„Meine Renditeerwartung in Osteuropa liegt bei 20 Prozent“
04. Dezember 2002 Die EU-Osterweiterung eröffnet Anlegern die Chance, relativ unabhängig von der schwierigen Verfassung der Weltbörsen vorzeigbare Renditen zu erwirtschaften. Zumindest beweisen einige Fondsmanager schon seit Jahren, dass das funktioniert. Zu diesen Experten zählt zweifellos Stefan Böttcher, der für die Investmentgesellschaft Charlemagne Capital den Magna Europa Fund verwaltet. Dieser Fonds hat es in den vergangenen drei Jahren mit ausgewählten Anlagen in Zentraleuropa und Russland auf eine Wertentwicklung per anno von gut 20 Prozent gebracht.
Seinen Erfolg lässt sich Böttcher, der sich bereits seit 1994 in den von ihm betreuten Märkten tummelt, zwar mit einer stattlichen Performance-Gebühr bezahlen. Doch bei der erwähnten Rendite sind diese Kosten schon herausgerechnet. Trotzdem reicht es im Vergleich der Osteuropafonds stets zu einem Platz auf dem Podest. Und das Schöne für die Anleger: Da Böttcher den Konvergenzprozess weiter voll im Gange sieht, hofft er bis auf weiteres ähnlich gute Renditen zu erwirtschaften, wie zuletzt. Wieso er das glaubt, verrät der Fondsmanager, der nicht nur auf die Rendite schielt, sondern auch auf ein vernünftiges Risikoprofil, im nachfolgenden FAZ.NET-Interview.
Herr Böttcher, skizzieren Sie doch bitte kurz die Anlageidee, die hinter der EU-Osterweiterung steckt?
Zunächst sprechen wir dabei mit Russland und Zentraleuropa über zwei eigentlich unterschiedliche Regionen. Allerdings besteht in beiden Fällen ein gewisses Konvergenzpotenzial. Das heißt, es kommt zu fallenden Zinsen und dadurch zu steigenden Aktienkursen. Das Hauptargument in Zentraleuropa ist die EU-Erweiterung, die vermutlich bald keine Idee mehr ist, sondern Tatsache. Dieser Prozess wird zu fallenden Risikoprämien führen und zu steigendem Wirtschaftswachstum. Das wird teilweise durch Subventionen begünstigt, die von West nach Ost fließen. So werden sich die Bruttosubventionen schon zwei Jahre nach dem EU-Beitritt auf fünf Prozent des Bruttosozialprodukts belaufen, während es derzeit nur rund zwei Prozent sind. Das führt natürlich zu einem ungemeinen Schub, zumal auch noch weitere Direktinvestitionen dazukommen werden.
Besteht eigentlich die Gefahr, dass die Anleger schon zu stark in der Region investiert sind?
Von einer Überinvestition kann man bestimmt nicht reden. Die Märkte sind fundamental noch recht vernünftig bewertet. Wir befinden uns noch nicht in einer spekulativen Blase. Zu einem Überinvestment wird es in absoluten Zahlen auch nicht kommen, da die Märkte einfach zu klein sind. Die Marktkapitalisierung von Russland liegt bei knapp 100 Milliarden Dollar und in Zentraleuropa bei rund 30 bis 40 Milliarden Dollar. Das ist nicht mehr als manche große westliche Standardwerte alleine in die Waagschale werfen.
Welche Märkte favorisieren Sie in Zentraleuropa derzeit?
Wir sind in Zentraleuropa gut gewichtet in Ungarn und etwas weniger gewichtet in Polen. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir in Ungarn mehr interessante Unternehmen finden als in Polen. Makroökonomisch betrachtet ist die Entwicklung aber ähnlich.
Welche Branchen gefallen Ihnen am besten?
In Zentraleuropa setzen wir auf Banken und Telekommunikationsaktien. Die Bankaktien dürften von den fallenden Zinsen und einer damit verbundenen steigenden Kreditvergabe profitieren. Und im Telekomsektor überzeugen uns die soliden Bilanzen sowie hohe freie Cashflows von vier bis zwölf Prozent in Ungarn und von 15 Prozent in Tschechien. So produzieren die Cesky Telecom und die Matav so viel Cash, dass dies den Aktionären in Form recht hoher Dividendenausschüttungen zu Gute kommen wird.
Ist bei der Cesky Telecom der jüngst gescheiterte Übernahmeversuch eines von einer Deutschen Bank-Tochter geführten Konsortiums kein Rückschlag?
Im Gegenteil. Die Vorgehensweise war etwas dubios und für Minderheitsaktionäre wäre dies sicherlich von Nachteil gewesen. So ist der Markt über das Scheitern letztlich sogar erleichtert. Wir selbst sind derzeit am Kaufen. Die Aktie ist in wenigen Tagen auch von 200 auf 290 Kronen gestiegen und vielleicht besteht sogar noch Luft bis auf knapp 400 Kronen.
