Aktienwerte dürften es im laufenden Jahr 2006 schwerer haben
Marktausblick Europa
Die Wirtschaft ist mit einer gehörigen Portion Konjunkturoptimismus in das neue Jahr 2006 gestartet. Investitionen wirken weiter als Triebfeder für das Wachstum.
Gleichwohl scheint die Hoffnung auf ein deutliches Anziehen des privaten Konsums verfrüht. Die Mehrzahl der positiven Nachrichten kommt weiter aus Deutschland; hier erreicht der IFO-Geschäftsklimaindex zyklische Höchststände. Im März stieg die Arbeitslosenquote in Europas größter Volkswirtschaft jedoch erneut an und widerlegte damit die Prognosen über einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Offenbar fehlen die durchgreifenden Reformen, die nötig sind, um wieder für Schwung am Arbeitsmarkt zu sorgen. Was bedeuten diese gemischten Konjunkturdaten nun für die künftige Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten?
Trotz gewisser Schwankungen, die unlängst zu beobachten waren, überraschten die wichtigsten europäischen Aktienindizes in den letzten Monaten mit einer stabilen Entwicklung. So sind die Aktienkurse auf breiter Basis gestiegen. Verantwortlich hierfür waren die starken Gewinne der Unternehmen, die positiven Konjunkturerwartungen und die anrollende Fusionswelle. Unter den vielen M&A-Ankündigungen stach vor allem das Übernahmeangebot der deutschen E.ON AG für den spanischen Energieversorger Endesa hervor. Vom Fusionsfieber betroffen sind in erster Linie Versorger, Finanzdienstleister und Industrieunternehmen, und am Markt wird mit noch mehr Zusammenschlüssen gerechnet. Der hohe Cash-Flow, den die Unternehmen in den letzten Jahren erwirtschaftet haben, könnte sowohl der Eigenkapitalrendite (RoE) als auch den Aktienkursen zugute kommen. Die Anleger haben in letzter Zeit jedenfalls beide Seiten belohnt, d.h. Käufer und auch Übernahmeziele.
Die anhaltende Aktienbaisse in den Jahren 2000 bis 2003 hat Europas Unternehmensvorstände wachgerüttelt. Seitdem werden Umstrukturierungen im großen Stil durchgeführt und die Bilanzen saniert. Unter der rückläufigen Konjunktur litten vor allem Unternehmen mit einem hohen Fremdkapitalanteil. Ihren Schuldenberg verringerten sie über den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Sparten sowie durch Aktienemissionen. Deutsche Firmen haben überdies einige Strukturreformen in Angriff genommen. Auch gegenüber den Gewerkschaften konnten sie Boden gutmachen, indem sie mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins europäische Ausland drohten – ein wahrhaft wirksames Verhandlungsargument. Arbeitsmarkt und privater Konsum bleiben jedoch die Achillesferse der deutschen Wirtschaft. In Frankreich und sogar in Italien gibt es Signale für eine Belebung in der Industrie. In Spanien wächst die Wirtschaft weiter stabil. Allerdings sind die Unternehmen in der Regel hoch verschuldet und dürften deshalb anfällig für Zinserhöhungen sein.
Die EZB hat angedeutet, die Geldpolitik rasch in neutrales Terrain zurückzuführen, und verweist dabei auf das stabilere Wachstumsszenario und die Teuerungsrate, die weiter über dem Inflationsziel von 2% liegt. Wir halten die Konjunktur für stark genug, um das Auslaufen der Niedrigzinsphase schadlos zu überstehen (Anfang März erhöhte die EZB die Leitzinsen auf 2,5%). Gleichzeitig rechnen wir mit steigenden Zinserwartungen. Wahrscheinlich wird sich die EZB jedoch für einen kurzfristigen Straffungsprozess entscheiden und nicht dem Beispiel der Fed folgen, die einen nachhaltigen Ansatz vorzieht. Im Ergebnis könnte dies eine Anhebung der kurzfristigen Zinsen auf 3-3,5% bedeuten. Daran dürfte sich auch dann nichts ändern, wenn die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2006 voraussichtlich unter das Inflationsziel fällt, da der Effekt der höheren Rohölpreise aus dem letzten Jahr herausgerechnet wird.
