Können Sozis mit Geld umgehen?

Beiträge: 14
Zugriffe: 760 / Heute: 1
Antichrist:

Können Sozis mit Geld umgehen?

 
19.09.02 00:03
Die Bürger spüren keine Entlastung, der Mittelstand fühlt sich betrogen. Pech für Hans Eichel: Der Finanzminister schafft den Spagat zwischen Sparen und Steuernsenken - und keiner merkt es


Lothar Späth ist ein Fuchs. Er weiß, wie man im Wahlkampf Stimmung macht. Die Bundesregierung lasse Handwerksmeistern oder Einzelhändlern "nach Steuern noch nicht einmal 60 Prozent reines Einkommen", empört sich der Christdemokrat, während sie "die Konzerne mit Veränderungen bei der Körperschaftsteuer zwei Jahre lang von Steuern faktisch freigestellt" habe.

Der Kompetenzteam-Kandidat für das Superministerium Arbeit und Wirtschaft, nebenbei langjähriger Lenker des Jenoptik-Konzerns, müsste es besser wissen. Die Bundesregierung ist nicht die willfährige Vollstreckerin des Großkapitals, zu der sie die Union stempeln will. In seiner Steuerreform war Finanzminister Hans Eichel nicht besonders freigebig. Vielmehr haben die Finanzchefs großer Aktiengesellschaften - von Telekom über RWE bis zu Dresdner Bank - und auch Geschäftsführer zahlloser kleinerer GmbHs den Fiskus geschröpft, indem sie seit langem geltende Regelungen in bisher nicht gekanntem und auch unerwartetem Ausmaß ausgereizt haben.

Mit den Attacken gegen die rot-grüne Steuerreform beweist das Team Stoiber, Späth & Co. nicht Kompetenz, sondern Gespür für des Wählers Unwillen. Die Reform, das vielleicht wichtigste rot-grüne Projekt bisher, ist weithin ungeliebt. Lobbyisten des Mittelstandes protestieren gegen eine Benachteiligung. Gewerkschafter beschweren sich, dass die Arbeitnehmer zu kurz kämen. In Umfragen geben die meisten Bürger zu Protokoll, persönlich nichts von einer Entlastung zu spüren. Und dann verschiebt die Bundesregierung wegen der Hochwasserhilfen die nächste Steuersenkung um ein Jahr.

Zu allem Überdruss verhagelt noch die schwache Konjunktur das Glanzstück in der Finanzpolitik: die Sanierung des Bundeshaushalts. Bisher konnte Eichel Jahr für Jahr den im Finanzplan anvisierten Abbau der Neuverschuldung punktgenau einhalten - gegen alle Unkenrufer im Parlament. Doch weil die Wirtschaft schwächelt, fließen in diesem Jahr die Steuereinnahmen spärlicher als kalkuliert.

Die Finanzpolitik, hatte Hans Eichel in einer Grundsatzrede in der Humboldt-Universität im November 2000 erklärt, müsse sich zwischen zwei "Leitplanken" bewegen: Sparen und Abgabensenken. Und jetzt? Waren die vier Jahre bloß ein fehlgeschlagener Versuch? Hat Eichel im rauen politischen Alltag doch nur bewiesen, dass Sozis nicht mit Geld umgehen können - zumindest nicht besser als die christdemokratischen Vorgänger? Tatsächlich entlastet die rot-grüne Steuerreform die Volkswirtschaft auf lange Sicht. Und ohne Eichels hartnäckiges Sparen hättte sein Chef Gerhard Schröder schon im Frühjahr mit noch so starkem Druck auf Brüssel den blauen Brief nicht verhindern können.

Bürger und Betriebe werden nach In-Kraft-Treten der letzten Stufe 2005 zusammen fast 57 Milliarden Euro weniger Steuern im Jahr zu zahlen haben als ohne die Reform. Der jährliche Grundfreibetrag, der dafür sorgt, dass das Existenzminimum steuerfrei bleibt, steigt von 6322 Euro im Jahr 1998 stufenweise auf 7664 Euro. Die Einkommensteuer sinkt für Arm und Reich nahezu im Gleichlauf um etwa 11 Prozentpunkte auf historisch niedrige Sätze: der Eingangsteuersatz auf 15,0 Prozent und der Spitzensteuersatz auf 42,0 Prozent.