Woran knüpfen Sie die Hoffnung auf steigende Bankaktien?
Dazu bietet sich der Blick auf die Kreditvergabe im jeweiligen Land im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt an. Da liegen wir noch bei unter 40 Prozent. Im mediterranen Bereich, etwa Griechenland und Portugal, sind wir inzwischen bei 80 Prozent und in Westeuropa bei rund 100 Prozent. Entwickelt sich Zentraleuropa wie die mediterranen Länder, dann können sich die Bilanzen der Banken noch verdoppeln.
Wie stufen Sie allgemein die Bewertungen ein?
Die Bewertung ist nach wie vor günstig. Allerdings nicht so, dass wir eine Verdoppelung der Kurse erwarten könnten. Das wäre nur dann nicht auszuschließen, wenn wir weltweit eine bessere Börsentendenz sehen. Bei den Titeln, in denen wir investiert sind, sehen wir typischerweise ein Kurspotenzial von 20 bis 25 Prozent auf Sicht von einem Jahr. Das ist auch meine Renditeerwartung, die ich an ein gut gemischtes zentraleuropäisches Portfolio habe. Diese Größenordnung scheint zumindest im nächsten Jahr noch einmal machbar zu sein, wenn es gut läuft. Danach kann man dann bei gesunkenen Zinsen diese Größenordnung nicht mehr unbedingt erwarten.
Wie zu hören ist, stoßen Sie bei Ihren Recherchen immer wieder auf überraschende Kurschancen. Was ist darunter genau zu verstehen?
Die Märkte sind erstaunlicherweise nach wie vor noch immer sehr ineffizient. Daraus kann man sehr gut Kapital schlagen. So haben wir jetzt wieder einen Weg gefunden, über Anleihen, die dann umgewandelt werden, in das polnische Telekomunternehmen Netia zu investieren. Da sind wir vor den inländischen Pensionsfonds mit einem 30-prozentigen Abschlag zum Zuge gekommen. Da lassen sich dann mit einem allerdings etwas höheren Risiko in zwei bis drei Monaten Renditen von 30 bis 50 Prozent erzielen. Spezialisierte Fonds können dadurch insgesamt schon auf 20 Prozent Rendite jährlich kommen, nicht aber unbedingt die Gesamtmärkte. Irgendwann werden die Ineffizienzen vielleicht auch ganz verschwinden, aber noch ist es nicht soweit. Es finden sich immer wieder Möglichkeiten. Vielleicht auch, weil die große Privatisierungswelle vorbei ist und die großen Broker-Häuser diese Märkte wieder aufgegeben haben und die Transparenz in den vergangenen ein bis zwei Jahren sogar noch gesunken ist.
Was halten Sie vom russischen Markt?
Russland ist sogar der interessantere Markt. Die Wirtschaft wächst stärker und die fundamentalen Daten wie das Leistungsbilanz- und der Haushaltsüberschuss sehen attraktiver aus. Auch das Zinssenkungspotenzial ist noch größer. Die Bondmärkte werden voraussichtlich auch weiterhin gut laufen und damit auch die Aktienmärkte, zumal der Staat Privatisierungsaktionen wie die jetzige Platzierung eines Lukoil-Pakets zum Abbau von Schulden nutzen wird. Die Aktien sind nach wie vor deutlich unterbewertet. So weist der Öl- und Gassektor einen Abschlag von 60 Prozent zu den internationalen Ölaktien auf. Dieser Abschlag sollte sich auf Sicht von zwölf bis 18 Monaten auf 30 Prozent einspielen.
Auf welche Titel setzen Sie in Russland?
Lukoil ist wegen der Umstrukturierungsfantasie mit einer Gewichtung von neun Prozent derzeit unsere größte Position im Fonds. Überdenken würden wir unsere volkswirtschaftlich betrachtet positive Grundhaltung zu Russland mit Blick auf den Ölpreis erst bei einem Rückfall auf 15 Dollar je Barrel. Die Bestände an Ölaktien würden wir vermutlich bei Ölpreisen zwischen 15 und 18 Dollar je Barrel zu Gunsten anderer Sektoren abbauen. Übergewichtet sind wir im Telekombereich, wo wir auf die Mobilfunkgesellschaften Vimpelcom und MTS setzen, die beide günstige Wachstumsaussichten und trotzdem vergleichsweise niedrige Bewertungen haben. Wegen der fallenden Zinsen gefällt uns auch die russische Sparkasse Sberbank, die auf einen Marktanteil von 80 Prozent kommt.