Die Aktienbewertungen sind nach den Kurssprüngen der letzten Monate gestiegen. Gleichwohl gibt es vor allem in den wachstumsstarken Marktsegmenten noch genügend Anlagechancen. Bei höheren realen Zinsen gewinnt die Entwicklung der Gewinne oder des Cash-Flows der Unternehmen an Bedeutung, da für die Anleger aufgrund der höheren Besteuerung dieses Cash-Flows ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden muss. Insofern könnte es sich lohnen, in europäische Wachstumswerte umzuschichten, und hier vor allem in Aktien mit großer Marktkapitalisierung (Large Caps). Schließlich schneiden die Titel erstklassiger Unternehmen meistens deutlich besser ab als zyklische Werte, da erstere auch dann noch stabile Renditen erzielen, wenn der Konjunkturzyklus in eine späte Phase eintritt und sich das Gewinnwachstum abschwächt. Wir halten an unserem positiven Ausblick für die aufstrebenden Volkswirtschaften in Europa fest: Die Konvergenzbemühungen mit Westeuropa sowie die hohen Energie- und Rohstoffpreise sorgen weiter für viel versprechende Anlagechancen. Angesichts des vorhandenen Aufwärtspotenzials bei den Gewinnen dürfte im Jahr 2006 ein KGV-Vielfaches von 12 attraktiv sein.
Mit Blick auf den Anleihemarkt müssen präventive Zinserhöhungen durch die EZB nicht unbedingt schlecht für das lange Ende sein. Dass Langläufer strukturell gesehen Wertpotenzial beinhalten, hat nämlich weniger mit den Zinserwartungen zu tun, sondern vielmehr mit der strukturellen Nachfrage seitens der Versicherer und dem Aktiv-/Passivmanagement der Pensionsfonds. Diese Kapitalflüsse werden teilweise von der Gesetzgebung ausgelöst und sind deshalb nicht allzu abhängig vom kurzfristigen EZB-Ausblick. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit jedenfalls lassen vermuten, dass sich weitere Zinserhöhungen der EZB deutlich negativer auf das kurze Ende der Renditekurve (zwischen zwei und fünf Jahren Laufzeit) auswirken werden. Unsere europäischen Portfolios sind deshalb mit Blick auf eine Kurvenabflachung ausgerichtet, wobei Langläufer im Vergleich zur restlichen Kurve und gegenüber längerfristigen Anleihen an anderen Märkten übergewichtet sind. Wir konzentrieren uns weiter auf neue Chancen in den europäischen Emerging Markets, darunter auch in der Slowakei und in Ungarn.
Nach den herausragenden Renditen im Jahr 2005 dürften es europäische Aktienwerte im laufenden Jahr 2006 insgesamt schwerer haben. Obwohl sich das Gewinnwachstum in 2005 sehen lassen konnte, wurde es durch die Zuwächse am Markt noch übertroffen. Wir stufen den Markt zwar nicht als teuer ein, doch der Rückenwind durch günstige Bewertungen, von denen der Markt noch bis zum vergangenen Jahr profitierte, hat sich mittlerweile erheblich abgeschwächt. Echte Chancen dürften eher aktienspezifischer Natur sein und sich nicht auf die Lage am Gesamtmarkt beziehen. Außerdem rechnen wir mit rückläufigen Renditen. Viel hängt deshalb davon ab, wie weit die EZB die Zinsen von aktuell 2,5% noch anheben wird. Sollten die Zinsen stärker steigen als vom Markt erwartet und der Euro deshalb an Wert gewinnen, dürften europäische Aktien in diesem Jahr keinen leichten Stand haben und kaum Fortschritte machen. Der anhaltende Höhenflug des Ölpreises sowie die Verschärfung der Lage an diversen geopolitischen Krisenherden (Irak, Iran, Nordkorea und die Angst vor der Vogelgrippe) rücken das Tempo des globalen Wirtschaftswachstums in den Blickpunkt. Enttäuschende Konjunkturdaten aus den USA oder Asien könnten der Weltwirtschaft weiterhin großen Schaden zufügen.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 10. April 2006, 00:27 Uhr
Euch,
Einsamer Samariter
Marktausblick Europa
Die Wirtschaft ist mit einer gehörigen Portion Konjunkturoptimismus in das neue Jahr 2006 gestartet. Investitionen wirken weiter als Triebfeder für das Wachstum.