Heute schon liegen die Sätze niedriger als in den achtziger und neunziger Jahren. Skeptiker können sich durch einen Blick auf die Lohn- und Gehaltsabrechnungen überzeugen: Einem ledigen, kinderlosen Arbeitnehmer mit einem Bruttojahreseinkommen von 23 000 Euro werden heute über 680 Euro weniger Steuern im Jahr abgezogen als 1998. Bei einem Verheirateten mit zwei Kindern und einem Bruttogehalt von 30 000 Euro sind es rund 1500 Euro.

Bloß - auf der Gehaltsabrechnung verblasst die Entlastung, weil die Sozialabgaben so hoch sind. Außerdem mussten Autofahrer wegen der Ökosteuer, Raucher wegen der Tabaksteuererhöhungen und alle Haushalte mit Versicherungsverträgen wegen der höheren Versicherungssteuer einen Teil der Ersparnis gleich wieder beim Staat abliefern. Aber wird die Last jetzt wenigstens gerechter verteilt - zwischen Bürgern und Unternehmen einerseits zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften andererseits?

Die Kritiker bilden in dieser Frage eine Koalition mit merkwürdigen Widersprüchen. "Es ist ein Skandal, dass die Steuerlast hauptsächlich von Arbeitnehmern getragen wird", rügt Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber. Vor Monaten hatte er geklagt: "Der Mittelstand stöhnt unter der Steuerlast und ist benachteiligt gegenüber den großen Kapitalgesellschaften." Der DGB-Vize Heinz Putzhammer verlangt, bei der Fortschreibung des Unternehmensteuerrechts mehr "die Interessen des Sozialstaats" zu beachten.

Selbst Oskar Lafontaine, früher SPD-Chef und nach der 98er Wahl kurzzeitig Finanzminister, entdeckte nach dem Rücktritt sein linkes Herz wieder und geißelte den "radikalen Kurswechsel der rot-grünen Koalition zum Neoliberalismus" - gaben die Genossen dem Großkapital doch Geld zurück. Dabei hatte Lafontaine, der noch in der vorausgegangenen Wahlperiode die Blockade der Kohlschen Steuerreform organisiert hatte, 1998 die Koalitionsvereinbarung mit ausgehandelt. Danach sollten künftig "alle Unternehmenseinkünfte mit höchstens 35 Prozent besteuert" werden - diesen niedrigen Satz hat Eichel nicht einmal erreicht.

Ein anderer Unterzeichner des Koalitionsvertrags, der Grüne Joschka Fischer, bekennt noch heute, dass ihm wegen der 2001 von Rot-Grün verwirklichten Unternehmensteuersenkung sein "linkes Herz blutet". Doch die Reform sei notwendig gewesen, weil sich die Bundesrepublik international in einem Steuerwettbewerb befinde und "wir wieder Investitionsstandort werden wollten". Der Erfolg blieb nicht aus: Die Auslandsinvestitionen sind kräftig gestiegen. "Die Zeit nach der Unternehmensteuerreform", schwärmt der Exbanker Hilmar Kopper, der mit offizieller Order im Ausland für Engagements in der Bundesrepublik wirbt, "war zweifellos meine angenehmste als Regierungsbeauftragter für Auslandsinvestitionen."

Niedrige Steuern für Unternehmen sind den Sozialdemokraten kein Selbstzweck. Die Maßnahmen sollen heimischen Betrieben mehr Spielraum für Investitionen eröffnen, auch wenn wegen der flauen Weltkonjunktur und Versäumnissen in der Sozialpolitik keineswegs alle Blütenträume reiften. Schon gar nicht eignen sich Unternehmensteuern zum Verteilungsstreit. Auf längere Sicht wälzen die Unternehmen höhere Steuern ohnedies in höheren Preisen auf die Verbraucher ab. Immer nur bei den Bürgern, schrieb der Ökonom Dieter Schneider über die Körperschaftsteuer schon 1980 im Handbuch der Finanzwissenschaft, "schlägt sich letztlich die Steuerbelastung nieder".

