien der Metro und nicht dem Bürgermeister aushändigen, der sie ihr treuhänderisch überlassen hat, wäre das eine Unterschlagung."
Die Bank dagegen hält es für "Usus", wertlose Papiere nicht wieder in Umlauf kommen zu lassen. Außerdem habe die Metro einen Herausgabeanspruch. Nur: Wer soll darüber entscheiden, wem die Papiere gehören und ob sie tatsächlich wertlos sind? Die Bank selbst?
Müller jedenfalls will jetzt die Bankenaufsicht einschalten und gerichtlich gegen das Institut vorgehen. Gleichzeitig versucht er, den Rest seines Millionen-Fundes einzulösen. Darunter sind auch mehrere tausend Anteilscheine der Dresdner Bank.
Allerdings hat er für den Deal inzwischen einen Notar eingeschaltet - und ihm strikte Anweisung gegeben, zu Prüfzwecken bestenfalls eine Aktie im Original vorzulegen.
Eines hat der Bürgermeister schon gelernt: "Die Deutsche Bank werde ich nicht mehr um Hilfe bitten."
WOLFGANG REUTER