Gleichwohl scheint die Hoffnung auf ein deutliches Anziehen des privaten Konsums verfrüht. Die Mehrzahl der positiven Nachrichten kommt weiter aus Deutschland; hier erreicht der IFO-Geschäftsklimaindex zyklische Höchststände. Im März stieg die Arbeitslosenquote in Europas größter Volkswirtschaft jedoch erneut an und widerlegte damit die Prognosen über einen Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Offenbar fehlen die durchgreifenden Reformen, die nötig sind, um wieder für Schwung am Arbeitsmarkt zu sorgen. Was bedeuten diese gemischten Konjunkturdaten nun für die künftige Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten?
Trotz gewisser Schwankungen, die unlängst zu beobachten waren, überraschten die wichtigsten europäischen Aktienindizes in den letzten Monaten mit einer stabilen Entwicklung. So sind die Aktienkurse auf breiter Basis gestiegen. Verantwortlich hierfür waren die starken Gewinne der Unternehmen, die positiven Konjunkturerwartungen und die anrollende Fusionswelle. Unter den vielen M&A-Ankündigungen stach vor allem das Übernahmeangebot der deutschen E.ON AG für den spanischen Energieversorger Endesa hervor. Vom Fusionsfieber betroffen sind in erster Linie Versorger, Finanzdienstleister und Industrieunternehmen, und am Markt wird mit noch mehr Zusammenschlüssen gerechnet. Der hohe Cash-Flow, den die Unternehmen in den letzten Jahren erwirtschaftet haben, könnte sowohl der Eigenkapitalrendite (RoE) als auch den Aktienkursen zugute kommen. Die Anleger haben in letzter Zeit jedenfalls beide Seiten belohnt, d.h. Käufer und auch Übernahmeziele.
Die anhaltende Aktienbaisse in den Jahren 2000 bis 2003 hat Europas Unternehmensvorstände wachgerüttelt. Seitdem werden Umstrukturierungen im großen Stil durchgeführt und die Bilanzen saniert. Unter der rückläufigen Konjunktur litten vor allem Unternehmen mit einem hohen Fremdkapitalanteil. Ihren Schuldenberg verringerten sie über den Verkauf von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Sparten sowie durch Aktienemissionen. Deutsche Firmen haben überdies einige Strukturreformen in Angriff genommen. Auch gegenüber den Gewerkschaften konnten sie Boden gutmachen, indem sie mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins europäische Ausland drohten – ein wahrhaft wirksames Verhandlungsargument. Arbeitsmarkt und privater Konsum bleiben jedoch die Achillesferse der deutschen Wirtschaft. In Frankreich und sogar in Italien gibt es Signale für eine Belebung in der Industrie. In Spanien wächst die Wirtschaft weiter stabil. Allerdings sind die Unternehmen in der Regel hoch verschuldet und dürften deshalb anfällig für Zinserhöhungen sein.
Die EZB hat angedeutet, die Geldpolitik rasch in neutrales Terrain zurückzuführen, und verweist dabei auf das stabilere Wachstumsszenario und die Teuerungsrate, die weiter über dem Inflationsziel von 2% liegt. Wir halten die Konjunktur für stark genug, um das Auslaufen der Niedrigzinsphase schadlos zu überstehen (Anfang März erhöhte die EZB die Leitzinsen auf 2,5%). Gleichzeitig rechnen wir mit steigenden Zinserwartungen. Wahrscheinlich wird sich die EZB jedoch für einen kurzfristigen Straffungsprozess entscheiden und nicht dem Beispiel der Fed folgen, die einen nachhaltigen Ansatz vorzieht. Im Ergebnis könnte dies eine Anhebung der kurzfristigen Zinsen auf 3-3,5% bedeuten. Daran dürfte sich auch dann nichts ändern, wenn die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2006 voraussichtlich unter das Inflationsziel fällt, da der Effekt der höheren Rohölpreise aus dem letzten Jahr herausgerechnet wird.