Fehler können Steuersenker trotzdem machen. Die Besteuerung darf den Wettbewerb zwischen den Unternehmen nicht verzerren. Und da bietet die Reform eine offene Flanke - scheinbar. Die Körperschaftsteuer, die von Kapitalgesellschaften zu zahlen ist, wurde im Jahr 2001 schlagartig gesenkt, während die Einkommensteuer, der Personenunternehmen unterliegen, nur schrittweise sinkt. Deshalb zogen die Verbandsfürsten der Mittelständler jüngst wieder gegen Schröders Plan zu Felde, die nächste Steuersenkung zu verschieben, um die Hilfe für die Flutopfer bezahlen zu können.

Bei ausreichend Licht besehen, ist von einer Schieflage nicht viel zu erkennen. Tatsächlich zählen 80 Prozent der GmbHs - und das sind genau wie die AGs Kapitalgesellschaften - zu den mittelständischen Firmen. Und der Behauptung, dass Personengesellschaften durch die Steuerreform ins Hintertreffen gerieten, sind die Fünf Wirtschaftsweisen schon im vergangenen November entgegengetreten: Die Belastungen der Personenunternehmen durch den Steuertarif lägen "sowohl vor als auch nach der Steuerreform unter denjenigen der Kapitalgesellschaften". Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Ökonomieprofessor Wolfgang Wiegard, rechnet sogar vor, dass schon jetzt die Personenunternehmen "in aller Regel steuerlich günstiger behandelt" werden als ihre Konkurrenten - obwohl zwei Reformstufen noch ausstehen.

Und die Kritiker aus der Wirtschaft nehmen sich selbst den Wind aus den Segeln: In einer gemeinsamen Dokumentation urteilten die Spitzenverbände, "dass bei längerfristiger Betrachtung Kapitalgesellschaften gegenüber Personengesellschaften durch die Reform nicht besser gestellt werden". Dass der Handwerksverband mit zu den Autoren zählt, hindert dessen Präsidenten Dieter Philipp jedoch nicht, neue Steuervergünstigungen für den Mittelstand zu fordern.

Trotzdem hat die Reform Mängel. Bei der eifrigen Gesetzesarbeit blieb wieder einmal die Vereinfachung des Steuerrechts auf der Strecke. Allein die Flut neuer Bestimmmungen macht das Recht noch unübersichtlicher. So wurde das Einkommensteuergesetz in den beiden vergangenen Jahren zwanzigmal geändert. Der Paragraf 52, der nur festlegt, von welchem Zeipunkt an welche Regelung gilt, schwoll auf 63 Absätze an. Eichel hat zwar eine Reihe von Schlupflöchern gestopft und Vergünstigungen gestrichen, aber das Finanzrecht strotzt weiter vor überflüssigen oder sogar schädlichen Steuersubventionen. Die zahlreichen Ausnahmeregeln für die Ökosteuer haben sogar dafür gesorgt, dass die Summe der Vergünstigungen zeitweilig noch gestiegen ist. Das kann nur die Steuerberater freuen - weil Bürger und Firmen kaum durchblicken, beschleicht sie schnell das Gefühl, der Staat beute sie aus.

Ehrgeizige Senkungen über die beschlossene Reform hinaus lässt die Geldnot des Staates nicht zu. Und das, obwohl Eichel schon an falschen Stellen gespart hat: Der Anteil der Investitionen an den Bundesausgaben sank unter seiner Regie weiter - in diesem Jahr auf magere 10,1 Prozent. Dass die Quote im nächsten Jahr auf 12,7 Prozent steigen dürfte, wie Eichel vergangene Woche im Bundestag verkündete, verdankt der Minister ausgerechnet der Hochwasserkatastrophe: Die meisten Entschädigungsleistungen des Bundes werden nach dem Haushaltsrecht als investive Ausgaben gebucht.