Das Gespräch führte Jürgen Büttner
Text: @jüb
Bildmaterial: Charlemagne Capital
04. Dezember 2002 Die EU-Osterweiterung eröffnet Anlegern die Chance, relativ unabhängig von der schwierigen Verfassung der Weltbörsen vorzeigbare Renditen zu erwirtschaften. Zumindest beweisen einige Fondsmanager schon seit Jahren, dass das funktioniert. Zu diesen Experten zählt zweifellos Stefan Böttcher, der für die Investmentgesellschaft Charlemagne Capital den Magna Europa Fund verwaltet. Dieser Fonds hat es in den vergangenen drei Jahren mit ausgewählten Anlagen in Zentraleuropa und Russland auf eine Wertentwicklung per anno von gut 20 Prozent gebracht.
Seinen Erfolg lässt sich Böttcher, der sich bereits seit 1994 in den von ihm betreuten Märkten tummelt, zwar mit einer stattlichen Performance-Gebühr bezahlen. Doch bei der erwähnten Rendite sind diese Kosten schon herausgerechnet. Trotzdem reicht es im Vergleich der Osteuropafonds stets zu einem Platz auf dem Podest. Und das Schöne für die Anleger: Da Böttcher den Konvergenzprozess weiter voll im Gange sieht, hofft er bis auf weiteres ähnlich gute Renditen zu erwirtschaften, wie zuletzt. Wieso er das glaubt, verrät der Fondsmanager, der nicht nur auf die Rendite schielt, sondern auch auf ein vernünftiges Risikoprofil, im nachfolgenden FAZ.NET-Interview.
Herr Böttcher, skizzieren Sie doch bitte kurz die Anlageidee, die hinter der EU-Osterweiterung steckt?
Zunächst sprechen wir dabei mit Russland und Zentraleuropa über zwei eigentlich unterschiedliche Regionen. Allerdings besteht in beiden Fällen ein gewisses Konvergenzpotenzial. Das heißt, es kommt zu fallenden Zinsen und dadurch zu steigenden Aktienkursen. Das Hauptargument in Zentraleuropa ist die EU-Erweiterung, die vermutlich bald keine Idee mehr ist, sondern Tatsache. Dieser Prozess wird zu fallenden Risikoprämien führen und zu steigendem Wirtschaftswachstum. Das wird teilweise durch Subventionen begünstigt, die von West nach Ost fließen. So werden sich die Bruttosubventionen schon zwei Jahre nach dem EU-Beitritt auf fünf Prozent des Bruttosozialprodukts belaufen, während es derzeit nur rund zwei Prozent sind. Das führt natürlich zu einem ungemeinen Schub, zumal auch noch weitere Direktinvestitionen dazukommen werden.
Besteht eigentlich die Gefahr, dass die Anleger schon zu stark in der Region investiert sind?
Von einer Überinvestition kann man bestimmt nicht reden. Die Märkte sind fundamental noch recht vernünftig bewertet. Wir befinden uns noch nicht in einer spekulativen Blase. Zu einem Überinvestment wird es in absoluten Zahlen auch nicht kommen, da die Märkte einfach zu klein sind. Die Marktkapitalisierung von Russland liegt bei knapp 100 Milliarden Dollar und in Zentraleuropa bei rund 30 bis 40 Milliarden Dollar. Das ist nicht mehr als manche große westliche Standardwerte alleine in die Waagschale werfen.
Welche Märkte favorisieren Sie in Zentraleuropa derzeit?
Wir sind in Zentraleuropa gut gewichtet in Ungarn und etwas weniger gewichtet in Polen. Das hat aber vor allem damit zu tun, dass wir in Ungarn mehr interessante Unternehmen finden als in Polen. Makroökonomisch betrachtet ist die Entwicklung aber ähnlich.
Welche Branchen gefallen Ihnen am besten?
In Zentraleuropa setzen wir auf Banken und Telekommunikationsaktien. Die Bankaktien dürften von den fallenden Zinsen und einer damit verbundenen steigenden Kreditvergabe profitieren. Und im Telekomsektor überzeugen uns die soliden Bilanzen sowie hohe freie Cashflows von vier bis zwölf Prozent in Ungarn und von 15 Prozent in Tschechien. So produzieren die Cesky Telecom und die Matav so viel Cash, dass dies den Aktionären in Form recht hoher Dividendenausschüttungen zu Gute kommen wird.
Ist bei der Cesky Telecom der jüngst gescheiterte Übernahmeversuch eines von einer Deutschen Bank-Tochter geführten Konsortiums kein Rückschlag?
Im Gegenteil. Die Vorgehensweise war etwas dubios und für Minderheitsaktionäre wäre dies sicherlich von Nachteil gewesen. So ist der Markt über das Scheitern letztlich sogar erleichtert. Wir selbst sind derzeit am Kaufen. Die Aktie ist in wenigen Tagen auch von 200 auf 290 Kronen gestiegen und vielleicht besteht sogar noch Luft bis auf knapp 400 Kronen.