Die Aktienbewertungen sind nach den Kurssprüngen der letzten Monate gestiegen. Gleichwohl gibt es vor allem in den wachstumsstarken Marktsegmenten noch genügend Anlagechancen. Bei höheren realen Zinsen gewinnt die Entwicklung der Gewinne oder des Cash-Flows der Unternehmen an Bedeutung, da für die Anleger aufgrund der höheren Besteuerung dieses Cash-Flows ein entsprechender Ausgleich geschaffen werden muss. Insofern könnte es sich lohnen, in europäische Wachstumswerte umzuschichten, und hier vor allem in Aktien mit großer Marktkapitalisierung (Large Caps). Schließlich schneiden die Titel erstklassiger Unternehmen meistens deutlich besser ab als zyklische Werte, da erstere auch dann noch stabile Renditen erzielen, wenn der Konjunkturzyklus in eine späte Phase eintritt und sich das Gewinnwachstum abschwächt. Wir halten an unserem positiven Ausblick für die aufstrebenden Volkswirtschaften in Europa fest: Die Konvergenzbemühungen mit Westeuropa sowie die hohen Energie- und Rohstoffpreise sorgen weiter für viel versprechende Anlagechancen. Angesichts des vorhandenen Aufwärtspotenzials bei den Gewinnen dürfte im Jahr 2006 ein KGV-Vielfaches von 12 attraktiv sein.
Mit Blick auf den Anleihemarkt müssen präventive Zinserhöhungen durch die EZB nicht unbedingt schlecht für das lange Ende sein. Dass Langläufer strukturell gesehen Wertpotenzial beinhalten, hat nämlich weniger mit den Zinserwartungen zu tun, sondern vielmehr mit der strukturellen Nachfrage seitens der Versicherer und dem Aktiv-/Passivmanagement der Pensionsfonds. Diese Kapitalflüsse werden teilweise von der Gesetzgebung ausgelöst und sind deshalb nicht allzu abhängig vom kurzfristigen EZB-Ausblick. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit jedenfalls lassen vermuten, dass sich weitere Zinserhöhungen der EZB deutlich negativer auf das kurze Ende der Renditekurve (zwischen zwei und fünf Jahren Laufzeit) auswirken werden. Unsere europäischen Portfolios sind deshalb mit Blick auf eine Kurvenabflachung ausgerichtet, wobei Langläufer im Vergleich zur restlichen Kurve und gegenüber längerfristigen Anleihen an anderen Märkten übergewichtet sind. Wir konzentrieren uns weiter auf neue Chancen in den europäischen Emerging Markets, darunter auch in der Slowakei und in Ungarn.
Nach den herausragenden Renditen im Jahr 2005 dürften es europäische Aktienwerte im laufenden Jahr 2006 insgesamt schwerer haben. Obwohl sich das Gewinnwachstum in 2005 sehen lassen konnte, wurde es durch die Zuwächse am Markt noch übertroffen. Wir stufen den Markt zwar nicht als teuer ein, doch der Rückenwind durch günstige Bewertungen, von denen der Markt noch bis zum vergangenen Jahr profitierte, hat sich mittlerweile erheblich abgeschwächt. Echte Chancen dürften eher aktienspezifischer Natur sein und sich nicht auf die Lage am Gesamtmarkt beziehen. Außerdem rechnen wir mit rückläufigen Renditen. Viel hängt deshalb davon ab, wie weit die EZB die Zinsen von aktuell 2,5% noch anheben wird. Sollten die Zinsen stärker steigen als vom Markt erwartet und der Euro deshalb an Wert gewinnen, dürften europäische Aktien in diesem Jahr keinen leichten Stand haben und kaum Fortschritte machen. Der anhaltende Höhenflug des Ölpreises sowie die Verschärfung der Lage an diversen geopolitischen Krisenherden (Irak, Iran, Nordkorea und die Angst vor der Vogelgrippe) rücken das Tempo des globalen Wirtschaftswachstums in den Blickpunkt. Enttäuschende Konjunkturdaten aus den USA oder Asien könnten der Weltwirtschaft weiterhin großen Schaden zufügen.
Quelle: HANDELSBLATT, Montag, 10. April 2006, 00:27 Uhr
Euch,
Einsamer Samariter