Sie sind bittere Konkurrenten und waren doch bisher
aufeinander angewiesen. Der Softwaregigant Microsoft und
der weltgrößte Internetdienst America Online (AOL) liefern
sich zur Zeit auf gleich mehreren Online-Geschäftsgebieten wüste Schlachten:
Beim Thema Online-Telegramme ("Instant Messaging"), bei der Software für Audio-
und Videoinhalte und nicht zuletzt auch bei der Werbung um Kunden für das eigene
Internetangebot.
Beide sind aber auch langjährige Partner. Eerst im vergangenen Januar endete
ein 1996 abgeschlossener Kooperationsvertrag. Er half dem Microsoft-Browser
Internet Explorer bei seinem Siegeszug, indem er ihn zum Standardprogramm für
Millionen von AOL-Kunden machte. Die Abmachung garantierte AOL im Gegenzug beste
Integration der eigenen Software ins Windows-Betriebssystem. Um die Bedingungen
für eine Verlängerung des Vertrages ringen die beiden Partner seit Wochen, ohne
bislang eine Einigung erzielt zu haben.
WINDOWS XP FÜR AOL EIN ROTES TUCH
Im Herbst soll Microsofts neues Betriebssystem Windows XP auf den Markt
kommen. Und seine Bestandteile werden von AOL zum Teil als geschäftsschädigend
angesehen; der Onlinedienst bietet mit dem AOL Instant Messenger (AIM) einen
populären Service, der Nutzern das Austauschen von Textnachrichten in Echtzeit
ermöglicht. Der Instant Messaging-Service von Microsoft soll nun fest in Windows
XP integriert werden. Besonders dieses Thema erschwert die laufenden
Verhandlungen über ein neues Kooperationsabkommen.
"Wer wird das Internet beherrschen?", fragen sich Marktbeobachter nun und
finden eine beunruhigende Antwort: Microsoft und AOL könnten sich gegenseitig
Konkurrenz und den Websurfern das Leben schwer machen. "Die beiden Riesen bauen
Festungen rund um ihr eigenes Territorium", sagt der US-Verbraucheranwalt Gene
Kimmelman. Das könnte zu einer beschränkten Auswahl für Internetnutzer führen,
die dann gezwungen wären, sich mit Software und Online-Angeboten ausschließlich
bei einem Anbieter zu bedienen.
ONLINE-TELEFONIEREN IM BLICK
Dies gilt für einen Bereich der Internet-Nutzung, der bisher technisch noch
nicht ausgereift war - das Online-Telefonieren. Microsoft plant nach einem
Bericht der "New York Times" für Windows XP die Integration digitaler Bausteine,
die eine deutlich verbesserte Stimmwiedergabe via Internet ermöglichen. Sollte
AOL in diesem Bereich auf eine eigene Software setzen, könnte dies für Nutzer
Probleme ergeben: dann nämlich, wenn die unterschiedlichen Telefon-Programme der
beiden Anbieter nicht miteinander kommunizieren können.
AOL erwägt nun, statt des Internet Explorers von Microsoft den
Netsacpe-Browser in die Zugangssoftware für den eigenen Online-Dienst zu
integrieren. Schließlich gehört Netscape zum AOL-Firmenimperium. Weiterhin hat
AOL sogar die Entwicklung eines eigenen Betriebssystems ins Auge gefasst - in
Zusammenarbeit mit PC-Herstellern.
IM POP-BEREICH KONKURRENZ
Das Unternehmen setzt schon jetzt bei den Audio- und Videoinhalten auf die
Software von RealNetworks und nicht auf Microsofts Windows Media Player. America
Online setzt außerdem auf eine riesige hauseigene Sammlung von Unterhaltungs-
und Informationsstoffen. Das Unternehmen, das weltweit über 29 Millionen Kunden
zählt, verfügt als Teil des Konzerns AOL-Time Warner über einen riesigen Fundus
an Medieninhalten - von Popsongs über Zeitungsberichte bis zu Filmen.
Microsofts Onlinedienst MSN ist in diesem Markt mit etwa fünf Millionen
Kunden der weit abgeschlagene Zweite. Mit dieser Rolle gibt sich das Unternehmen
aber nicht zufrieden und greift AOL zur Zeit direkt mit einer Werbekampagne rund
um besonders günstige Monatstarife an. AOL verteuert in den USA die monatliche
Flatrate um neun Prozent auf 23,90 Dollar. MSN wirbt nun mit dem alten AOL-Tarif
von 21,95 Dollar und einem dreimonatigen kostenlosen Zugang für alle Neukunden,
die von AOL zu MSN wechseln./ts/DP/hn/
--- Von Tilman Streif, dpa ---
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