Woran knüpfen Sie die Hoffnung auf steigende Bankaktien?
Dazu bietet sich der Blick auf die Kreditvergabe im jeweiligen Land im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt an. Da liegen wir noch bei unter 40 Prozent. Im mediterranen Bereich, etwa Griechenland und Portugal, sind wir inzwischen bei 80 Prozent und in Westeuropa bei rund 100 Prozent. Entwickelt sich Zentraleuropa wie die mediterranen Länder, dann können sich die Bilanzen der Banken noch verdoppeln.
Wie stufen Sie allgemein die Bewertungen ein?
Die Bewertung ist nach wie vor günstig. Allerdings nicht so, dass wir eine Verdoppelung der Kurse erwarten könnten. Das wäre nur dann nicht auszuschließen, wenn wir weltweit eine bessere Börsentendenz sehen. Bei den Titeln, in denen wir investiert sind, sehen wir typischerweise ein Kurspotenzial von 20 bis 25 Prozent auf Sicht von einem Jahr. Das ist auch meine Renditeerwartung, die ich an ein gut gemischtes zentraleuropäisches Portfolio habe. Diese Größenordnung scheint zumindest im nächsten Jahr noch einmal machbar zu sein, wenn es gut läuft. Danach kann man dann bei gesunkenen Zinsen diese Größenordnung nicht mehr unbedingt erwarten.
Wie zu hören ist, stoßen Sie bei Ihren Recherchen immer wieder auf überraschende Kurschancen. Was ist darunter genau zu verstehen?
Die Märkte sind erstaunlicherweise nach wie vor noch immer sehr ineffizient. Daraus kann man sehr gut Kapital schlagen. So haben wir jetzt wieder einen Weg gefunden, über Anleihen, die dann umgewandelt werden, in das polnische Telekomunternehmen Netia zu investieren. Da sind wir vor den inländischen Pensionsfonds mit einem 30-prozentigen Abschlag zum Zuge gekommen. Da lassen sich dann mit einem allerdings etwas höheren Risiko in zwei bis drei Monaten Renditen von 30 bis 50 Prozent erzielen. Spezialisierte Fonds können dadurch insgesamt schon auf 20 Prozent Rendite jährlich kommen, nicht aber unbedingt die Gesamtmärkte. Irgendwann werden die Ineffizienzen vielleicht auch ganz verschwinden, aber noch ist es nicht soweit. Es finden sich immer wieder Möglichkeiten. Vielleicht auch, weil die große Privatisierungswelle vorbei ist und die großen Broker-Häuser diese Märkte wieder aufgegeben haben und die Transparenz in den vergangenen ein bis zwei Jahren sogar noch gesunken ist.
Was halten Sie vom russischen Markt?
Russland ist sogar der interessantere Markt. Die Wirtschaft wächst stärker und die fundamentalen Daten wie das Leistungsbilanz- und der Haushaltsüberschuss sehen attraktiver aus. Auch das Zinssenkungspotenzial ist noch größer. Die Bondmärkte werden voraussichtlich auch weiterhin gut laufen und damit auch die Aktienmärkte, zumal der Staat Privatisierungsaktionen wie die jetzige Platzierung eines Lukoil-Pakets zum Abbau von Schulden nutzen wird. Die Aktien sind nach wie vor deutlich unterbewertet. So weist der Öl- und Gassektor einen Abschlag von 60 Prozent zu den internationalen Ölaktien auf. Dieser Abschlag sollte sich auf Sicht von zwölf bis 18 Monaten auf 30 Prozent einspielen.
Auf welche Titel setzen Sie in Russland?
Lukoil ist wegen der Umstrukturierungsfantasie mit einer Gewichtung von neun Prozent derzeit unsere größte Position im Fonds. Überdenken würden wir unsere volkswirtschaftlich betrachtet positive Grundhaltung zu Russland mit Blick auf den Ölpreis erst bei einem Rückfall auf 15 Dollar je Barrel. Die Bestände an Ölaktien würden wir vermutlich bei Ölpreisen zwischen 15 und 18 Dollar je Barrel zu Gunsten anderer Sektoren abbauen. Übergewichtet sind wir im Telekombereich, wo wir auf die Mobilfunkgesellschaften Vimpelcom und MTS setzen, die beide günstige Wachstumsaussichten und trotzdem vergleichsweise niedrige Bewertungen haben. Wegen der fallenden Zinsen gefällt uns auch die russische Sparkasse Sberbank, die auf einen Marktanteil von 80 Prozent kommt.
Das Gespräch führte Jürgen Büttner
Text: @jüb
Bildmaterial: Charlemagne Capital