Die Spur zwischen Eichels "Leitplanken" bleibt denkbar schmal. Schließlich gibt es noch die Brüsseler Schikane: Überschreitet die Neuverschuldung die Maastrichter Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, droht der blaue Brief. "Unter Umständen muss man noch einmal an Ausgabenkürzungen heran", kündigt Eichel für die Zeit nach der Wahl an. Auch einem etwaigen Nachfolger wird nichts anderes übrig bleiben, als weiter rote Striche durch die schwarzen Ausgabenkolonnen der Kabinettskollegen zu ziehen.

Die Zeit
Können Sozis mit Geld umgehen? 789475   Können Sozis mit Geld umgehen? 789475
MadChart:

Das Ziel der Haushaltskonsolidierung

 
19.09.02 00:39

ist ja lobenswert. Hat vorher 16 Jahre lang keinen Finazminister interessiert, und ich stehe auch voll hinter dem Ziel als Solchen.

ABER: Wo spart unser Finanzminister denn???

Es wird kein einziger mueder Euro bei den Ausgaben eingespart, es wurden lediglich Steuern erhoeht und Haushaltsgelder umverteilt. Das hat mit Sparen im Sinne von Kostensenken nix zu tun, aber genau hier muesste man ansetzen!!!

BTW: Stoiber machts wahrscheinlich auch nicht besser...


Gruesse

MadChart
Karlchen_I:

Das mit dem Sparen ist so eine Sache..............

 
19.09.02 01:17
Ein Finanzminister kann sich nicht wie der Kassenwart eines Kaninchenzüchtervereins verhalten, denn er hat die volkswirtschaftlichen Kreislaufwirkungen zu beachten. Das haben aber weder Waigel noch Eichel hinreichend getan.

Und zudem: Man kann auch kontraproduktiv sparen - etwa bei Bildung und Investitionen. Kein Hausbesitzer würde ein kaputtes Dach nicht reparieren, weil er meint, sparen zu müssen. Unsere Politiker sparen aber trotz eines kaputten Daches (bei Bildung, Infrastruktur etc.)
Reila:

Soso, Karlchen,

 
19.09.02 01:27
dann können sich also Finanzminister doch wie der Kassenwart besagten Zuchtvereines verhalten. Wollen wir uns bewerben?

Und wenn ja - als Finanzminister oder Karnickel?

Gute Nacht.

R.
Karlchen_I:

@Reila: können: ja, sollten nein.....

 
19.09.02 01:29
Komme gerade von einer Geburtstagsparty aus Pankow.
Reila:

Hatte Krenz Geburtstag?

 
19.09.02 01:31
Sorry.

Schlaf gut.

R.
Karlchen_I:

War zwar in Niederschönhausen...............

 
19.09.02 01:33
Aber bei einer sehr guten Freundin.
Reila:

Ist sie hübsch? Große Ohren? o.T.

 
19.09.02 01:34
Karlchen_I:

@Reila: Sie ist sehr hübsch....

 
19.09.02 01:39
Groß, langbeinig, schlank und rothaarig. Mehr davon nächste Woche.
Karlchen_I:

So - ich hau mich in die Kiste. N8! o.T.

 
19.09.02 01:40
Reila:

Karlchen,

 
19.09.02 01:42
kein Wort zu den Ohren? Wo waren denn deine Blicke?

N8

R.
Apfelbaumpfla.:

Gibts' eigentlich irgendwo

 
19.09.02 07:42
die Daten der Staatsverschuldung, also Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungskassen etc. getrennt?

Würde mich echt mal interessieren, wie sich das entwickelt. Schließlich könnte doch der Bund einfach umschichten.

Grüße

Apfelbaumpflanzer
user:

so genaugenomKönnen sie nicht-Wissen wir doch alle o.T.

 
19.09.02 07:44
user:

Können Sie nicht !!!!

 
19.09.02 07:46
Wissen wir doch alle- alle mit IQ über 90 einschränkend gesagt.
Siehe Mobilcom.
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--